Die Wagenknecht-Partei

Sahra Wagenknecht gründet eine neue Partei – und ich bin mir nicht so ganz sicher, was ich davon halten soll.

Ich habe früher durchaus viel von Sahra Wagenknecht gehalten, da sie auch ökonomisch echt Ahnung hat. Zudem habe ich sie auch hier in Artikeln (s. beispielsweise hier und hier) öfter mal in Schutz genommen gegen m. E. unfaire mediale Anfeindungen.

Allerdings fand ich es in den letzten Jahren auch zunehmend problematisch, dass Sahra Wagenknecht immer wieder Statements rausgehauen hat, die alles andere als progressiv sind und in jedem Fall als AfD-Anbiederung verstanden werden können. Und da fragte ich mich dann jedes Mal, warum sie das macht, wenn sie doch von den Vorwürfen, rechtslastig zu sein, genau weiß und so ihren Kritikern diesbezüglich immer wieder neues Futter liefert …

Und auch wenn sie nicht überzeugte Rechtsaußen ist, wogegen ihre wirtschaftspolitischen Ansichten sprechen, dann ist doch das wiederholte Kokettieren mit rechten Inhalten doch auch nicht gerade ungefährlich, weil es nämlich solche Inhalte immer weiter vom rechten Rand in die sogenannte Mitte der Gesellschaft holt und damit auch ein Stück weit legitimiert und normalisiert.

Insofern hat sich da bei mir im Laufe der letzten Jahre eine eher ambivalente Haltung zu Sahra Wagenknecht herauskristallisiert.

Aber nun zum aktuellen Parteiprojekt, was ja letzte Woche mit ziemlich großem medialen Tamtam angekündigt wurde. Zwar erst mal nur in Form eines Vereins mit dem Namen „Bündnis Sahra Wagenknecht“, und das soll wohl auch nicht der Name der späteren Partei, die 2024 zur EU-Wahl antreten möchte, sein.

Dennoch: Ich finde die Fixierung auf eine Person im Namen des Vereins nicht so richtig überzeugend. Klar, Sahra Wagenknecht ist eine sehr prominente Politikerin, die auch einige sich gut verkaufende Bücher geschrieben hat und in vielen Fernsehsendungen zu Gast war, aber mich erinnert so was dann immer an derart obskure Dinge wie die Schill-Partei damals in Hamburg.

Es ist gut, wenn Politiker charismatisch sind und sich einer hohen Beliebtheit erfreuen – aber dennoch sollte eine demokratische Partei m. E. nicht so sehr auf eine einzige Führungsfigur zugeschnitten werden. Und so finden sich Wagenknechts Mitstreiter, die mit ihr zusammen die Bundestagsfraktion der Linken verlassen haben und allesamt durchaus gestandene Bundespolitiker sind, nun auch nur unter „ferner liefen“ wieder.

Es spricht natürlich nichts dagegen, eine prominente Politikerin als Aushängeschild zu nutzen, das hat die CDU als Kanzlerinnenwahlverein ja schließlich auch mit Angela Merkel jahrelang so gemacht. Allerdings sollte dabei eben nicht die sachlich-inhaltliche Ebene aufgegeben werden zugunsten einer rein persönlichen – auch da erinnere ich mich an die CDU, die mit ihrem Bürgermeister Ole von Beust in den 00er-Jahren den blödsinnigen Wahlkampfslogan „Michel, Alster, Ole“ rausgehauen hat -, wie ich finde, da es ja begrüßenswert wäre, wenn sich die Wähler tatsächlich aufgrund von programmatischen Inhalten für eine Partei entscheiden. Und diese Gefahr sehe ich nun bei einer Partei, die in den meisten Medien bisher nur als die „Sahra-Wagenknecht-Partei“ bezeichnet wird, schon ein gutes Stück weit.

Was für Inhalte sind denn nun von dieser neuen Partei zu erwarten? Nun, das aus meiner Sicht Positive dürfte sein, dass das neoliberale Wirtschaftssystem wohl abgelehnt werden dürfte. Als negativ hingegen empfinde ich, dass eine Besinnung auf den Nationalstaat Deutschland im Vordergrund stehen dürfte – zumindest wenn ich dem die Aussagen der letzten Jahren von Sahra Wagenknecht zugrunde lege (siehe beispielsweise hier). Also quasi mehr soziale Gerechtigkeit, aber unter der Prämisse „Germany first“.

Dass Letzteres wohl nicht so rigide ausgelegt werden dürfte wie „America first“ bei Ex-US-Präsident Donald Trump, schätze ich allerdings schon. Wobei ich es grundsätzlich fragwürdig finde, sich in einer zunehmend globalisierten Welt (mit zunehmend globalen Problemen und Krisen) auf den einzelnen Nationalstaat zurückzuziehen. Klar, die meisten Entscheidungen werden nun mal immer noch auf der Ebene nationaler Regierungen getroffen, dennoch ist nach meine Dafürhalten ein demokratisch legitimierter internationales Miteinander eher das Mittel der Wahl, um tatsächlich Dinge wie die Klimakrise endlich angehen zu können.

