E-Mail-Aktion von foodwatch zur Abschaffung der geheimen Lebensmittelbuch-Kommission

Was es nicht alles gibt, von dem die meisten Menschen in diesem Land keine Ahnung haben dürften: Eine hinter verschlossenen Türen tagende und darüber hinaus nicht demokratisch legitimierte Kommission, die sogenannten „Deutsche Lebensmittelbuch-Komission“, legt Richtlinien für Lebensmittel und deren Vertrieb in Deutschland fest – natürlich nahezu immer im Interesse der dort tätigen Firmenlobbyisten und zum Nachteil der Verbraucher. So was sollte nicht sein, findet foodwatch, und fordert eine Abschaffung dieser Kommission. Hier der Infotext aus einer foodwatch-E-Mail dazu:

Kirschtee ohne Kirschen, Geflügelwürstchen mit Schweinespeck, Zitronenlimonade ohne Zitronensaft – dass die Supermarktregale voll von Produkten sind, die nicht halten was sie versprechen, haben wir oft der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) zu verdanken: Ein Geheimgremium, das vom Bundesernährungsministerium einberufen wird und quasi-gesetzliche Leitsätze zur Produktkennzeichnung und -zusammensetzung beschließt.

Worin liegt das Problem: Erstens sind die Leitsätze des Gremiums oft paradox und irreführend (zum Beispiel Kirschtee ohne Kirschen oder Deutsches Corned Beef mit Rindfleisch aus Osteuropa). Zweitens halten wir es für inakzeptabel, dass eine Kommission, die für uns alle relevante Entscheidungen trifft, hinter verschlossenen Türen tagt. Und weil es damit nicht genug ist, hat die Lebensmittelwirtschaft mit ihren acht „Kommissaren“ auch noch ein Vetorecht und kann verbraucherfreundliche Regelungen blockieren.

Jetzt haben wir es auch noch schriftlich: Diese Lebensmittelbuch-Kommission ist verfassungswidrig! Zu dieser Einschätzung kommt der Staatsrechtler Prof. Dr. Stephan Rixen (Universität Bayreuth). Das Gremium habe „keinerlei demokratische Legitimation“, aber seine Leitsätze „wirken wie Gesetze, ohne offiziell Gesetze zu sein“, sagte er in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Auch das Ministerium habe „keine Kontrolle über das Gremium“, so Prof. Rixen. „Ist es einmal berufen, sieht die Geschäftsordnung weder effektive Einflussmöglichkeiten vor, noch können Mitglieder der Kommission abgesetzt werden – selbst wenn sie Parlamentsgesetze missachten.“

[…]

Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission ist ein demokratisches Fehlkonstrukt. Anstatt für Produktbezeichnungen zu sorgen, die für alle Verbraucher verständlich und logisch sind, haben ihre Entscheidungen zahllose irreführende Produkte zur Folge. Noch zwei Beispiele: Kalbfleisch-Leberwurst, die überwiegend aus Schweinefleisch besteht oder Sardellenpaste, in der sich Schweineschmalz befindet.

Prof. Rixen, der Staatsrechtler, bringt es auf den Punkt: Der Schutz vor Gesundheitsgefahren und Irreführung ist eine staatliche Aufgabe. Damit das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt wird, muss die Information über Lebensmittel verlässlich sein. Wer aber an Rechtssetzung mitwirkt, muss demokratisch legitimiert sein – bei der Kommission ist dies nicht der Fall: Weder gibt es konkrete Arbeitsaufträge des Parlaments, noch kontrolliert das Ernährungsministerium die Kommissionsarbeit effektiv.

Dass ein solches Gremium über die tägliche Praxis im Supermarkt entscheiden darf – ohne effektive Kontrolle und demokratische Legitimierung – ist inakzeptabel. In einem ausführlichen, juristischen Aufsatz im Deutschen Verwaltungsblatt schreibt der Staatsrechtler Stephan Rixen weiter: „Die Aufgabe, Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger als Lebensmittelkonsumenten zu schützen, darf unter dem Grundgesetz nicht länger an ein Gremium delegiert werden, das ohne demokratische Legitimation darüber mitentscheidet, ob fundamentale Grundrechte bei der Ernährung real wirksame oder nur rhetorische Größen sind. Die bisherige Konstruktion der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission ist verfassungsrechtlich unhaltbar geworden.“

Besser können wir das nicht auf den Punkt bringen. Produktbezeichnungen dürfen nicht irreführend sein, und sie müssen in einem demokratischen Verfahren festgelegt werden – ohne Vetorecht für die Lebensmittelwirtschaft. Mit der bisherigen Lebensmittelbuch-Kommission geht das nicht.Fordern Sie deshalb jetzt mit uns die Abschaffung des Geheimgremiums!

Gerade im sensiblen Bereich Lebensmittel, der zudem uns alle angeht, sind solche Zustände m. E. unhaltbar, sodass ich auch diesen Protest unterstütze. Wer das ebenfalls machen möchte, kann die hier auf der Website von foodwatch (die Aktion ist mittlerweile beendet und daher nicht mehr aufrufbar) tun.

Print Friendly, PDF & Email

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Schreibe einen Kommentar