Das Internet und der Ruf nach dem Überwachungsstaat

Wie gut, dass ich nicht in den (un)sozialen Medien vertreten bin, sonst wäre ein Shitstorm vorprogrammiert: Ich wünsche mir den Überwachungsstaat im Internet. Wenn ich meine Meinung auf öffentlich zugänglichen Plattformen (nicht privaten Foren) in die Welt schreibe, dann sollte dies unter dem realen Namen passieren, dann sollte ich auch für meine Worte geradestehen. Was nutzen Gesetze, die nicht eingehalten werden können und deren Umsetzung an überlasteten Gerichten scheitert? Im besten Falle werden Hetze, Hass und Beleidigung mit Sozialarbeit abgegolten, die bei der diffamierten Person/Gruppe abzuleisten sind.

Denn eines meine ich behaupten zu können: Wenn man Menschen näher kennenlernt, dann ist es wesentlich schwieriger, über sie zu richten. Allerdings weiß ich auch, wie groß die Kraft der Verdrängung ist (und man zufällig den einzigen netten Nazi/Ausländer/Politiker/… kennengelernt hat, die anderen aber alle so böse sind). Ich habe auch nicht wirklich große Hoffnung, dass Menschen dadurch zu sozialeren Menschen werden. Aber ich nehme schon an, dass die Verrohung im Internet auf andere abfärbt und sich im ungünstigsten (aber scheinbar sehr realistischen Fall) auch in die reale Welt überträgt.

Es gibt sicherlich viele Faktoren, die zu einer Verrohung der Gesellschaft beitragen, und es wäre zu einfach, nur die (un)sozialen Medien dafür verantwortlich zu machen. Aber ist es wirklich eine absurde Forderung, für das, was man sagt und schreibt, auch zur Verantwortung gezogen zu werden? Wäre es nicht hilfreich, der Desensibilisierung der Gesellschaft durch anonyme Kommentare einen Riegel vorzuschieben und die Menschen dahin zu bringen, zu überlegen, bevor sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, ohne vorher die Gedanken zurate gezogen zu haben? Das Recht auf die Unantastbarkeit der Würde hoch in den Kurs zu stellen (auch bei Kinderarbeit oder bei der Gleichberechtigung) und entsprechende Verstöße zeitnah zu ahnden, damit auch emotional der Zusammenhang zwischen Untat und Wiedergutmachung entsteht, das scheint mir kein schlechtes Anliegen.

Ich verstehe, dass viele Menschen gern ein anonymes Internet haben wollen. In vielen Bereichen ist es sogar sehr verständlich, gerade wenn man befürchtet, dass man selbst oder die eigenen Kontakte politisch oder strafrechtlich verfolgt werden könnten (wobei auch das ein Jammer ist). Aber wie eingangs geschrieben: Wenn ich meine Meinung in die Öffentlichkeit tröte, spätestens dann habe ich auch die Konsequenzen zu tragen.

Weil ich das Thema nun nicht wirklich weit ausdifferenziert habe, stehe ich gern für Kritik zur Verfügung. ;)

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

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