Unterschiedliche Strategien zeitigen unterschiedliche Folgen

Jeder Fußballspieler weiß dies. Es ist nicht egal, ob eine Mannschaft defensiv oder offensiv aufgestellt wird. Es ist Strategie, und erst nach 90 Minuten weiß man auch, ob die eigene Strategie aufgegangen sein wird. Beim Fußball ist das bekannt und auch nicht so entscheidend, denn Fußball ist ein Spiel. Die aktuelle Bedrohung durch Covid-19 ist aber kein Spiel; sie ist Ernst, für viele sogar tödlicher Ernst.

Vergleiche hinken meistens, die mit China aber ganz besonders

Was mir immer öfter auffällt, sind die Vergleiche mit China in den Fallzahlen bei Covid-19. Dieser Vergleich hinkt, und zwar gewaltig; dennoch wird meist beschwichtigend auf die dort rückläufigen Zahlen verwiesen. Man redet immer noch von Panik bei denen, die sich mit dieser Epidemie ausführlicher beschäftigen, zur Vorsicht mahnen. Man nimmt dabei China als Blaupause für die eigene Argumentation. Wer dies tut, irrt sich allerdings, wird am Ende vielleicht sogar für die Panik verantwortlich sein, sollte sie kommen, weil diese Rechnungen dann sich als das erweisen werden, was sie sind: unsinnig.

China hat auf Eindämmung gesetzt; wir setzen auf Durchseuchung

China setzte von Anfang an auf Eindämmung – Taiwan übrigens auch. Wir setzen auf Durchseuchung der Bevölkerung, auf Immunisierung durch Krankheit. Salopp gesprochen setzen wir auf Masern-Partys, Windpocken-Partys in der ganzen Gesellschaft, auf etwas, was im Zuge der Masern-Impfkampagne als gefährlich entlarvt worden war. Hier tun wir es dennoch.

Der Unterschied zwischen beiden Strategien ist gravierend

China nahm nicht in Kauf, dass sich bis zu 70 % der Bevölkerung anstecken werden – kann das gar nicht bei den vielen Schwerstkranken und Toten, die dann zu erwarten wären, und das über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Wir sind dazu allerdings bereit. Wir nehmen in Kauf, dass 15 % der Erkrankten mit schweren Verläufen zu rechnen haben werden, 5 % mit schwersten Verläufen, dass 70 % der Bevölkerung angesteckt werden, versuchen nur dies auf zwei Jahre zu strecken, um mit den Toten und Kranken auch zurechtzukommen. Der Unterschied im Vorgehen ist gewaltig, und jeglicher Vergleich mit Ländern wie China oder Taiwan, die auf Eindämmung setzten, verbietet sich deshalb.

Welche Strategie die Bessere am Ende gewesen sein wird, werden wir heute noch nicht beantworten können. Denn das hängt auch davon ab, ob China mit der Eindämmungsstrategie nachhaltigen Erfolg haben wird. Dass wir aber bereit sind, die ungleich höhere Zahl an Schwerstkranken im Verhältnis zur Bevölkerung in Kauf zu nehmen, auch die ungleich höhere Anzahl an Toten, und das von vornherein, wohlkalkuliert, dass kann man jetzt schon feststellen.

Es gelte zumindest, die Risikogruppen besser zu schützen

Wenn man, wie bei uns, auf die Strategie der Durchseuchung der Bevölkerung setzt, weil man den weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens vermeiden will, so hat man aber wenigstens eines zu tun: Die Risikogruppen sind primär zu schützen.

Dieses Vorgehen allerdings vermisse ich. Die Risikogruppen werden völlig gleich behandelt wie der Rest der Bevölkerung, was für mich heißt, dass wir die höheren Sterblichkeitsraten und schweren Krankheitsverläufe bei diesen Menschen billigend in Kauf werden nehmen müssen. Weder werden Altenheime in der Fläche – Ausnahmen gibt es sicherlich – besonders geschützt, als geschützte Zonen ausgewiesen, noch gilt dies bei Krankenhäusern. Schulen und Kindergärten werden nicht geschlossen werden, damit die Eltern arbeiten gehen können, die Verbreitung nicht gestoppt, sondern die Infektion soll nur in geordneten Bahnen ablaufen; man hofft wenigstens auf diese geordneten Bahnen, sicher ist man nicht, die Ansteckung der Alten und Kranken wird billigend dabei in Kauf genommen; sie bleiben in der Gleichung auch als Infizierte vorhanden.

Freiwilligkeit und die Regeln der Marktwirtschaft

Es wird weiterhin zuallererst auf Freiwilligkeit des Einzelnen gesetzt, auf sein persönliches Handeln und Unterlassen. Von den Älteren wird verlangt, sich selbst zusätzlich zu schützen, beispielsweise gegen Pneumokokken sich zu schützen, um schweren Lungenentzündungen vorzubeugen, die zwangsläufig folgen bei denen, die älter und kränker sind, deren Immunsystem schon abgebaut hat. Es wird allerdings nichts getan, um den Zugang zu dieser Impfung gerade für die Risikogruppen zu erleichtern. Anstatt hier eine groß angelegte Impfaktion zu initiieren, wird das Sonntagsfahrverbot für Lkws aufgehoben, weil die Regale mit Klopapier und Dosenfrüchten leer geräumt worden sind – vielleicht auch von den Kindern von Alten und Kranken, damit diese sich versorgen können, wenn der Virus um sich greift, wer weiß?

„Sieh zu, wie du zurechtkommst, was der Markt dir anbieten kann“, ist weiterhin das Mantra einer entsolidarisierten Gesellschaft, die fast ausschließlich auf die Solidarität des Individuums setzt und sich wundert und aufregt, wenn nicht alle Individuen sich solidarisch verhalten.

Es fängt erst an! Das sollte jedem und jeder klar werden. Es wird gemäß der gewählten Strategie ablaufen. Auch das ist nun klar.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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