Das Zündeln der bürgerlichen Journaille

Das Hamburger Abendblatt lieferte gestern ein gutes Beispiel dafür, wie man die Stimmung im Lande vergiften kann und den Anhängern von Rechtspopulisten gutes Futter liefert. Anlass dafür war ein Buttersäureanschlag auf ein Café in Hamburg-St. Pauli, und die Art, wie dann darüber im ehemaligen Springer-Vorzeigeblatt (jetzt Funke Mediengruppe) berichtet wird, lässt nicht nur einige berechtigte kritische Fragen aufkommen, sondern ist mal wieder ein Beispiel dafür, wie mit kleinen Äußerungen das Bemühen um journalistische Objektivität gegen interessengeleitete Meinungsmache getauscht wird.

Was war geschehen? Ein Unbekannter warf gestern Morgen einen Glasbehälter mit Buttersäure in ein kleines Café, wobei eine Angestellte leicht verletzt wurde. Nun veröffentlicht das Hamburger Abendblatt eine Meldung dazu, in der gleich im ersten Absatz betont wird, dass es sich bei dem Täter um einen „Südländer“ (nach Angaben der Polizei) gehandelt haben soll – und die Reaktionen auf der Facebook-Seite des Abendblatts waren auch gleich entsprechend wenig überraschend. Hier ein paar Zitate (Rechtschreibung wie im Original):

Geht’s noch 😬erst wird ne Frau hinterm Auto her geschleift und jetzt das! Befinden wir uns wieder im Mittelalter oder können die ihre Probleme nicht wie zivilisierte Menschen lösen. 

 

Das Problem ist,dass in deren Länder so etwas gar nicht verfolgt wird oder nur als Bagatelle. Jetzt meinen sie es ist bei uns auch so da helfen nur drastisch Strafen

 

ein einzelfall!!!

 

Südländischen, was auch sonst!!

 

Böse Nazis…dass auch immer die Ausländer die Täter sind..ist schon echt so Scheisse….nicht?

Da ich direkt gegenüber von diesem Café wohne, bekam ich gestern Morgen einen Anruf von einem befreundeten NDR-Journalisten, der früher auch hier im Haus wohnte und der wissen wollte, was da bei uns gerade vor der Tür los sei. In diesem kurzen Gespräch erhielt ich die Information, dass der Betreiber dieses Cafés wohl ziemlich verwurzelt ist im Rotlichtmilieu (da ich diese Info nicht weiter verifizieren konnte bisher werde ich hier keine Namen nennen) und das Ganze daher durchaus in den Bereich der Bandenkriminalität fallen dürfte. Dafür spricht einiges:

  • Am Wochenende zuvor war bei dem Café bereits eine große Fensterscheibe massiv beschädigt worden.
  • Buttersäure ist bei Milieustreitigkeiten ein durchaus gängiges Mittel.
  • Es gibt auf dem Kiez in St. Pauli andere Gruppierungen, die eben schon überwiegend aus Südländern bestehen – im Gegensatz zur vermeintlichen Gruppierung, die das Café betreiben soll.

Nun kann mir keiner erzählen, dass diese Erkenntnisse nicht von einem Journalisten des Hamburger Abendblattes auch hätten zutage gefördert werden können – oder vielmehr hätten in Erwägung gezogen werden müssen, wenn man seine journalistische Arbeit ernst nimmt. Stattdessen wird prominent auf den „Südländer“ verwiesen, und auch da kann mir keiner erzählen, dass der Verfasser des Artikels nicht genau mit diesen Reaktionen gerechnet hat.

Somit liefert diese kleine Meldung über einen kriminellen Vorfall nicht nur exquisites Belegmaterial für rechte Hetzer („Auch das Abendblatt schreibt …“), sondern trägt rassistische Ressentiments auch weiter in die bürgerliche Mitte hinein, zu der sich die meisten Abendblatt-Leser vermutlich zählen dürften. Der allseits beklagte ressentimentgeladene Diskurs und die Verrohung der Sprache werden also von den sich selbst als bürgerlich sehenden Medien durchaus mit befeuert, wie man an diesem (mehr oder weniger) subtilen Beispiel sehen kann.

Aufgrund der Eigentümerstruktur dieser Medien und ihrer Nähe zur herrschenden Klasse liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die zunehmenden rassistische Aufheizung der gesellschaftlichen Atmosphäre in unserem Land mit dem Resultat der zunehmenden Beliebtheit von Rechtspopulisten anscheinend durchaus im Interesse unserer sogenannten Eliten liegt. Leider sind die derart Aufgewiegelten in ihrem Zorn meistens schon so weit jenseits von Gut und Böse (oder eben rationaler Argumentation), dass sie diesen Zusammenhang nicht erkennen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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