Egoismus, getarnt als eingeforderte Rücksichtnahme

In den letzten Tage bin ich über ein Statement gestolpert, das für mich verdeutlicht, dass wir bei der Thematisierung von Identitäten und wie man diese auslebt, zurzeit auf einem ziemlichen Holzweg sind.

Mittlerweile ist es ja so, dass man vollkommen unbeabsichtigt allen möglichen Menschen auf den Schlips treten kann, auch wenn man denen gar nichts Böses will. Da kann es schon ausreichen, jemanden, den man nicht näher kennt, mit „Hallo, mein Herr“ anzusprechen, selbst wenn diese Person für einen selbst eindeutig männlich aussieht. Sollte der sich allerdings grundsätzlich oder auch gerade mal nicht als Mann fühlen, dann ist die Anrede „Herr“ ein Fauxpas, der schon mal übel genommen wird.

Und dass ich von dem ganzen Woke-Gedöns nicht allzu viel halte, sondern es vielmehr als kulturelle Rückständigkeit empfinde, habe ich ja auch schon mal in einem Artikel beschrieben. Genauso wie ich vieles von dem identitätspolitischen Tamtam für wenig zielführend zur Gleichberechtigung aller Menschen, dafür aber umso besser geeignet für Teile-und-herrsche-Praktiken halte (s. dazu hier).

Ich bin ja mit dem Selbstverständnis aufgewachsen, dass jeder nach seiner Fasson leben soll, solange er niemand anderen damit beeinträchtigt oder in seiner Freizügigkeit beschneidet. Wenn beispielsweise ein Mann meint, Frauenkleider anziehen zu wollen – bitte, soll er machen, stört mich nicht. Kann schließlich jeder anziehen, sich schminken, die Haare tragen usw., wie er oder sie es gern will.

Und ich weiß auch, dass es nicht ganz wenige Menschen gibt, die mit einem nicht genau definierbaren Geschlecht geboren werden, weil sie sowohl männliche als auch weiblich Geschlechtsmerkmale haben. Auch diese Leute sollen dann nach meinem Dafürhalten so leben, wie sie es für richtig halten, wenngleich das dabei natürlich leichter gesagt als getan ist.

Ach ja: Dass man Wörter, die von anderen Menschen als rassistisch herabwürdigend wahrgenommen werden, nicht mehr verwendet, ist für mich auch komplett nachvollziehbar. Bezeichnungen wie Schokokuss oder Balkanschnitzel tun ja nun auch echt niemandem weh – bis halt einigen wenigen Ewiggestrigen und Rechtsaußen. Aber die suchen sich sowieso nur irgendwas, weswegen sich sich aufregen und als armes Opfer stilisieren können.

Was nun allerdings seit einiger Zeit zu beobachten ist, finde ich vollkommen absurd. Da wird vehement Rücksichtnahme auf die eigenen Befindlichkeiten eingefordert und dabei dann die Befindlichkeit anderer Menschen hemmungslos platt gewalzt.

Ein Beispiel dazu fand ich gerade auf Facebook:

Also, ich kann den Frust von Riley Gaines da durchaus nachvollziehen.

Männer und Frauen weisen nun einmal physiognomische Unterschiede auf, sodass es sinnvoll ist, sie in den meisten Sportarten getrennt voneinander antreten zu lassen. Alles andere wäre unfair und würde dazu führen, dass Frauen keine Titel gewinnen könnten, da der schnellste Mann immer schneller sein wird als die schnellste Frau, der am höchsten springende Mann immer höher springen wird als die am höchsten springende Frau usw.

Ich weiß noch, dass vor einigen Jahren die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft, nachdem sie gerade Weltmeister geworden sind, ein Freundschaftsspiel gegen eine A- oder B-Jugend des VfB Stuttgart bestritten haben – und dabei eine 0:4-Niederlage einstecken mussten. Würde hier also nicht nach Geschlechtern getrennt, gäbe es keine einzige Fußballnationalspielerin.

Und nun kommen also als Männer geborene Menschen daher und nutzen ihre physischen Vorteile hemmungslos aus, indem sie bei Frauenwettbewerben antreten. Ich finde das extrem unfair und einen Affront gegenüber den dann im Wettkampf unterlegenen Frauen.

