Mein Freund der Baum ist tot …

Dass ich der Meinung bin, es wäre unbedingt an der Zeit, die Menschen- und Bürgerrechte neu zu definieren, das habe ich ja am Beispiel Eigentum und seiner mir zu dominanten, alles nun rechtsstaatlich beherrschenden Stellung schon oft deutlich gemacht. Erst dieser Tage habe ich dies wieder getan, ganz praktisch, als ich die örtliche Politik zum Handeln anregen wollte und vielleicht auch angeregt habe, die fehlende Baumschutzverordnung in meinem Ort endlich in Angriff zu nehmen. Aus ganz aktuellem Anlass, denn mein Freund der Baum ist tot, ist im Alter von 31 Jahren und trotz seiner gesunden, imposanten Erscheinung den Interessen des Eigentums zum Opfer gefallen, musste, wahrscheinlich um den Marktwert des Grundstückes zu erhöhen, den Interessen des Finanzinvestors weichen.

Ein Gastartikel von Heinz Peglau

Die dominante Rolle des Eigentums macht es deshalb nötig, andere wichtigere Attribute zu benennen, an die die Väter der Menschen- und Bürgerrechte nicht denken mussten, weil es damals die Probleme damit nicht gab, gar nicht geben konnte. Weder 1789 noch nach dem Zweiten Weltkrieg standen diese Herausforderungen auf der Agenda, waren sie auch nur ansatzweise zu ahnen, vor denen wir nun stehen. Wieder liegt es mir deshalb fern, diesen Männern und auch Frauen Vorwürfe zu machen. Aber neu nachdenken, das sollten wir schon, meine ich. Wir sind es auch ihnen schuldig, wollen wir die Menschen- und Bürgerrechte nicht weiter zur Farce werden lassen, indem wir nur noch das Eigentum ehren.

Und es hat sich sogar etwas getan, die UN-Charta der Menschenrechte ist sehr umfangreich. Doch leider scheinen alle Politiker und Richter, auch hier bei uns, nur den Artikel 17 als wichtigsten Artikel zu sehen, diese über alle anderen zu stellen. Hieran muss sich etwas ändern!

Artikel 17

(1) Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben.

(2) Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.

(Quelle: https://www.menschenrechtserklaerung.de/eigentum-3639/)

Wasser und der Zugang zu frischem und sauberem Wasser – in Südafrika ist dies bereits ein einklagbares Menschenrecht – müssen als allgemeines Menschen- und Bürgerrecht endlich weltweit durchgesetzt werden, wird es doch zunehmend durch die Eigentumsrechte, auch bei uns, bedroht. Es darf nicht mehr im Zweifel das Eigentum Vorrang bekommen, Menschen dürfen nicht von ihrem Recht ausgeschlossen werden, weil das Eigentum dies verlangt. In Südamerika ist dies oft zu beobachten, wenn Konzerne Wasserrechte erwerben und kleine Bauern ihre Höfe verlieren. Denn auch das ist Fakt: Das große Eigentum schlägt immer das kleine Eigentum, auch hier bei uns.

Wohnen sollte als Menschen- und Bürgerrecht endlich durchgesetzt werden, denn wir können nicht einfach mal so, wie ich es letztens noch las, losgehen und irgendwo eine Hütte für uns und unsere Familie bauen. Die Zeiten, als dies noch ging, sind vorüber. Das in Eigentum parzellierte Gemeinwesen lässt dies gar nicht zu. Wir sind darauf angewiesen, irgendwo Unterschlupf zu finden, jemanden zu haben, der uns Obdach gibt, wollen wir nicht obdachlos werden, wollen wir Teil der Gesellschaft bleiben. Wir sollten endlich ein Recht darauf haben, und zwar nur, weil wir Mensch sind, es einklagbar machen.

Strom sollte dazugehören, ist doch unsere Welt so technisiert, dass eine menschenwürdige Teilhabe, ein menschenwürdiges Leben ohne diesen in vielen entwickelten Ländern fast unmöglich ist. Auch hier gehen Eigentumsrechte und die daraus abgeleiteten Rechte auf Profit schon lange und quantitativ bedeutend vor die Rechte des Menschen auf ein würdiges Dasein, stimmt die Bewertung schon lange nicht mehr.

Der freie Zugang zu Informationen ist ein Menschen- und Bürgerrecht, sollte auch so verifiziert werden, denn Meinungsfreiheit setzt letztendlich diesen Zugang voraus, darf nicht nur aus dem Menschen- und Bürgerrecht Meinungsfreiheit abgeleitet werden, muss in Zeiten des Internets hier als besonderer Tatbestand Berücksichtigung finden. Auch hier haben wir längst die Bedrohung der freien Meinungsäußerung durch das Eigentum, das immer mehr aus- und abgrenzen kann, vielleicht oft mehr, als dies Staaten tun und mangels Artikel in der Charta auch ungeniert tun dürfen.

Die Forderung, die Menschen- und Bürgerrechte nicht verhandeln zu dürfen, sollten wir zugunsten einer sinnvollen und längst überfälligen Neubewertung aufgeben, der modernen Gesellschaft damit Rechnung tragen. „Eigentum verpflichtet“ reicht dazu nicht mehr aus, denn wenn es darauf ankommt, wenn die Wirtschaft und auch das private Eigentum nicht gewillt sind, ihrer Verpflichtung nachzukommen, so können sie sich hinter den derzeitigen Menschen- und Bürgerrechten, die auch Teil unserer Verfassung sind, sehr gut verstecken, Artikel 17 macht es möglich. Denn bei aller Kritik am Verhalten dieser Eigentümer: Ihr Eigentum und damit sie selbst sind geschützt durch die Menschen- und Bürgerrechte, auch dann, wenn es sich um einen Konzern handelt, eine juristische Person, auch hinter dieser stehen irgendwo Menschen, ganz anonym im Hintergrund, aber dennoch Menschen, deren Eigentum geschützt ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Brennelementesteuer sollte man auch in diesem Lichte sehen, erkennen, wie viel Schaden wir durch dieses Menschen- und Bürgerrecht nehmen, weil es im Zentrum steht, das Handeln bestimmt.

Meinem Freund dem Baum wird es das Leben nicht wiedergeben, aber anderen Bäumen, den Menschen könnte es Schutz bieten in Zukunft, würden wir endlich die Aufklärung 1.0 der Moderne und deren Anforderungen anpassen, eine Aufklärung 2.0 initiieren und mindestens die Wertigkeit der Menschenrechte in der Rechtsprechung verändern, dem Artikel 17 die Dominanz über uns und die Weltbevölkerung nehmen. Bleiben wir dabei, das Eigentum zu „heiligen“, dann sind die Rechte das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, dann wird das Eigentum weiterhin alle anderen Menschenrechte zu Menschenrechten zweiter Klasse pervertieren. Denn es hat noch die Macht dazu, die Eigentümer haben noch die Macht dazu!

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