Märkte können vieles, aber keine Gesellschaft – und auch nicht, diese mit Gütern und Dienstleistungen ausreichend zu versorgen

Märkte sollen uns und anderen Menschen Güter und Dienstleistungen bereitstellen; und das nicht, wie landläufig gedacht – und von der Politik und den Interessenverbänden behauptet -, zu niedrigsten Preisen, sondern zu Preisen, die den Anbietern dieser Güter und Dienstleistungen den optimalen Preis sichern, den Preis nämlich, bei dem der Umsatz, als Produkt von umgesetzter Menge und Marktpreis, maximal ist. Eine Versorgung der Gesellschaft, aller in der Gesellschaft sich befindenden Menschen, ist dabei nicht deren Aufgabe.

Ein Gastartikel von Heinz Peglau

Die Versorgung der Gesamtgesellschaft kann über Märkte auch gar nicht dargestellt werden – nie!

Im Gegenteil braucht der optimale Preis sogar die unbefriedigte Nachfrage, die Unterversorgung der Menschen mit Gütern und Dienstleistungen, und deshalb liegt der optimale Preis auch immer über dem Preis, der eine Versorgung aller gewährleisten würde, schließt Menschen, die sich dieses Gut zum für den Markt optimalen Preis nicht leisten können, vom Konsum aus, und damit ist die umgesetzte Menge immer unterhalb der eigentlich benötigten Menge für eine Gesamtbefriedigung der Nachfrage. Verzicht ist deshalb Voraussetzung, und zwar auf allen denkbaren Märkten und Marktformen. Das ist eine grundlegende Erkenntnis der Mikroökonomie und nicht wegzudiskutieren, und deshalb gilt: Märkte können vieles, aber keine Gesellschaft – und auch nicht, sie mit Gütern und Dienstleistungen ausreichend zu versorgen.

Und das ist auch nicht schlimm, ist kein Argument gegen Märkte. Zumindest dann nicht, wenn es sich um Güter und Dienstleistungen handelt, die Mann, Frau und Kind nicht unbedingt zum Leben brauchen oder wenn sie auf andere, preiswertere Güter ausweichen können. Problematisch wird dies für die Versorgung der Gesellschaft erst, wenn es sich um Güter handelt, die jeder, die jede zum Leben braucht und bei denen ein Ausweichen auf andere Güter und Dienstleistungen schwer oder gar nicht möglich ist. Hier versagen die Märkte, und hier versagen die Staaten, die Eltern der Märkte – ohne staatliche Garantie gibt es keine Märkte -, wenn sie sich bei diesen Gütern und Dienstleistungen allein auf die Märkte verlassen. Deshalb ist die Unterversorgung mit Gütern und Dienstleistung meist auch nicht als direktes Marktversagen zu sehen, sondern als ein Versagen der Politik, der Politiker und Politikerinnen, die ausschließlich noch bereit sind, auf Märkte zu setzen.

Wir steuern zunehmend alles über Märkte und über die dort privat tätigen Akteure, die Eigentümer, wir privatisieren lustig vor uns hin, auch dann, wenn es zwingend notwendig wäre und ist, wenn die Gesellschaft ein fundamentales Interesse daran haben müsste und muss, alle Menschen in der Gesellschaft mit diesen Gütern zu versorgen. Wir glauben den Unsinn: „Geht es der Wirtschaft gut, dann geht es uns allen gut“. Wir beharren auf dem Unsinn, dass Wirtschaft nur Private gut könnten, dass diese möglichst nur den Privaten überlassen werden sollte, und alles würde gut werden. Wir glauben an deren Egoismus, denn dieser würde unser aller Wohlstand dann schon maximieren. Was für ein unsinniges Unterfangen der Politik. Was für eine dumme Politik!

Schauen wir beispielsweise – ganz aktuell – auf den Wohnungsmarkt, dessen Krise und die untauglichen Vorschläge der Politik, um dieser Krise Herr zu werden, welche täglich die Irrtümer einer solchen Politik für Millionen von Menschen erlebbar macht. Wir setzen hier fast ausschließlich auf private Investitionen, haben – nicht nur an meinem Wohnort – alles verscherbelt, was verscherbelt werden konnte, setzen nur noch auf den Markt, haben für Bedürftige aber längst keinen ausreichenden Wohnraum mehr zur Verfügung, oft, und das trotz Wohnungsleerständen dort, auch in strukturschwachen Regionen. Wir müssen für die Flüchtlinge oft teuer zurückmieten, was wir für die Bedürftigen allerdings meist unterlassen vonseiten der Kommunen. Wir leben hier das „Paradox der Armut im Überfluss“, das schon Keynes beschrieb, auch im Bereich des Wohnens.

Bundesweit treiben wir diesen Unsinn auf die Spitze und beheben damit keinesfalls die unbefriedigende Situation in Gänze, weil wir, aufgrund obiger Irrtümer, nur auf die Privaten noch zu setzen bereit sind, maximal diese durch Subventionen noch „locken“ wollen.

