Didi, du Idi!

Große Aufregung um Dieter Hallervorden, der einen alten Sketch in einer Jubiläumssendung der ARD etwas abgewandelt und dabei dann zwei Wörter verwendet hat, die heute zu Recht als rassistisch gelten. Dieser Vorgang ist gleich auf mehreren Ebenen extrem peinlich, wie ich finde.

Da ist zum einen natürlich erst mal die Aufführung des „Palim, palim“-Sketches von Dieter „Didi“ Hallervorden, der da in bester Alter-weißer-Mann-Manier Starrsinn als Satire verkaufen möchte. Er hätte ja schließlich seinen Sketch schließlich auch einfach so präsentieren können, wie er das vor einigen Jahrzehnten gemacht hat, nämlich ohne die Verwendung von Begriffen, die von vielen dunkelhäutigen Menschen sowie Sinti und Roma als herabwürdigend empfunden werden. Zur eigentliche Pointe tragen diese Begriffe nämlich überhaupt nichts bei.

Aber Hallervorden hat sich anders entschieden und wollte einen Seitenhieb auf den „woken“ Zeitgeist anbringen. Dabei bedient er dann das beliebte rechte Narrativ, dass man ja angeblich bestimmte Sache nicht mehr sagen dürfe. Anders als im dargebotenen Sketch kommt allerdings niemand für die Verwendung solcher Wörter ins Gefängnis, sondern muss höchsten damit leben, wenn es das in der Öffentlichkeit macht, dass andere ihn als Ewiggestrigen oder Rassisten ansehen.

Nun sehe ich ja selbst übertriebene Wokeness sehr kritisch (s. hier), da sie m. E. unnötige Spaltung in der Gesellschaft voranbringt aufgrund von mangelndem kulturellen Verständnis. Auf diese Weise wird der Diskussionsfokus von wirklich relevanten Sachen auf Inhalte verschoben, die Menschen mit eigentlich gleicher Einstellung gegeneinander aufbringen können. Und so eine Instrumentierung von identitätspolitischen Inhalten ist ja leider sehr geläufig, um das Teile-und-herrsche-Prinzip weiter zu verfestigen in unserer Gesellschaft (s. hier). Im Fall vom Hallervorden-Sketch sehe ich allerdings keine Übertreibung, denn er verwendet einfach zwei Begriffe, die mittlerweile auch im Duden eindeutig als diskriminierend bezeichnet werden und die somit in der Öffentlichkeit, zumal vor einem Millionenpublikum, nichts mehr zu suchen haben.

Dass die ARD so etwas zeigt, obwohl die Sendung eine Aufzeichnung war, ist leider auch bezeichnend für die mittlerweile immer deutlicher zutage tretende Rechtslastigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien (s. beispielsweise hier, hier und hier). Na ja, was soll man von einem Sender auch erwarten, der regelmäßig jemandem wie Dieter Nuhr mit seinem als Satire getarnten rechtslastigen Nach-unten-Treten eine Bühne bietet? Allerdings dürfte es den Verantwortlichen schon klar gewesen sein, dass sie mit der Ausstrahlung des derartig abgewandelten Sketches eine ziemlich große öffentliche Reaktion und Debatte auslösen würden.

Und genau das dürfte auch Hallervorden gewusst haben, denn schließlich thematisiert er ja genau das auf plumpe und verzerrende Art und Weise. Nun ist man von ihm ja einiges an Mumpitz gewöhnt, beispielsweise seine Pro-FDP-Positionierung, mit der sich eigentlich jeder Kabarettist schon von vornherein disqualifiziert. Schließlich sollen Kabarett und Satire ja dazu dienen, die Mächtigen und Herrschenden zu kritisieren, indem man deren Fehlverhalten anspricht und so den Schwachen der Gesellschaft eine Stimme verleiht.

Hallervorden macht nun allerdings in bester Dieter-Nuhr-Manier genau das Gegenteil: Er keilt gegen Menschen aus mit der Verwendung von diskriminierender Sprache, die ohnehin schon nicht zu den Privilegierten in unserer Gesellschaft gehören, und krakeelt seine Witzchen so quasi direkt aus dem Rektum der Herrschenden in die Gegend.

