Wohnen wie im Fiat Panda

Auf Facebook sah ich gestern diesen gescannten Artikel (wobei ich bisher leider nicht in Erfahrung bringen konnte, um welche Zeitung es sich da handelt), in dem ein Architekt sich dafür ausspricht, doch billigsten Wohnraum mit niedrigeren Standards zu bauen, um so der Wohnungskrise Herr zu werden. Aber lest selbst:

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Ein gutes Beispiel für vollkommene Betriebsblindheit, wie ich finde. Als ob nun die reinen Baukosten das Problem wären bei den stetig teurer werdenden Wohnungen … In sogenannten strukturschwachen Gegenden bekommt man ja günstig Wohnraum gemietet (und auch gekauft), und das liegt nicht daran, dass die Kosten für den Bau dort niedriger sind, sondern dass die Grundstücke deutlich weniger kosten. Eine muchtige Bude wird auch in einer Großstadt, zumal in beliebten Vierteln, immer teuer sein.

Nebenbei finde ich den Vorschlag auch ethisch ausgesprochen bedenklich. Was kommt als Nächstes? Diese Billigbutzen dann gleich am besten in separate Viertel stellen, in denen sonst niemand wohnen möchte? Super, das Modell gibt es schon, nennt sich Slum und ist in den Entwicklungsländern sehr weit verbreitet. Schön, dass für diesen Architekten das ein erstrebenswerter Zustand zu sein scheint.

Warum Wohnen in immer größerem Maße nicht bezahlbar wird, liegt nun nicht daran, dass nur Luxuswohnungen gebaut werden, das ist vielmehr ein Symptom. Die Grundstückspreise in Ballungsräumen explodieren, sodass sich dort eben für schnelle Rendite nur noch Luxusbuden lohnen, denn diese teuren Grundstückspreise können auch nur noch Investoren und Spekulanten, aber keine „normalen“ Häuserbauer für den Eigenbedarf mehr stemmen. Also bräuchte es eine Stadtplanung demokratisch legitimierter öffentlicher Organe, die dem jahrzehntelangen Marktversagen nun mal eine kontrollierte Entwicklung entgegensetzen würde. Das klingt in Zeiten des immer mehr geforderten staatlichen Rückzuges vielleicht etwas anachronistisch, andererseits haben die neoliberalen Marktradikalen ja nun auf dem Wohnungsmarkt in aller Deutlichkeit gezeigt, dass sie es nicht können, schon gar nicht, wenn es um existenzielle Dinge wie Wohnen geht.

Kurzfristig könnte man beispielsweise eine Höchstgrenze für Mieten installieren, die nicht so ein Papiertiger wie die jetzige Mietpreisbremse ist. 9 Euro pro Quadratmeter, und das auch nur für absolute Spitzenlagen – ich wette, dann würden deutlich weniger Luxuswohnungen gebaut werden. Zugleich müsste der Staat in den Bau von günstigem (aber nicht unter adäquaten Standards liegendem) Wohnraum investieren (Geld dafür gibt’s gerade quasi zum Nulltarif über Staatsanleihen), und dann würde sich mittelfristig schon einiges bewegen auf dem Wohnungsmarkt, ohne das man nun solchen elitären Vorschlägen wie von diesem Architekten folgen müsste.

Dass so eine Meinung dann vollkommen unreflektiert abgedruckt wird, ohne dass zumindest mal eine kritischeAnmerkung geäußert wird, ist auch wieder bezeichnend. Für den Journalisten, der für den Artikel verantwortlich zeichnet, dürfte dann ja eine derartige Wohnung auch kaum infrage kommen. Aus dem Elfenbeinturm heraus lässt sich dann leicht postulieren: „Was fehlt, ist ein Fiat Panda zum Wohnen.“ Die weiterführende Frage, was denn in einem System überhaupt schiefläuft, wenn immer mehr Menschen sich keinen angemessenen Wohnraum leisten können, erwarte ich ja noch nicht mal, aber wenigstens im Rahmen dieses grotesken Vorschlags wäre ein bisschen professionelle Journalistendistanz dann doch wünschenswert gewesen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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