Wer aber will, das Private in Wohnraum investieren – die aktuelle Variante der deutschen Wirtschaftspolitik nicht nur in diesem Bereich der gesellschaftlich relevanten Produktion -, der muss dafür Sorge tragen, dass die Nachfrage das Angebot übertrifft, und zwar spürbar. Die Bedingungen der Preisbildung, der optimale Preis, verlangen dies, denn nur so sind die nötigen Renditen zu erwirtschaften, die diese Investitionen für die privaten Investoren überhaupt lukrativ erscheinen lassen. Ein Überangebot oder auch nur eine Sättigung des Marktes ließe die Mieten sinken und damit die Renditen, und wer will schon in einen solchen Markt investieren, wenn er oder sie auf anderen Märkten die Renditen bekommen kann, die er oder sie für sich als angemessen, als angemessener empfindet? „Das Kapital ist ein scheues Reh“, auch innerhalb einer Volkswirtschaft, sucht sich immer den Markt, wenn möglich, wo das Renditeversprechen am höchsten ist. Und das ist sogar gewollt in einer „Marktwirtschaft“, sorgt doch dieses Verhalten letztendlich dafür, dass Investitionen immer dort stattfinden, wo sie – der Theorie entsprechend – am meisten gebraucht werden, was sich in den Renditen ausdrücken soll. Ein insgesamt unsinniges Verhalten, Wirtschaft und Gesellschaft ausschließlich so zu steuern, auf das ich zu einem späteren Zeitpunkt noch eingehen werde.

Deshalb hätte schon die Erwartung in sinkende Renditen die Wirkung, dass weniger privat investiert würde, weshalb sich die derzeitige Wirtschaftspolitik auch tunlichst davor hütet, mehr zu tun, als nur zu reden, als nur zu versprechen, meist kurz vor den Wahlen, denn wehe dem, die Investoren haben eine negative Erwartungshaltung, sehen ihre Renditen als gefährdet an, der Wohnungsbau wäre schnell in der Krise, und unter sonst gleichen Bedingungen des wirtschaftspolitischen Handelns würde die Wohnungsnot nur noch spürbarer werden, als sie es derzeit schon ist.

Wer wirklich den Bedarf an Wohnungen decken will, der muss zuerst einmal diese Zusammenhänge begreifen und berücksichtigen, der muss die Mikroökonomie in ihrem vollem Umfange mitzudenken bereit sein.

So wie die Wiener es tun, wahrscheinlich eher unbewusst als bewusst, aber immerhin sie tun es. Dort wird der öffentliche soziale Wohnungsmarkt und Wohnungsbau als Mittel in diesem wichtigen gesellschaftspolitischen Feld offensiv und sehr erfolgreich eingesetzt, und das in einem Wohnungsmarkt, der beständig wächst, schneller als in jeder anderen europäischen Großstadt, auch weil die Lebensqualität dort so hoch zu sein scheint, diese die Nachfrage auch noch beflügelt.

Längst ist es überfällig diese Politik auch hier wieder konsequent einzusetzen, um die Wohnungsnot wirklich zu beheben. Alles andere hilft nicht und ist, mit ein wenig mikroökonomischem Wissen über Märkte und die dort stattfindende Preisbildung, eigentlich schnell zu erkennen – eigentlich, denn besitzen muss man dieses Wissen natürlich schon. Nur leider scheint es an diesem Wissen meist zu fehlen in der Bürokratie und der Politik – vielleicht ist es aber auch nur hinderlich für die eigene Agenda, ist dieses Wissen um die mikroökonomischen Zusammenhänge doch gerade deshalb auch nicht erwünscht, weil gerade dadurch auch die Schwarze Null und die Schäublenomics als das entlarvt werden, was sie sind: ökonomischer und gesellschaftlicher Unsinn.

Die Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das so sein könnte, und bei den Lobbyisten der Wirtschaft stimmt sie ganz bestimmt. Denn nur im Interesse der Wirtschaft, der Konzerne vor allem, ist es letztendlich, die Ökonomie so zu denken – betriebswirtschaftlich vorteilhaft, gesellschaftlich verheerend -, wie es derzeit in der Politik auf Wunsch der Konzerne und ihrer Verbände getan wird: nur noch als Summe von Märkten und deren Vorteile für das Eigentum und damit nur noch im Sinne des Eigentums und der Eigentümer und hier meist ausschließlich noch im Sinne des großen Eigentums und der großen Eigentümer.

Öffentliche Investitionen in den Wohnungsbau sind ein wesentlicher Aspekt des aktiven Sozialstaats – einer von vielen -, eigentlich unverzichtbar für eine Gesellschaft, die ständig von Gerechtigkeit redet, aber dennoch immer ungerechter durch deren Unterlassen wird, und die einzig noch Privaten neue Geschäftsmodelle zu eröffnen im Sinn zu haben scheint.