Apropos Klimakrise: In einem Statement von Christian Leye auf Facebook, in dem er beschreibt, warum er und einige andere nun die Linke verlassen und mit Sahra Wagenknechts Partei Politik machen wollen, findet sich dann auch gar nichts zum Thema Klimaschutz oder Umweltschutz. Und das habe ich dort dann auch angemerkt – und eine Antwort darauf erhalten, die mich nicht wirklich zufrieden gestimmt hat.

Das liest sich für mich nämlich schon reichlich so wie FDP-Gerede: Wir warten auf irgendeine tolle Technologie, lehnen aber bereits funktionierende Technologien zum Klimaschutz ab und hoffen, dass dann irgendwann in der Zukunft schon alles toll werden wird, weil wir jetzt nämlich am liebsten gar nichts ändern wollen.

Na denn, mich überzeugt so was zumindest nicht so richtig – und das wäre für mich auch ein Grund, eine Wagenknecht-Partei mit ziemlicher Sicherheit nicht zu wählen.

Aber vermutlich bin ich auch gar nicht so unbedingt die Zielgruppe dieser neuen Partei, denn es wird ja immer wieder betont, dass es wohl vor allem darum ginge, der AfD Wähler abspenstig zu machen. Was ja auch generell erst mal keine schlechte Sache ist …

Dabei wird dann immer auf Wagenknechts Aussagen zur Flüchtlingspolitik verwiesen, die als reichlich AfD-nah und somit rechtslastig bezeichnet werden. Ich stimme mit diesen Aussagen auch nicht überein, sehe es allerdings eher so, dass sich in dieser Frage der gesamte Diskurs mittlerweile so stark nach rechts verschoben hat, dass Wagenknecht somit schon eigentlich im politischen Mainstream angesiedelt ist. Zumal sie eben meines Wissens auch noch nicht solche Sachen rausgehauen hat wie der CDUler und Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der allen Ernstes fordert, irreguläre Migration auch mit physischer Gewalt zu stoppen (s. hier).

Dass Wagenknecht mit ihren Aussagen zu Flucht und Migration wohl auch zu dieser Diskursverschiebung beiträgt, ist ja eine Sache, in jedem Fall ist das aber auch kein rechtslastiges Alleinstellungsmerkmal von ihr. Zumal wenn man dann sieht, was der Bundeskanzler da gerade so fabriziert – und was es immerhin auf eine Spiegel-Titelseite geschafft hat:

Komischerweise habe ich da noch nicht so was wie „Scholz goes AfD“ gehört …Was erwarte ich also von dieser neuen Sahra-Wagenknecht-Partei?

Nun, zum einen in vielerlei Hinsicht leider keine wirklich progressiven Impulse, die es eben gerade im Hinblick auf die Klimakrise so dringend bräuchte. Andererseits ist sie in wirtschaftspolitischer Hinsicht (bisher zumindest) deutlich anti-neoliberal, was ich natürlich schon positiv finde, was allerdings auch dazu führen dürfte, dass sie von der neoliberalen Presse eher unsachlich angegangen werden dürfte. Und das dürfte dann wiederum einer so dringend notwendigen Versachlichung und Entgiftung des öffentlichen Diskurses sehr im Wege stehen, denn auf diese Weise würde sich Wagenknecht-Anhänger vermutlich dazu berufen fühlen, auf genauso unsachliche Weise in die Verteidigung zu gehen. Das erlebt man ja leider in den letzten Jahren zunehmend aufgrund des immer mehr auf Persönlichkeiten ausgerichteten politischen Diskurses.

Andererseits: Jede Stimme, die nicht bei den Blaubraunen landet, ist generell schon mal eine gute Sache. Die AfD ist eben in jeder Beziehung rechts bis rechtsextrem, und bei Wagenknecht finden sich doch auch immer noch einige linke Positionen. Könnte ihre Partei nun vor allem Wähler, die aus Wut, Frust und/oder Dummheit ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, für sich gewinnen, dann würde das dem Rechtsrutsch in Deutschland schon ein bisschen entgegenwirken können. Und sei es auch nur, um bei der nächsten Bundestagswahl eine schwarz-blau(-gelbe) Regierungskoalition zu verhindern.

Daraus ergibt sich für mich dann auch schon, wie man mit dieser neuen Partei und ihren Anhängern umgehen sollte: ihnen auf der inhaltlichen Ebene begegnen, Parallelen zu eigenen Positionen herausstellen, aber auch klar sagen, bei welchen Ansichten man nicht mitgeht.Das dürfte allerdings nicht ganz leicht werden, denn wenn ich so was lese wie hier neulich in einem Spiegel-Artikel, bei dem tatsächlich Wagenknechts Kajal zum Aufhänger gemacht wurde, dann zeigt das schon auf erschreckende Weise, wie sehr Politik von vielen Medien zunehmend als eine Art Showbusiness gesehen wird – und das steht inhaltlichen Debatten ja dann doch eher konträr gegenüber.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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