Der britische Rapper Zuby hat diese Absurdität schon vor ein paar Jahren mal deutlich aufgezeigt. Er selbst macht Kraftsport, hat dann irgendwann behauptet, er würde sich jetzt als Frau fühlen, trat bei Frauenwettbewerben im Gewichtheben an und stellte mal eben einen Weltrekord auf, nur um danach dann zu sagen, er fühle sich jetzt wieder als Mann (dokumentiert in einem Video auf YouTube). Das ist natürlich schon recht provokant, aber ich finde, dass daran klar ersichtlich wird, warum Männer und Frauen besser nicht in gemeinsamen Wettbewerben antreten sollten – auch wenn es sich dabei um als Männer geborene Menschen handelt, die sich mittlerweile als Frauen fühlen.

Es wäre ja sehr einfach zu lösen: Jeder tritt in einer Sportart bei dem Geschlecht an, als das er oder sie geboren wurde.

Aber so eine Aussage würde vermutlich von vielen dann schon als transgenderfeindlich aufgefasst werden. Ich finde es eher umgekehrt: Seine eigene Befindlichkeit so sehr über das Befinden von anderen Menschen zu stellen, so wie William Thomas das gegenüber Riley Gaines und anderen Sportlerinnen macht, ist extrem egoistisch. Nur will natürlich niemand gern zugeben, ein Egoist zu sein, also wird der Fehler bei anderen gesucht, die nicht genug Rücksicht nehmen.

Und da hört dann für mich der Spaß auf.

Wie gesagt: Jeder kann als Mann oder Frau rumlaufen, wie er oder sie das will, jeder kann lieben, wen er oder sie will (solange es dabei keine Nötigung oder andere Formen der unlauteren Machtausübung gibt), jeder soll so leben, wie er oder sie es gern möchte – aber dann von anderen zu verlangen, ständig und überall Rücksicht darauf zu nehmen, dass man sich dabei ja irgendwie vielleicht nicht korrekt wahrgenommen fühlen könnte, das haut nicht hin.

Man erwartet also, dass andere locker und unverkrampft mit einem umgehen, ohne aber selbst mal ansatzweise locker und unverkrampft zu sein, wenn diese anderen dann mal nicht ganz so handeln, wie man es selbst gern hätte. Womit wir wieder beim Egoismus wären …

So wird auf einer weiteren geschlechtlichen Ebene das Teile-und-herrsche-Prinzip praktiziert, indem durch diese zunehmende Fixierung auf nicht binäre Geschlechtlichkeit schön weitere Fronten aufgemacht werden, im oben geschilderten Fall dann Frauen gegen Transmänner.

Ich persönlich würde das ja alles generell viel lockerer sehen. Bevor man beispielsweise Toiletten für drei oder noch mehr Geschlechter einrichtet, könnte man doch generell ein Klo für alle machen. Gut, die Pinkelbecken könnten dann durch einen Sichtschutz abgetrennt werden, damit niemand gezwungen ist, entblößte Genitalien zu sehen, aber das wäre es dann auch schon. Thema durch, und niemand müsste sich mehr darüber aufregen, dass es Toiletten für Transpersonen nicht gibt oder eben dass es sie gibt, obwohl sie gar nicht benutzt werden.

Es könnte alles so einfach sein, aber dann gäbe es ja kein identitätspolitisches Gedöns, das die Leute beschäftigen würde und sie dazu bringt, aufeinander loszugehen. Und dann würden  vielleicht Angehörige aller Geschlechter, Nationalitäten, Hautfarben und Religionen erkennen, dass es ein paar wenige Menschen gibt, die dafür sorgen, dass es ihnen allen nicht so gut geht, wie es ihnen gehen könnte …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Egoismus, getarnt als eingeforderte Rücksichtnahme“

  1. Riley Gaines hält mittlerweile Vorträge über ihre Erfahrungen, und dabei wird sie dann auch schon mal auf übelste Weise angegangen und auch körperlich attackiert, wie aus einem Artikel der Daily Mail hervorgeht. Das sind dann also die Leute, die selbst für sich Toleranz einfordern, anderen aber nicht mal die Äußerung einer ihnen nicht genehmen Ansicht zugestehen und dann sogar gewalttätig werden. Widerlich!

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