Auch mich treibt nur noch die Angst zur Wahlurne …

… nicht die Erwartung, Besseres erreichen zu können durch meine Stimme. Meine Erwartungshaltung tendiert gegen null derzeit. Schade, aber wohl nicht zu ändern auf kurze Sicht.

Reden, reden, reden, und nichts verbessert sich, eher das Gegenteil ist der Fall. Ich kann dieses Gelabere, gerade vor Wahlen, über Armut, Wohnungsnot und falsch berechnete Hartz-Sätze schon nicht mehr hören. Ich mag die Klagen über Klima nicht mehr hören und lesen. Ich mag nichts mehr von Pflegenotstand, Lehrermangel, verfallenden Schulen, unzureichenden Netzen etc. pp. lesen oder hören. Ich mag die vielen Gesprächsrunden und Dokus, die das belegen, schon nicht mehr anschauen. Ich mag schon lange nicht mehr in die Zeitung zu schauen, weder in die, die dieses Elend offenbaren, noch in die, die dieses Elend relativieren wollen. Ich habe auch keine Lust mehr, ständig Statistiken zu lesen, die das belegen oder widerlegen, ganz wie es beliebt. Ich mag die vielen Kommentatoren nicht mehr, die nicht, die die Probleme aufzeigen, und die nicht, die sie dann relativieren oder gar das Gegenteil behaupten. Und schon gar keine Lust mehr habe ich auf Politiker und Politikerinnen, die ständig versprechen, diese Probleme zu heilen, und dann doch meist das Gegenteil machen, denn an die Kapitalrendite trauen sie sich ja doch nicht ran. Dazu sind die einen nicht bereit, und die anderen sind zu feige.

Unkenntnis bei den Politikern und Politikerinnen vorauszusetzen scheint mir auch mittlerweile falsch zu sein, denn sie könnten es wissen, sowohl die sozioökonomischen Verwerfungen als auch die ökonomischen Fehlleistungen sind ausreichend beschrieben worden. Mein Bücherschrank ist voll davon, quillt quasi über. Zugegeben, sehr viele komplizierte Werke, die Denkfähigkeit voraussetzen, die man eben als Ökonom besitzen sollte. Zugegeben, Mathematik ist bei vielen dieser Werke unerlässlich. Aber sehr viele Bücher sind auch für die Allgemeinheit geschrieben worden. Stellvertretend sei Ulrike Herrmann hier erwähnt, die ich gerade dafür bewundere, dass sie sehr einfach den Kapitalismus zu erklären weiß, auf Grafiken, Tabellen und mathematische Formeln fast völlig verzichten kann und dennoch mehr erklärt als die, die wir hier als Experten bezeichnen und denen wir und auch die Politiker und Politikerinnen das Denken derzeit allein überlassen. Denn daran hapert es doch in der Politik. Sie verstehen den Kapitalismus einfach nicht, weshalb sie ja immer von Marktwirtschaft labern, wie die meisten Ökonomen auch, deren Kapitalismusverständnis anscheinend auch rudimentär nur noch ist, weshalb sie sich – so meine Vermutung – auch meist hinter der Mathematik, ihren Formeln und Scheingewissheiten verstecken. Krise auf Krise folgt, seitdem die Ökonomen Ökonomie wie Physik betreiben, keine der Krisen haben die Ökonomen rechtzeitig vorausgesagt (dabei hätte ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte oft ausgereicht, die Krisen vorauszusagen), kaum eine Maßnahme hat bisherige und werden zukünftige Krisen verhindern können; nur verschärft sind sie worden, neue ausgelöst haben sie. Unglaublich!

Wer es also immer noch nicht begreift, dass wir sowohl ökonomisch als auch sozial und vor allem ökologisch umdenken müssen, wer immer noch am Neoliberalismus festhält, ist nicht unwissend, weil er oder sie unwissend sein muss, sondern weil er oder sie es will, weil Verdrängung doch viel einfacher ist, als sich wirklich zu bilden und dann die Probleme auch anzugehen, sodass sie auch gelöst werden können und nicht weiter vertagt und damit verschärft werden.

Es gibt keinen Zwang, diesen neoliberalen Ansatz fortsetzen zu müssen, es ginge auch ganz anders, besser allzumal, und das in allen aufgezeigten Bereichen. Es gibt nur den Widerwillen der Politik, endlich eine Politik zu machen, die nicht nur der Kapitalrendite dient, die im Gegenteil diese endlich auf das Maß schrumpft, welches für Mensch und Umwelt verträglich ist. Es gibt einen allzu großen Widerwillen in der politischen Kaste, bis hinunter in die Basis der Parteien, sich dementsprechend zu bilden, sich dem Kapitalismus wirklich mal zu stellen, ihn verstehen zu wollen.

Ich habe kein Verständnis mehr für Politiker, die mir sagen, dass sie keine Bücher lesen, die mir eine heile Welt versprechen, diese sogar für uns hier behaupten, auch nicht für die, die ich an der Basis der Parteien habe kennenlernen dürfen (oder sollte ich besser sagen: müssen? Wahrscheinlich).

Ich habe kein Verständnis mehr für Ignoranten, denn das sind sie, nicht mehr und nicht weniger als Ignoranten sind sie.

Ich habe aber auch kein Verständnis mehr für die, die immer noch diesen Politikdarstellern auf den Leim gehen, weder für die, die sich Sozialdemokraten nennen, noch für die, die sich Christdemokraten nennen, und schon gar nicht für die, die sich Grüne nennen und so enorm große Bildungsdefizite bezüglich des Kapitalismus aufweisen, wie ich es nicht mehr zu ertragen bereit bin.

Ich habe die Schnauze voll von diesen Menschen, deren einzige Berechtigung es nur noch ist, gewählt zu werden, weil ansonsten die AfD hier die Macht übernehmen könnte. Niemand ist für mich derzeit aufgrund seiner Politik wählbar, nicht eine Person und nicht eine Partei überzeugt mich derzeit, alle sind nur die kleineren Übel im Vergleich zur AfD, und nur die AfD ist es derzeit, die mich noch an die Wahlurne bringen kann, und nur weil ich diese Partei wirklich abgrundtief ablehne, deren Gedanken mir fremd sind, wie mir nur etwas fremd sein kann, weil ich diese Partei nicht durch meine Enthaltung noch größer werden lassen will, als sie jetzt schon ist.

Auch ich bin hier nur noch rein von der Angst getrieben, der Angst, mein letztes bisschen Freiheit noch zu verlieren, welches mir noch nicht von SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP genommen worden ist, diesen Freiheitsaposteln für das gut situierte Bürger- und Beamtentum, denen die Freiheit von Millionen Mitbürgern zum Opfer gefallen ist und fällt.

Alle Freiheitsapostel, sie waren mir immer zuwider;

Willkür suchte doch nur jeder am Ende für sich.

Willst du viele befrein, so wag es, vielen zu dienen.

Wie gefährlich das sei, willst du es wissen? Versuch’s!

Johann Wolfgang von Goethe

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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