Und dann erdreistet er sich auch noch, sein unsägliches Gebaren zu rechtfertigen, anstatt vielleicht mal einzusehen, dass er da echt zu weit gegangen ist und Bockmist gebaut hat. Gut, das wäre wohl auch zu viel verlangt für jemandem mit einem so ausgeprägtem Alter-weißer-Mann Bewusstsein …

In einem Artikel auf Zeit Online wird Hallervorden wie folgt zitiert:

In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern grade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt.

Woke Menschen von heute versuchen ängstlich, nicht aus der Reihe zu tanzen, befolgen akribisch alle Social-Media-Gebote, um keine Likes aufs Spiel zu setzen und verstehen keine Satire mehr, weil Satire aus Angst vor Missverständnissen nicht mehr vorkommt.

Merkt der Typ noch irgendwas? Da macht er aus einem harmlosen Sketch ein identitätspolitische sPolitikum, und dann heult er rum, dass sich die Menschen nicht über relevante Missstände erregen? Würden sie ja vielleicht schon mal mehr machen, wenn sie sich nicht gerade über als Satire verklärten Rassismus zur besten ARD-Sendezeit echauffieren müssten. Mal abgesehen davon, dass der darin zum Ausdruck kommende Rechtsrutsch schon ein sehr relevantes Thema ist.

Hallervorden hätte ja auch beispielsweise sagen können, wenn er schon einen Grund für seinen Knastaufenthalt im Sketch einbauen wollte, dass er dort gelandet wäre, weil er für mehr Klimaschutz demonstriert hat. Damit hätte er die immer weiter zunehmende Kriminalisierung von Klimaschutzaktivisten thematisiert. Oder er hätte sagen können, dass er deswegen eingesperrt sei, weil er sich in den sozialen Medien gegen Rechtsextremismus geäußert habe – ein schöner Seitenhieb auf unsere zuweilen rechtslastige Polizei und Justiz. Aber dann hätte er ja keinen Applaus von denen bekommen, die ihm jetzt applaudieren und auf deren Zustimmung er es offensichtlich abgesehen hatte. Er tanzt also gerade nicht aus der Reihe und sieht zu, bei seiner rechten Klientel Likes zu sammeln – und macht damit schon wieder das, was er seinen Kritikern vorwirft.

Aber klar, wer nun sagt, dass es das Letzte und mit Sicherheit keine Satire ist, rassistische Wörter einfach so zu benutzen, der versteht natürlich Satire nicht. Was für eine Hybris von jemandem, der offenbar selbst schon lange nicht mehr versteht, was gute Satire sein sollte.

Dass dann von der ARD auch nur eine lasche Rechtfertigung erfolgt, ist zudem ebenfalls sehr bezeichnend. Noch mal ein Zitat dazu aus dem oben verlinkten Zeit-Online-Artikel:

„In seiner Rolle als Häftling thematisierte er überspitzt den Wandel der Sprache und verwendete dabei Begriffe, die heute aus guten Gründen nicht mehr zeitgemäß sind – in diesem satirischen Kontext jedoch bewusst als Provokation gesetzt wurden.“ Der öffentlich-rechtliche Sender betonte, die ARD spreche sich gegen jeden Rassismus aus und stehe für Vielfalt und Kunstfreiheit.

Dass ein an und für sich unpolitischer Sketch auf einmal zur politischen Satire werden soll, weil darin zwei rassistisch diskriminierende Begriffe verwendet werden, ist nun schon eine abenteuerliche Interpretation, wie ich finde. Und was daran eine Provokation sein soll, wenn man Menschen in aller Öffentlichkeit herabwürdigt, bleibt wohl auch das Geheimnis der ARD-Leute. Zumindest wenn man Provokation nicht in dem plumpen Sinne versteht, wie es die AfD immer wieder gern macht.

Wenn das also tatsächlich das Verständnis von „Vielfalt und Kunstfreiheit“ ist, was bei der ARD vorherrscht, dann gute Nacht!

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Didi, du Idi!“

  1. Spätestens jetzt entpuppen sich Hallervordens Erklärungen doch als ziemlich heiße Luft, denn er hat sich doch tatsächlich als Redner bei einer rechtsextremen Demonstration in Dresden per Video zuschalten lassen, wie ein Artikel von t-online berichtet. Also darf man wohl davon ausgehen, dass er die herabwürdigenden Worte in seinem Palim-palim-Sketch auch genau so gemeint hat, nämlich herabwürdigend.

    Schlimm, wenn ein alter Mann den Zeitpunkt, nicht mehr öffentlich aufzutreten, dermaßen verpasst hat, wie das nun bei Hallervorden der Fall ist.

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