So sehe ich das!

Der Kapitalismus ist sehr erfolgreich bei der Schaffung, also bei der Akkumulation von Vermögen. In Fragen der Gerechtigkeit, der Verteilungsgerechtigkeit, der sozialen Gerechtigkeit allerdings versagt er kläglich. 815 Millionen hungernde Menschen und 169 Billionen Euro Vermögen zur gleichen Zeit – Zahlen aus nano vom 12. 10. 2017 – lassen keinen anderen Schluss zu. Deutschland, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt – korrigiert mich, wenn ich mich irre -, kriegt seine Kinderarmut, Obdachlosigkeit, Wohnungsnot nicht in den Griff, steuert auf Altersarmut in Windeseile zu, lässt Kinder im Stich so wie deren Eltern, ganz besonders die vielen alleinerziehenden Mütter und Väter, meist Mütter, welche der Gesellschaft zwar Kinder schenken dürfen und unbedingt sollen, aber anschließend, oft lebenslang, dafür mit persönlichen Einschränkungen, Opfern, Armut sogar „belohnt“ werden.

Ein Gastartikel von Heinz Peglau

Diese Moral unserer Gesellschaft, denn ja, das ist unsere Moral hier und in weiten Teilen der Welt, hat mit Ethik nicht mehr viel gemeinsam, mit Humanität sowieso nicht. Sie ist ebenso verwerflich wie die, die dieses so vertreten in Politik, Ökonomie, Politologie und Soziologie, die sich hinreißen lassen, dieses Verhalten noch philosophisch zu rechtfertigen.

Es wundert mich allerdings nicht, das die Mehrheit der Bevölkerungen dieses verwerfliche Verhalten dennoch, genau deshalb, als richtig akzeptiert, gerade weil es ja das „Expertenwissen“, den Mainstream in Politik, Wirtschaft und den meisten Medien widerspiegelt, sich auch dadurch der Widerstand, der Widerspruch nicht ausreichend organisieren und Gehör verschaffen kann. Nicht die Bevölkerung ist vornehmlich dafür verantwortlich, es sind die, die meinen, diese Bevölkerung und andere führen zu dürfen. Die moralische Kompetenz der Erstgenannten ist ein destruktive, eine engstirnige, eine verbildete, eine unethische, auch wenn sie gern das Gegenteil behaupten und sich jetzt hier ungerecht behandelt fühlen werden. So sehe ich das!

Wir sind keine Gesellschaft der Dichter und Denker, wir waren dies nie. Wir sind eine Gesellschaft der Krämer und Krämerseelen und haben unser Spiegelbild in den Bundestag gerade wieder gewählt, überlassen unserem Spiegelbild an anderen Stellen die Führung an und in allen wichtigen Schaltstellen der Gesellschaft. Nennt mich ruhig böse, nennt mich dumm, nennt mich unverschämt, nennt es Frechheit, was ich hier von mir gebe, es ist mir egal. So sehe ich das!

Ja, so, genau so, sehe ich das derzeit, und dies gelte es zu ändern, diese Menschen gelte es zuallererst zu ändern. Über eine Kultur des Scheiterns, des Sich-irren-Dürfens ginge das, aber von dieser Kultur sind wir weit entfernt, entfernen uns sogar immer weiter, wie mir auch viele Kommentare, meist in persönlichen Anfeindungen gipfelnd, bei Facebook oder in den Kommentarspalten der Onlinemedien täglich, stündlich, ständig vor Augen führen. Sie nützen eher denen, die die Moral derzeit bestimmen, die Ethik, die Humanität jedoch mit Füßen treten. Sie führen zu Trotz, zum Weiter-so, dienen als Rechtfertigung gar für die, die ich für die moralische Wende hin zum Unguten verantwortlich mache, gerade weil sich zu irren, zu scheitern in dieser Gesellschaft so verpönt derzeit ist, unsere Moral dies nicht zulässt, die eine des Vertrages ist, der erfüllt werden muss, ob nun Menschen leiden oder nicht, wie Schäuble es ehrlich wiedergibt, wenn er von „Vertrag ist Vertrag“ bei den griechischen Ungeheuerlichkeiten durch uns gesprochen hat, ein ganzes Volk moralisch zum Aderlass verurteilt hat, unterstützt durch fast alle Parteien und Medien, auch von denen, die ständig Moral predigen – gerade von denen.

