Von rechts für den Frieden – das passt nicht

Vorgestern auf der Montagsdemo/Mahnwache in Hamburg klang bei ein paar Rednern an, dass es doch egal sei, aus welcher politischen Ecke Menschen kämen, wenn sie sich nur für den Frieden aussprächen (ich unterstelle diesen Rednern keine rechte Gesinnung, sie äußerten sich auch nicht entsprechend, ich hatte vielmehr den Eindruck, dass diese Aussagen vor allem als Reaktion auf die immer wieder vorgebrachten medialen Vorwürfe der rechten Ausrichtung der Montagsdemos erfolgten). Dem kann ich nicht zustimmen, denn auch wenn sich jemand nicht im Sinne rechter politischer Positionen äußert, so ist es trotzdem ein Widerspruch an sich, wenn sich ein Anhänger rechten Gedankenguts oder rechter Parteien zum Frieden per se bekennt. Dies liegt in der Grundstruktur rechten Denkens und rechter Anschauungen begründet, die genau das auszeichnet, was eben auch eine der Grundlagen dafür ist, Menschen überhaupt zu kriegerischen Handlungen bewegen zu können.

Ebenfalls bei einer der Montagsdemos in Hamburg sagte vor ein paar Wochen ein Redner am offenen Mikrofon, dass er die Ursache für Kriege in der heutigen Zeit darin sieht, dass sich die Kontrahenten nicht mehr in die Augen schauen, sondern eben auf große Entfernung töten mittels Schusswaffen, Granaten, Bomben, Raketen und Drohnen. Dieser Umstand vereinfacht das Töten eines Feindes mit Sicherheit, allerdings scheint mit die Aussage trotzdem nicht zuzutreffen, denn schließlich wurden auch schon zu Zeiten, als man noch mit Hieb- und Stichwaffen aufeinander losgegangen ist, viele Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen getötet. Und auch in Konflikten der Neuzeit wird nicht ausschließlich aus der Ferne gemordet, man denke da zum Beispiel nur an den Genozid in Ruanda vor 20 Jahren, als der Großteil der Opfer mit Macheten umgebracht oder bestialisch verstümmelt wurde. Auch die Toten in Odessa von vor ein paar Wochen wurden mit Schlagwaffen attackiert, bevor sie in ein Gebäude getrieben wurden, das dann in Brand gesteckt wurde – hier besteht ebenfalls kein wirklicher räumlicher Abstand zwischen Mörder und Ermordetem.

Was bringt also Menschen dann dazu, sich in Kriegen gegenseitig umzubringen? M. E. ist die Entmenschlichung des Gegners die dafür entscheidende Voraussetzung. Jemand wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sondern als Angehöriger eine bestimmten, extrem negativ bewerteten Gruppe. Hierbei wird die negative Beurteilung nicht auf das Handeln eines Menschen zurückgeführt, sondern auf Merkmale, die in der Regel feststehend und vom Individuum nicht wirklich beeinflussbar sind: Nationalität, Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, Religion, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Hautfarbe … Hieraus wird dann (in der Regel von den Herrschenden) ein Feindbild entwickelt, das nach dem Motto „Wir gegen die anderen“ funktioniert, sodass der Einzelne nicht mehr als Mensch, sondern nur noch als Angehöriger einer Gruppe gesehen wird – und diese Gruppe wird eben generell als böse, als Sündenbock, als feindlich dargestellt. Dadurch verschwindet die individuelle Persönlichkeit, löst sich auf in einem Feindbild, das mit Hass und ähnlichen destruktiven Gefühlen aufgeladen ist, die dann schließlich dazu führen, dass Menschen mit Gewalt aufeinander losgehen. Seine perverse Perfektionierung erfuhr dieses Prinzip sicherlich bei den Nationalsozialisten in Dritten Reich, aber im Endeffekt ist es die Grundlage jeden (Bürger-)Krieges und jeden Genozids: Derjenige, der gestern noch der nette Nachbar (wobei Nachbar sich hier auch auf eine Bewohner einer benachbarten Nation beziehen kann) war, ist heute ein entmenschlichtes Objekt, das vernichtet werden, dem ich mit Gewalt begegnen oder das ich zumindest verachten muss.

Erich Maria Remarque beschrieb in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ dieses Phänomen beziehungsweise dessen Auflösung, als sein Protagonist in einem Artillerietrichter Deckung sucht und dort dann einen französischen Soldaten ersticht, der das Gleiche vorhat. Neben dem qualvoll Sterbenden kauernd, wird aus dem röchelnden Körper des Feindes schließlich ein Mensch, und nach dessen Tod erfolgt die Erkenntnis:

Jetzt sehe ich erst, dass du ein Mensch bist wie ich. Ich habe gedacht an deine Handgranaten, an dein Bajonett und deine Waffen; – jetzt sehe ich deine Frau und dein Gesicht und das Gemeinsame. Vergib mir, Kamerad! Wir sehen es immer zu spät. Warum sagt man uns nicht immer wieder, dass ihr ebenso arme Hunde seid wie wir, dass eure Mütter sich ebenso ängstigen wie unsere und dass wir die gleiche Furcht vor dem Tode haben und das gleiche Sterben und den gleichen Schmerz. – Vergib mir, Kamerad – wie konntest du mein Feind sein? Wenn wir diese Waffen und diese Uniform fortwerfen, könntest du ebenso mein Bruder sein wie Kat und Albert.

Und genau diese Entmenschlichung finden wir auch heute noch in großem Maße, und zwar in immer stärkerer Art und Weise, je weiter es politisch nach rechts geht: die Ausländer, die Moslems, die Sinti und Roma, die Juden, die Hartzer, die Schwulen … Die Liste kann leider noch lang fortgesetzt werden. Hierbei werden in der Regel diffuse Ängste geschürt, die (mitunter frei erfundene) Einzelbeispiele dazu nutzen, eine ganze Gruppe zu diffamieren – und Ängste sind ein gutes Hilfsmittel zur Erzeugung von Irrationalität. Rein rational betrachtet, könnte es nämlich so einfach sein: Beurteile einen Menschen danach, was er sagt und wie er handelt, und nicht aufgrund von Faktoren, für die er nichts kann, so wie seine Nationalität, seine Religion usw., die zudem auch noch stets extrem heterogene Gruppen zusammenfassen.

Nun ist jeder rechten Gruppierung eigen, dass sie genau dieses Denken negiert, auf vereinfachende Weise Feindbilder aufbaut und den Hass gegen diese schürt. Da muss man sich nur die Wahlplakate und Wahlkampfaussagen von NPD, AfD und leider mittlerweile auch CDU/CSU anschauen, aber natürlich wird man da auch bei Hetzern wie Sarrazin, Pirincci oder Broder mehr als fündig (jetzt mal nur auf Deutschland bezogen, in anderen Ländern sind das natürlich andere Protagonisten mit anderen Feindbildern). Wer sich auf solche Parteien/Gestalten beruft, kann also auch nicht wirklich für Frieden eintreten, da er so die Entmenschlichung unterstützt, die auch grundlegend dafür benutzt wird, um die abscheulichsten (Kriegs-)Verbrechen, ja Krieg generell überhaupt erst zu ermöglichen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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