Der 5. November könnte eine weltpolitische Zäsur darstellen, denn an diesem Tag finden die Präsidentschaftswahlen in den USA statt. Und mehr als je zuvor könnte das Ergebnis immense Auswirkungen nicht nur auf die USA, sondern auch auf den Rest der Welt haben.
Drei mögliche Szenarien sind nach der Wahl möglich:
1. Kamala Harris (Demokraten) gewinnt die Wahl, Donald Trump (Republikaner) und seine Anhänger akzeptieren das Ergebnis, und alles geht ziemlich genauso weiter wie bisher – bis dann in vier Jahren vermutlich der nächste, vielleicht noch radikalere Kandidat der Republikaner ins Rennen geschickt wird.
2. Donald Trump gewinnt die Wahl, woraufhin dann ein autokratischer Umbau der USA droht. Stichwort: Project 2025.
3. Kamala Harris gewinnt die Wahl, Donald Trump und Gefolgschaft akzeptieren das Ergebnis nicht (was er ja bereits angekündigt hat), sprechen von Wahlbetrug und gehen daher gewaltsam vor, um Trump dennoch als Präsidenten zu inthronisieren. Nach dem Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2020 erscheint so was ja nicht mehr abwegig.
Leider schätze ich das Eintreten von Option 1 als am unwahrscheinlichsten ein, sodass in jedem Fall nach dem 5. November in den USA nichts mehr wie zuvor sein dürfte.
Doch was bedeutete das für Länder wie Deutschland und andere Verbündete der USA? Immerhin wäre man dann (Option 2) beispielsweise mit einer religiös-nationalistischen Autokratie in einem Militärbündnis (NATO). Gut, da finden sich ja auch solche Spießgesellen wie Erdogan aus der Türkei oder Orbán aus Ungarn, die mit Demokratie nun nicht so wirklich was am Hut haben. Aber die haben eben auch nicht die dominierende Rolle der USA inne – inklusive deren immenser militärischer Stärke.
Oder aber der größte militärische Verbündete und ein wichtiger Handelspartner befände sich auf einmal in einem Bürgerkrieg (Option 3). Auch das ist eine nicht eben gute Aussicht, die ziemliche außen- und wirtschaftspolitische Umstellungen erfordern dürfte. Mal davon abgesehen, dass das in einem Land, das nicht nur die militärische Fähigkeit besitzt, die Menschheit mehrfach auszurotten, sondern in dem auch jeder Hinz und Kunz ohnehin schon schwer bewaffnet ist, zu ganz unschönen Folgen führen kann, die nicht nur auf die USA selbst beschränkt sind.
Zwar habe ich schon mitbekommen, dass in Medien ab und zu die Frage gestellt wird, was denn eine erneute Präsidentschaft Trumps für die deutsche oder europäische Wirtschaft bedeuten würde (s. beispielsweise hier), aber auf politischer Ebene wird da irgendwie nichts diskutiert. Und auch vonseiten der Politik habe ich zumindest bisher nicht mitbekommen, dass da Überlegungen getätigt werden, wie man im Falle einer Autokratisierung mit den USA dann umzugehen gedenkt.
Ist das nun einfach nur Naivität, dass es wohl schon irgendwie alles „gut“ und damit so weitergehen wird wie bisher?
Oder schwingt dabei mit, dass es eigentlich egal ist, ob die USA ein totalitärer fossil-religiöser Staat sind – Hauptsache, sie sind weiterhin schön neoliberal und somit „auf Linie“? Würde ja zum Umgang mit anderen Despoten passen, die das kaputte neoliberale Wirtschaftssystem nicht infrage stellen. Wobei hier das Gleiche gilt wie bei den Überlegungen zur NATO: Die USA sind da doch noch mal eine ganz eigene Liga.
Mit den bescheuerten LNG-Terminals haben wir uns ja zudem auch ein gutes Stück weit abhängig gemacht von Flüssiggaslieferungen aus den USA. Energieimporte aus Diktaturen – war da nicht gerade kürzlich erst mal was, also dass das als nicht so richtig toll definiert wurde?
Ich als Bürger und überzeugter Demokrat hätte zumindest wenig Bock drauf, dass die bisher stets praktizierte transatlantische Nibelungentreue dann auch so weiterhin besteht gegenüber einem faschistischen Staat. Gut, mit den Faschisten in Italien hat man gerade ja auch keine allzu großen Berührungsängste – aber auch hier gilt: Die USA sind eine etwas andere Hausnummer, bei denen es dann durchaus passieren kann, dass sie militärische Abenteuer in noch größerem und absurderem Maße starten als bisher – und wir dann als Bündnispartner doch zum Mittun genötigt werden.
Insofern würde mich wirklich interessieren, inwieweit darüber nachgedacht wird, dass die Beziehungen zu den USA, sollten diese offen faschistisch werden, neu definiert werden müssten/sollten/könnten.
Oder besteht sogar die Möglichkeit, dass man sich vonseiten neoliberaler Politiker gar keine Gedanken darüber macht, da man sich mit der „demokratischen Faschisierung„, die hierzulande ja auch bereits zu beobachten ist, bereits abgefunden hat? Dann wäre die USA unter Trump also quasi so was wie ein Vorreiter für das, was hier auch bald eintreten dürfte – und wenn das so gewollt ist, dann wäre es natürlich auch verständlich, wenn mit einem gewissen Gleichmut auf eine (noch nur mögliche) trumpsche Autokratisierung reagiert würde.
Irgendwie alles nicht so richtig beruhigend, wenn man das mit Blick auf den 5. November im Hinterkopf hat, oder?