Neues vom Rechtsruck

Aiwanger, eine in Umfragen immer stärkere AfD, Friedrich Merz mit einer rechtspopulistischen Parole nach der anderen – der Rechtsruck ist längst zu einem Rechtsrutsch geworden. Und dieser wird nicht nur von Rechtsaußen vorangetrieben, sondern auch von anderen politischen Lagern befeuert.

Ein lieber Freund schickt mir vor einigen Tagen den Link zu einem lesenswerten Interview mit dem Historiker Philipp Ther auf der Website von ntv mit den Worten: „Wasser auf Deine Mühlen“. Darin wird der Neoliberalismus eindeutig als eine Hauptursache für die weltweite Zunahme der Zustimmung für rechte, rechtspopulistische und rechtsextreme Politiker und Parteien benannt. Die von neoliberaler Politik verursachten Abstiegssorgen, sozialen Probleme aufgrund von zunehmender Ungleichheit und gesellschaftlichen Entsolidarisierungsprozesse bieten einen hervorragenden Nährboden für rechtes Angstschüren und entsprechende Sündenbockrhetorik.

Ich bin ja in einem Artikel von 2016, in dem ich die Ursachen des Rechtsrucks analysiert habe, noch etwas weiter gegangen und habe diese Prozesse nicht als quasi Nebeneffekte des Neoliberalismus, sondern vielmehr als durchaus so gewollte Entwicklung gekennzeichnet, die von den sich selbst als bürgerlich bezeichnenden Neoliberalen vorangetrieben wurde. Die damals skizzierte Entwicklung hat sich dann ja auch so fortgesetzt, sodass wir mittlerweile überall die AfD in Landesparlamenten haben, die Blaubraunen Bürgermeister und Landräte stellen, immer öfter vor allem mit CDU und FDP zusammenarbeiten und in den Medien nach wie vor sehr präsent sind, um dort ihre Hetze zu verbreiten (s. dazu hier).

Und spätestens seit dem Fall Hubert Aiwanger sollte klar sein, dass sich das, was mittlerweile an rechtsextremem Schmutz gesagt werden kann, ohne dass dies spürbare Folgen hätte, deutlich ganz weit nach rechts verschoben hat. Zudem haben rechte Medien aufgrund der zahlreichen Krisen der letzten Jahre (Pandemie, Krieg in der Ukraine, Inflation …) haufenweise Anknüpfungspunkte gefunden, um bei zu Recht beunruhigten Menschen anzudocken und diese dann auch mit entsprechend ideologischen Ansichten zu füttern (s. dazu hier).

Dazu kommt, dass das Gestümper und Gezanke der Ampelkoaltion (was alles so absehbar war, wenn man die FDP mit ins Boot holt) weitere Angriffsfläche für rechte Agitation bietet. „Seht her, die Sozen und die Grünen können das nicht, das haben wir doch schon immer gesagt“ – das ist der Tenor vieler rechter Politiker, Medien und Social-Media-Kanäle. Und auch wenn natürlich vor allem die FDP jedes sinnvolle Vorhaben der Bundesregierung blockiert, so mangelt es der SPD und den Grünen nicht nur an Durchsetzungskraft gegenüber dem kleinen marktradikalen Koalitionspartner (wenn man sich denn da überhaupt durchsetzen möchte), sondern mitunter schlichtweg an fachlicher Kompetenz (s. beispielsweise hier in puncto „Heizungsgesetz“) und auch allzu oft an kommunikativem Geschick.

Während die Merz-CDU sich quasi kaum noch von der AfD unterscheidet und zusammen mit dieser und der ebenfalls rechten bis rechtsextremen FDP in vielen Umfragen auf deutlich über 50 % der Stimmen bundesweit käme, unterscheiden sich SPD und Grüne mittlerweile kaum noch von dem, was einstmals die CDU ausgemacht hat. Als Beispiel seien hier nur die Zustimmung zur schäbigen EU-Asylreform (s. hier), der finanzielle Kahlschlag in vielen sozialen Bereichen im Bundeshaushalt oder das Rumgeier beim EU-weiten Glyphosat-Verbot (s. hier) genannt.

Und genau dazu passend las ich gerade einen Beitrag auf der Facebook-Wall von Florian Kirner mit folgendem Meme*:

Eine Soze, ein (Pseudo-)Grüner, ein ehemaliger Punk, ein Journalist eines (zumindest ehemals) linken Magazins und ein Pfaffe, sie alle preisen die Bundeswehr und halten es für falsch, dass sie als junger Mann den Wehrdienst verweigert und stattdessen den m. E. wesentlich sinnvolleren Zivildienst gemacht haben.

Nur mal so am Rande bemerkt: Militarismus ist rechts. Nicht umsonst hat man ja schließlich schon sehr oft von rechtsextremen Umtrieben bei der Bundeswehr gehört – aus dem Wohnheim von Zivildienstleistenden ist das eher selten bekannt geworden. Und wenn ich an meine Zeit als Zivi damals zurückdenke, dann sind diejenigen, die eher der CDU zugeneigt waren, dann auch in der Regel zum Bund gegangen. Wer weiß also, ob Scholz und Habeck dann nicht auch bei der Union gelandet wären, hätten sie damals schon ihre heutigen Ansichten gehabt – wäre im Endeffekt wohl für die SPD und die Grünen besser gewesen, da diese dann immerhin schon mal zwei Leute weniger in ihren Reihen gehabt hätten, welche die Parteien zusehends weiter nach rechts rücken.

Für mich zeigt das vor allem auch eine ziemlich große Prinzipienlosigkeit, denn Pazifismus ist m. E. nichts, was man heute mal so und morgen so sehen kann. Aber klar, zurzeit ist ja Krieg sehr en vogue, und natürlich kann man auch leicht so einen Stuss daherreden, wenn man weiß, dass man selbst im Ernstfall sowieso nicht an die Front müsste. Insofern fallen diese Aussagen so allesamt für mich in den Bereich rechtspopulistisches Gelaber, denn – wie schon erwähnt: Militarismus ist nun mal rechts.

Die sogenannte Mitte, selbst und vor allem die, die sich selbst wohl nach wie vor im linksliberalen Lager verorten würden, schiebt also nach wie vor kräftig mit, damit unserer Gesellschaft weiter nach rechts abdriftet. Das bestätigt dann zwar meinen oben verlinkten Artikel von 2016, aber mir wäre es lieber, wenn ich damit nicht so sehr ins Schwarze getroffen, sondern mich geirrt hätte …

 

* Für alle, die kein Facebook haben: Die Text von Florian Kirner zu diesem Meme ist durchaus treffend, wie ich finde: „Also ich würde auch heute wieder sämtliches schauspielerisches Können in die Waagschale werfen, um ausgemustert zu werden – und mein Vater würde zur Feier meiner Ausmusterung nur deshalb nicht ‚Nein, meine Söhne geb ich nicht‘ von Reinhard Mey auflegen, weil er halt nicht mehr lebt. Ansonsten haben sich alle Gründe, den Dienst an der Waffe zu verweigern, aus meiner Sicht nur bestätigt und verstärkt.“

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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