Hektik ist der Feind der qualifizierten Information

In den letzten Tagen habe ich drei Artikel gelesen, die sich mit dem Thema der zunehmenden Geschwindigkeit bei der Verbreitung von Nachrichten in der digitalen Welt auseinandersetzen und dieses von unterschiedlichen Seiten beleuchten. Diese Artikel möchte ich Euch gern ans Herz legen, da sie in ihrer Gesamtheit einen guten Überblick über das derzeitige weit verbreitete Dilemma der Information geben: Jeder meint irgendwie alles zu wissen, weiß aber letztlich so gut wie nichts. Eine Reflexion gerade auch des eigenen Informationsverhaltens scheint also mehr als angebracht zu sein.

Hochgeschwindigkeitsjournalismus

Zunächst einmal beschreibt Wolfgang Michal in einem Artikel auf seiner Webseite den Zwang zur Eile, der mittlerweile dem Journalismus per se innewohnt: Irgendwo geschieht etwas Berichtenswertes, und schon kurz danach muss die erste Meldung dazu rausgeschossen werden. Recherche und Reflexion bleiben dabei dann häufig auf der Strecke, schlichtweg weil nicht genug Zeit dafür vorhanden ist. Mitunter wird laut Michal daraus sogar schon eine eigene Berichtskultur gemacht, indem die Spekulation und das Nichtwissen thematisiert werden, beispielsweise in Form von Livetickern zu Ereignissen. Das, was früher mal vor dem Schreiben eines Artikels stand, findet nun quasi ad hoc im Beisein des Lesers statt. Das kann man natürlich einerseits als Transparenz bezeichnen, andererseits leidet so die Glaubwürdigkeit des Journalismus, wenn ständig Fehleinschätzungen eingeräumt und Korrekturen am Berichteten durchgeführt werden müssen – ein Phänomen, was wir zurzeit ja in zunehmendem Maße beobachten können, gipfelnd im gerade von rechts gern verbreiteten „Lügenpresse“-Vorwurf.

Ungeduldige Mediennutzer

Auf die andere Seite in diesem medialen Dialog geht dann Joerg Wellbrock in einem Artikel auf der spiegelfechter (leider nicht mehr online) ein, indem er den Konsumenten von Informationen in den Fokus rückt – und damit ja im Grunde uns alle. Die Ungeduld, mit der Berichte und Meldungen zu aktuellen Ereignissen eingefordert werden, setzt die Medienschaffenden nämlich unter gewaltigen Druck, das Argument, dass man sich erst mal ein genaueres Bild von einer Sache machen möchte, wird kaum akzeptiert, sondern vielmehr in solchen Fällen dann schon mal der Vorwurf des bewussten Verschweigens vorgebracht.

Überschriftenleser und Fakemeldungen

Was Wellbrock auch schon anspricht, wird dann in einem taz-Artikel von Robert Hofmann noch ein bisschen weiter ausgeführt: Laut einer Studie der Columbia University und des Microsoft Research Inria Joint Centre lesen fast 60 Prozent derjenigen, die auf den Link zu einem Medienbericht stoßen, nur die Überschrift (und vielleicht noch den Anrisstext), aber nicht den gesamten Artikel. Daraus können sich recht fatale Folgen ergeben: Sollte eine Überschrift etwas zum Ausdruck bringen, was dann in dem Artikel relativiert wird (zum Beispiel auch, weil die Überschrift zunächst mal in Eile rausgehauen wurde und der Artikel danach noch redigiert wurde), dann bekommt das der Leser nicht mit. Zudem wird es so leichter gemacht, Fakemeldungen zu verbreiten, wenn eine Überschrift schon ausreicht, um in möglichst alarmistischem Tonfall etwas anzuprangern, was dann letztlich inhaltlich gar nicht haltbar ist, wenn man sich ein wenig mit dem Thema auseinandersetzt.

Praxis in sozialen Medien

Korrespondierend dazu ist dann auch die Praxis vieler User in sozialen Medien: Ein Artikel wird nur noch kommentarlos geteilt, weil das eben schneller geht, als noch mal ein paar eigene Worte dazu zu verlieren. Diese können jedoch durchaus eine wichtige Funktion haben, da so nicht nur betont wird, wo der eigene Fokus bei einem Artikel liegt, sondern auch ein Moment der Reflexion einsetzt, der eine erste Empörung beispielsweise ein wenig abmildern kann.