Da Einkommen relativ sind und mehr Einkommen nicht immer unbedingt nötig ist, wenn die Preise für den Grundbedarf – und wohnen gehört für alle von uns dazu – sinken würden, würde auch die Kaufkraft steigen, mit allen positiven Folgen für die Gesamtwirtschaft und damit auch für den Staat. Hier hätte man gute Möglichkeiten, schnell und effizient zu helfen, der Gerechtigkeit wirklich einen Dienst zu erweisen und zuvorderst Gerechtigkeit im Sinne der Schwachen der Gesellschaft zu üben.

Hätte man, würde man nicht an der derzeitigen, in meinen Augen falschen und fatalen, Theorie des Monetarismus und damit des Trickle-down, der Amerikanisierung des Staates auch im Sozialen, weiter festhalten.

Hätte man, hätte man nicht den fatalen Fehler begangen, den Staat im Sinne des Liberalismus weitestgehend zu privatisieren, dies noch immer voranzutreiben, hätte man nicht gleichzeitig den Staat mit der Schuldenbremse an die Leine gelegt und würde man das nun nicht auch noch, zu allem Überfluss an Ignoranz, parteiübergreifend als Erfolg feiern uns als weitsichtiges Handeln verkaufen wollen, obwohl es an Kurzsichtigkeit kaum zu überbieten ist.

Hätte man, würde man von den rein liberalen Dogmen unserer Zeit endlich ablassen und sich wieder der Vernunft und den Erkenntnissen aller Wissenschaften öffnen sowie Solidarität und Kooperation dem reinem Wettbewerbsdenken entgegenstellen.

Hätte, hätte, Fahrradkette …

Leider aber denken heutzutage die meisten Menschen in diesen rudimentären mikroökonomischen Kategorien, scheinen diese „Allgemeinbildung“ zu sein auf der einen Seite, denn auf der anderen Seite – auch deshalb rudimentär – werden die wichtigsten Erkenntnisse der Mikroökonomie ignoriert, wie die, dass kein Markt die Gesellschaft insgesamt versorgen kann, wenn man es ihm allein überlässt, und dass das auch nicht das Ziel der Märkte ist. Dass im Gegenteil für ein funktionierendes System die Knappheit, die unbefriedigte Nachfrage elementar ist für die Preisbildung, ganz gleich, welche Marktform es zu betrachten gilt.

Wer also wirklich etwas ändern will, muss auch beim Angebot ansetzen, hier und auf vielen anderen Märkten, muss zulassen, dass der Staat auch als Anbieter wieder aktiv werden darf. Nur so ist der aktive Sozialstaat, der Staat, der uns alle beschützt, auch wieder zu erschaffen, nur so ist er überhaupt als aktiver Sozialstaat zu verstehen, kann er mehr leisten als nur Hilfe in Notfällen.

Mittels Utopien auf Basis des Monetarismus oder auch nur innerhalb eines monetaristisch gedachten Kapitalismus jedenfalls wird dies nicht gelingen, solche Utopien, sollten sie real werden – und ich fürchte sehr, dass sie das werden könnten, schaue ich auf die vielen Bestrebungen und Befürworter der „Alternative“ zum aktiven Sozialstaat, dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) -, werden alles nur noch schlimmer werden lassen, werden Dystopien erschaffen für die meisten Menschen, auch wenn sie dem Rechtsstaat genügen und dem Liberalismus. Beide, weder Rechtsstaat und schon gar nicht der Liberalismus, bieten ausreichenden Schutz, wenn der Mensch sich im Zweifel zum Eigentum und den Eigentümern befindet. Hier helfen nur der aktive Sozialstaat und das Denken, welches ihm eigen ist, dass der Hilfe, der Solidarität, der Kooperation und der Vorsorge. Märkte allein schaffen letztendlich keine ausreichende Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen für alle Menschen, die Preisbildungsmechanismen lassen dies gar nicht zu. Wer das dennoch glaubt, glaubt wirklich, dass eine „unsichtbare Hand“ unsere Geschicke lenken würde, denkt mehr oder weniger in religiösen Kategorien. Ich warne davor!

Hier hilft nur wieder eine makroökonomische Basis, auf der die Politik handelt, die dem auch Rechnung trägt, die weit weg allerdings ist von dem, was uns die Ökonomen oft als Makroökonomie „verkaufen“ wollen, was derzeit makroökonomische Basis ist, eine Summe der Märkte nämlich und nicht mehr, eine Rudimentär-Ökonomie in meinen Augen, Schäublenomics eben.

Es wird eine Ökonomie als Basis wieder gebraucht, die den Sozialstaat produktiv begreift und nicht allein als Kostenfaktor sieht. Denn das Ganze ist immer mehr als seine Einzelteile, und das gilt auch hier. Und das gilt es, endlich wieder mitzudenken, so wie auch die Macht, die nicht zuletzt auf Märkten entsteht und diese beeinflusst und damit die Gesellschaft, weil wir über Märkte die Gesellschaft derzeit organisieren und dann im Zweifel dort immer für das Eigentum, für die Eigentümer entscheiden, auch wessen Gerechtigkeit die Oberhand behalten soll, die der Starken oder endlich mal wieder eine für die Schwachen und Schwächsten. Ich bin für Letztere!

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