Tödlicher Polizeieinsatz – warum musste Mouhamed sterben?

Letzte Jahr im September wurde der 16-jährige Mouhamed Dramé von der Dortmunder Polizei mit fünf Kugeln aus einer Maschinenpistole erschossen. Was ganz für sich schon mal komplett krass klingt, wird dann noch deutlich krasser, wenn man sich mit dem Vorfall etwas genauer befasst.

Und genau das haben Marcel Siepmann und Aiko Kempen gemacht im Rahmen der ZDF-Reihe Die Spur. In der halbstündigen Reportage wird den Hintergründen nachgegangen, werden Zeugen befragt und auch strukturelle Probleme aufgezeigt, die zu diesem vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz geführt haben.

Dass die Polizei ihr Vorgehen mit Lügen zu rechtfertigen versucht hat – was ja leider mittlerweile gang und gäbe ist, wenn jemand durch Polizeigewalt zu Schaden kommt -, wird nicht explizit beleuchtet, aber dazu gab es ja bereits kurz nach dem Tatzeitpunkt einige Berichte und Analysen (zum Beispiel hier).

Siepmann und Kempen geht es nun darum, nicht nur den Tathergang genau aufzuzeigen, sondern auch zu hinterfragen, warum die Polizisten sich denn derart unangemessen verhalten haben. Schließlich ging von dem Teenager keine Gefahr für andere aus, sondern er litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund seiner Flucht aus dem Senegal nach Deutschland und war nun suizidgefährdet. Das Messer, was er bei sich hatte, zeigte auf seinen eigenen Körper, als die Polizei eintraf.

Deutlich wird an der Reportage: Für den Umgang mit Menschen in einer psychischen Krise oder auch psychisch Kranken wird die Polizei schlichtweg nicht ausgebildet. Es gibt da zwar vereinzelte Kursangebote zum dem Thema, aber die sind so dimensioniert, dass nur ein Bruchteil der Polizisten daran teilnehmen kann.

Und so wurde vollkommen falsch reagiert von den Beamten. Als sie Mouhamad ansprachen und der weder Deutsch noch Englisch oder Spanisch wirklich gut verstehen konnte, haben sie ihn erst mal mit Pfefferspray eingenebelt. Als er daraufhin aufstand und auf die Beamten zuging (ein anderer Weg stand nicht zur Verfügung), wurde er erst mit Elektroteasern und nicht mal eine Sekunde später mit sechs Schüssen aus einer Maschinenpistole niedergestreckt – um nicht zu sagen: ermordet.

Die Polizisten, die an dem Einsatz beteiligt waren, sehen ihr Verhalten fast ausschließlich als richtig an und meinen, dass der Einsatz so korrekt abgelaufen wäre. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) will auch keine strukturellen Probleme erkennen und attestiert höchstens persönliche Fehler – obwohl etwa die Hälfe der Menschen, die in Deutschland in den letzten Jahren von der Polizei getötet wurden, psychisch krank oder auffällig waren.

Und ich persönlich frage mich dann ja auch, ob das Ganze nicht eventuell komplett anders und weniger eskalierend vonseiten der Polizei abgelaufen wäre, wenn dort nicht Mouhamed Drapé, sondern Sebastian Müller gesessen hätte …

Leider steht mal wieder zu befürchten, dass dieser Mord (ich kann es einfach nicht anders nennen) ungesühnt bleiben wird, denn vonseiten der Polizei und auch Politik ist zum einen wenig Einsehen und zum anderen wenig Transparenz zu erkennen. Und dann ermittelt natürlich auch mal wieder die Polizei gegen sich selbst – was ja sowieso in schöner Regelmäßigkeit dazu führt, dass Verfahren gegen gewalttätige Polizisten eingestellt oder gar nicht erst eingeleitet werden.

So bleibt man schon ein gutes Stück weit fassungslos zurück, wenn man sich diese Reportage angeschaut hat.

Hier zu sehen in der ZDF-Mediathek (bis zum 3. 5. 2025): https://www.zdf.de/dokumentation/die-spur/polizeieinsatz-gewalt-rassismusverdacht-dortmund-nordstadt-100.html.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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