Das Resultat, wenn dann bestimmte Meldungen derart unreflektiert geteilt werden, ist, dass sich auf diese Weise Spekulatives oder Unwahrheiten zu Wahrheiten wandeln können: Wenn das überall steht und ich an allen Ecken und Enden in meinem virtuellen Freundeskreis darüber stolpere, dann muss da ja wohl was dran sein! Auch hier ist nicht nur der Verbreitung von Irrtümern, sondern eben auch von bewusst gefälschten (oft mit verhetzender Absicht) Meldungen Tür und Tor geöffnet.

Was kann ich selbst dagegen machen?

Der beständigen Informationsflut Herr zu werden ist nicht ganz einfach und überfordert viele Menschen, dessen sollten wir uns bewusst sein, wenn wir Dinge in sozialen Netzwerken teilen, denn schließlich sind wir mittlerweile nicht nur Konsumenten, sondern auch Verbreiter von Informationen. Die Frage ist dann nicht nur, was man weitergibt, sondern auch, wie man das macht.

Zunächst mal schadet die Überlegung nicht, ob denn etwas wirklich relevant ist oder vielleicht nur eine skandalisierte, aufgeblasene Trivialität ist. Die meisten News haben nämlich im Grunde gar keinen Einfluss auf unser Leben und sollten daher auch nicht mit unnötig viel Aufmerksamkeit honoriert werden. Eine themenzentrierte Information ist das recht hilfreich, also sich vorher zu überlegen, ob einen etwas wirklich interessiert, und dann nach entsprechenden Inhalten zu suchen. Dabei ergibt sich auch noch der positive Effekt, dass man nach anderen Quellen als der ursprünglichen schaut (ist ja mittlerweile danke des Internets bequem möglich, mal so im Vergleich zu der Zeit, als man in der Regel eine Tageszeitung und eine Nachrichtensendung im Fernsehen/Radio zur Information nutzte). Wenn man niemand anderen findet, der über etwas berichtet, dann ist das meistens ein Zeichen dafür, dass an der Meldung nicht allzu viel dran sein kann. Und wenn man weitere Quellen auftut, bekommt man in der Regel einen etwas breiteren Blick auf ein Geschehen, da eben unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen in die eigene Einschätzung einfließen.

Dabei sollte auch immer ein kritischer Blick auf die Quellen geworfen werden, wenn man diese noch nicht kennt: Sind diese eventuell interessegeleitet oder tendenziös? Was steht da sonst noch so? Wer findet sich im Impressum als Verantwortlicher? Werden Artikel mit Autorennamen gekennzeichnet (was eigentlich Standard beim Onlinejournalismus sein sollte)? Und wird u. U. nur versucht, durch einen alarmistischen Stil möglichst viele Klicks zu generieren?

Hat man nun etwas Teilenswertes gefunden, dann empfiehlt es sich, die oben bereits angesprochenen eigenen Worte dem Link voranzustellen. So erhält ein Posting nicht nur einen persönlicheren Charakter, sondern deutet eben auch auf einen gewissen Grad der Reflexion hin. Um Dinge hervorzuheben, die einem besonders wichtig erscheinen in einem Artikel, kann man entsprechende Passagen dann auch als Zitat herauskopieren und im eigenen Statement platzieren.

Fundierte Information statt Nachrichtenmüll

Wir leben in einer Zeit, in der wir so viele Informationen zur Verfügung haben wie noch nie zuvor. Die Schwierigkeit ist nicht mehr, überhaupt an Infos zu kommen, sondern diese zu selektieren und deren Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Dazu ist es unabdingbar, an seiner eigenen Medienkompetenz zu arbeiten und mit wachem Verstand, aber auch mit der nötigen Ruhe an Themen heranzugehen. Immer nur der Erste sein zu wollen, der etwas postet, steigert selten die Qualität des Outputs.

Natürlich ist es in Zeiten, in denen viele Menschen das Internet vor allem über Smartphones nutzen, schwierig, auf komplexere Inhalte hinzuweisen, da die Mobilgeräte ja nicht eben zum Lesen von längeren Texten animieren, sondern eher das schnelle Liken von Überschriften fördern – um dann gleich zum nächsten Thema überzugehen, dass schon wieder irgendwo bei einem angeklingelt kommt. Trotzdem sollten wir uns eine so wunderbare Informations- und Austauschmöglichkeit wie das Internet nicht kaputtmachen lassen durch Oberflächlichkeit und Informationshektik, sondern versuchen, ein Stück weit eine gepflegte Debatten- und Themenkultur zu bewahren. Und das liegt eben auch an jedem von uns selbst …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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