Ein Dilemma ist das, in das wir seit Kohls geistiger und moralischer Wende geführt worden sind durch den Neoliberalismus, den Trickle-down, die Behauptung, dass es nur um Wirtschaft gehen würde durch die FDP – „geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut“, welch ein Unsinn -, das wir schleunigst lösen sollten. Wir müssen es sogar lösen, und das nicht allein in unseren Rechtsnormen, in unserem Ökonomieverständnis, unserem Gesellschaftsverständnis, sondern vor allem in unseren Köpfen, die neoliberal vergiftet, durch den Liberalismus auf das Individuum reduziert, heterogenisiert, auf den Eigennutz und Egoismus allein vertrauend und damit weit entfernt von der Solidarität, von der ich meine, das sie als Einzige am Ende eine Gesellschaft zusammenhalten kann, sind. So sehe ich das!

Widerspruch?

PS: Dies hier ist kein Plädoyer gegen den Kapitalismus per se, es ist dies ein Plädoyer für mehr Vernunft und Gefühl, für mehr Politik und nicht noch weniger, wie derzeit wieder geplant, auch von Jamaika, weil den Märkten und den Mächtigen dort das Zepter schon jetzt und vielleicht sogar bald der Apfel überlassen wird. Mehr Politik und mehr Ethik, das ist meine Forderung, um das System zu verändern, die systemischen Fehler zu beheben, die wir geschaffen haben, die nämlich nicht vom Himmel gefallen sind, nicht einer TINA-Alternativlosigkeit entsprungen sind, wie Thatcher und auch Kohl, vor allem aber Blair und seine Freund Schröder und Fischer gern behauptet haben und immer noch behaupten.

PPS: „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.“ Münteferings großer Fauxpas darf nicht weiter Dogma unser Gesellschaft bleiben, der Welt bleiben. Alle müssen essen und anderes tun können, ganz egal, ob sie arbeiten oder nicht. Nein, Arbeit muss vom Privileg sogar zum Recht verändert werden, aber das ist eine neue Baustelle, eine für später.

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Ein Gedanke zu „So sehe ich das!“

  1. Halleluja! Da bin ich bei Dir, so „armselig“ steht es um dieses Land. Ich sehe es auch. Meinung statt Mainstream, so wie der Untertitel dieses Blogs.
    Wenn sich doch bloß die Ethik der Menschen in ihren Wahlentscheidungen widerspiegeln würden. Die Nutznießer des Kapitalismus und seiner Auswüchse nehme ich da als Angesprochene heraus. Kenne ich doch zu viele Freunde, Kollegen und Bekannte, die noch immer an die Großparteien mit ihrem festgefahrenen Nicht-Handeln glauben. Die Minister und Ministerinnen tauschen ihre Posten, doch die kapitalistischen Strukturen bleiben.

    Vielleicht ist „geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut“ kein kompletter Unsinn: Es sind deren parasitäre Investoren und Anleger, ihre Anwälte und ThinkTanks, die aus der Wirtschaft eine Un-Wirtschaft machen. Würde es allen Angestellten, Subunternehmern und, im Idealfall auch den Konsumenten und Mitmenschen, so gut gehen, wie es sich die oberen 2% „gönnen“, wäre die Gleichung nicht nur neoliberales Geschwafel. Die Wirtschaft sollte allen in gleichem Umfang zugute kommen (und sicher nicht unsere Lebensgrundlagen zerstören). So sehe ich das ;)

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