Das Böse hat nur geschlafen

Nichts bewegt mich derzeit mehr als das Böse, welches aus dem Dunklen gekrochen ist, und wie man es wieder ins Dunkle treiben kann.

Es hat mich immer bewegt, seit meiner frühsten Jugend, aber dieser Tage ganz besonders. Seit Langem ärgere ich mich darüber, diesem Land nicht den Rücken zugekehrt zu haben, als ich es noch konnte, als ich jünger war und es tun wollte und mich dann doch nicht traute, woanders mein Glück zu suchen, vielleicht weil ich wirklich damals auch glaubte, dass es hier nie wieder so weit kommen würde, wie es nun wieder gekommen ist. Ich hatte mich geirrt. Das Böse hat geschlafen, aber es war nie weg.

„Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert
und handelt, statt zu reden noch und noch.
So was hätt einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert –
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
Bertolt Brecht „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. Epilog. Die Stücke von Brecht in einem Band. Bechtermünz Verlag. S. 728

Machen wir uns eines zuerst klar: Es gibt keinen allumfassenden Schutz für sogenannte weiche Ziele, deshalb auch die Ratlosigkeit der Sicherheitsbehörden, die Ratlosigkeit unter den politisch Verantwortlichen. Diesen Mythos des allmächtigen Schutzes durch den Staat und seine Institutionen hat Hanau nun endgültig zerstört. Es kann uns alle treffen, an allen Orten, zu jeder Zeit.

Weiche Ziele – wir alle sind weiche Ziele – kann man nicht allumfassend schützen; man kann nur das Risiko für die Täter erhöhen durch staatliche Maßnahmen – was sicherlich ein Gebot der Stunde ist und schwer werden wird mit den ökonomischen Regeln, die uns der Neoliberalismus und das deutsche Denken in Sparsamkeit gegeben haben -, aber man kann den Bösen nicht davon abhalten, das Böse zu tun, wenn er sich in den Kopf setzt, das Böse auch tun zu wollen. Totale Sicherheit gibt es nicht, wird es nie geben können.

Was können wir tun? Vieles, aber auf keinen Fall, uns selbst meinen beschützen zu können, indem wir uns alle selbst rüsten oder den Staat zu einem alles und alle beschützenden, damit beherrschenden Staat machen. Dann hätte das Böse gewonnen, das Liberale unserer Gesellschaft aus der Gesellschaft verbannt. Vor allem standhaft müssen wir bleiben, dort, wo wir es vergessen haben, wieder werden. Die eigene Angst überwinden müssen wir, denn nichts anderes heißt es, mutig zu sein. Nur wer Angst hat, kann auch mutig sein. Standhaft muss auch die Politik nun sein, die wieder aus dem Haus zu vertreiben, die das Böse ins Haus mit hineingebracht hatten, die im Haus und außer Haus dafür sorgen, dass das Böse beständig mit Nahrung versorgt wird. Das sagt uns Hanau über Thüringen, das sollte die kurzfristige Lehre aus Hanau sein.

Gutes zu tun ist die Antwort auf das Böse, und am Guten, am Maß des Guten in dieser Gesellschaft wird sich deshalb auch entscheiden, ob sie dem Bösen anheim fallen wird oder nicht. Ganz vernichten werden wir das Böse nie können, aber wir können viel tun, damit es nicht die Oberhand gewinnt.

Fangen wir an, fangen wir endlich an, wieder für sozialen Ausgleich in diesem Land zu sorgen, dem Bösen den Humus zu nehmen.

Hören wir auf damit, ökonomische Vorteile auch zulasten der Gesellschaft zu suchen, zulasten der Umwelt, zulasten vieler Millionen von Mitbürgern. Heute, 18 Jahre auf den Tag genau, an dem die Menschenwürde der Ökonomie in diesem Lande geopfert worden ist, an dem die Hartz-Kommission von Rot-Grün ihren Auftrag dazu erhielt, wäre genau der richtige Tag dazu.

Denken wir endlich wieder im Citoyen und nicht im Bourgeoisen, beenden wir das Spießbürgertum in diesem Lande, und dann bin ich mir sicher, dass wir auch gute Chancen haben, das Böse wieder zu besiegen, ins Dunkle zu treiben, wo wir es dann wieder für lange Zeit auch wegschließen können.

Hören wir auf, die Semantik des Bösen zu benutzen, um den ökonomischen Wahnvorstellungen des Neoliberalismus weiterhin zu folgen – Egoismus und Wettbewerb sind doch nur die kleinen Geschwister von Rassismus und Streit und werden, wenn sie erwachsen werden, zu Rassismus und Streit. Hören wir also auf, es dem Bösen weiterhin allzu leicht zu machen.

Benennen wir die Bösen, wenn wir ihnen begegnen, und reden wir nicht von Gift oder Krankheit, sondern endlich von den Giftmischern, benennen wir sie, nicht nur die ganz Bösen in der AfD, sondern auch die, die im Mantel des Seriösen dem Bösen Tür und Tor öffnen, selbst nicht viel besser sind als die eigentlich Bösen.

Vor allem aber, warten wir nicht auf andere, die das für uns richten werden. Dazu haben wir keine Zeit mehr. Mehr als Heuchelei, Scheinheiligkeit haben wir von denen nämlich nicht zu erwarten, die sich hier immer wieder anbieten, uns „retten“ zu wollen, die Demokratie retten zu wollen. Karl hatte dies gestern völlig richtig benannt in seinem Artikel „Heuchler!„. Hier ist jeder von uns gefragt, hier muss jeder ran, wenn er sich zu den Guten zählt, dazugezählt werden will.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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