Sarah Wiener darf Werbung im Focus machen …

… und das Ganze wird dann als redaktioneller Beitrag präsentiert. Das ist die Quintessenz dessen, was Focus unter Qualitätsjournalismus versteht. Doch der Reihe nach: Heute sah ich mehr oder weniger zufällig einen Focus-Artikel, in dem sich die sogenannte Starköchin Sarah Wiener darüber auslässt, dass veganes Essen nicht unbedingt toll sein muss. Sojamilch sei so künstlich wie Cola, meint sie, und auch sonst haben viele vegane Produkte ausgesprochen chemische Zutaten, sodass man lieber auch mal ein schönes Stück Fleisch essen und richtige Milch verwenden sollte. Das ist nun keine vollkommen verwerfliche Ansicht, allerdings hat das Ganze ein ziemlich übles Geschmäckle, wenn man sich vor Augen führt, dass Sarah Wiener nicht nur als Köchin derartige Produkte verarbeitet, sondern auch noch auf andere Art und Weise damit zu tun hat.

Wie aus einem Artikel der Netzfrauen hervorgeht, gehört Sarah Wiener zu denjenigen reichen Leuten, die Ackerland als Anlagemöglichkeit nutzen, da andere Investitionen nicht mehr genug Rendite abwerfen. Damit betreibt sie nicht nur Landgrabbing in Ostdeutschland und schnappt auf diese Weise kleinen landwirtschaftlichen Betrieben den Boden weg, sondern betreibt dort zudem Milchwirtschaft und Bullenmast. In dem Netzfrauen-Artikel heißt es dazu: 

Betrieb:

  • Standort Raum Berlin, 30-40 BP, 550 mm Niederschlag mit Frühsommertrockenheit
  • 540 ha Ackerfläche und 180 ha Grünland (die gesamten Erntearbeit erfolgt durch ein Lohnunternehmen, die Bodenbearbeitung, Bestellung und Pflege sollte selbst durchgeführt werden)
  • Milchviehhaltung mit 200 Kühen
  • Mutterkuhhaltung mit 100 Mutterkühen plus Aufzucht aller männlichen Kälber zur Bullenmast

Ein mittelständisches Unternehmen im Land Brandenburg, rund 70 km von Berlin entfernt, auf einer Fläche von rund 700 Hektar Acker und Grünland einen Bio-Betrieb mit Marktfruchtbau, Milchwirtschaft, Rinder- und Schweinemast.

Es handelt sich um Gut Kerkow von Sarah Wiener GmbH.

Tja, da fragt man sich dann doch, ob die obigen Aussagen und auch die Feststellung von Wiener im Focus:

„Vegan zu leben fördert weder die Nachfrage nach Produkten aus einer anständigen Tierhaltung noch die nach natürlichen, ökologisch erzeugten Lebensmitteln aus der eigenen Region“,

nicht vielleicht ein ganz kleines bisschen eigennützig getätigt wurden? Immerhin fördert eine vegane Lebensweise ja auch nicht den Umsatz von Sarah Wieners landwirtschaftlichem Betrieb, der nun zufällig gerade Produkte aus Tierhaltung und Lebensmittel aus der eigenen Region anbietet …

Natürlich ist das nicht alles Quark, was Wiener da sagt: Nur weil etwas vegan ist, muss es noch lange nicht gesund sein, auf die Zutaten sollte man schon immer schauen. Das gilt übrigens auch für Bioprodukte, denn auch diese können beispielsweise unangemessen viel Zucker enthalten. Nur kommen solche Aussagen aus dem Munde einer Köchin eben ganz anders rüber, als wenn dies eine Frau postuliert, die mit Milch- und Fleischwirtschaft Geld verdient. Und genau dies hätte der Focus, wenn es sich denn hierbei tatsächlich um seriösen Journalismus hätte handeln sollen, erwähnen müssen.

Das ist nun zwar ein relativ harmloses Thema, es zeigt aber, wie beim Focus gearbeitet wird und wie wenig es darum geht, den Lesern tatsächlich möglichst objektive und umfassende Informationen zu liefern. Und dies wird eben nicht nur bei Ernährungsthemen der Fall sein …

Ach ja: Auch der im Focus-Bericht verlinkte Artikel des Magazins enorm, den Wiener geschrieben hat und aus dem die Zitate kommen, weist nicht auf Wieners landwirtschaftliche Tätigkeit hin. Schwacher Journalismus ist also keine alleinige Domäne von Focus … Sarah Wiener zeigt hingegen, dass sie es versteht, die Tastatur der als Journalismus getarnten PR zu spielen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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