Was ist Politik?

Fragt man einen halbwegs gebildeten Menschen, wird er anfangen etwas von Demokratie zu erzählen, von Wahlen, Parteien, Parlamenten und Gesetzgebung. Gut in der Schule aufgepasst.

Weniger gebildete werden sagen, Politik ist das, was „die da oben machen“, vielleicht wird noch ergänzt, welch unfreundlichen Dinge man mit denen da oben anstellen sollte.

Beide Aussagen haben einiges gemeinsam: Sie sind bequem, gefährlich und falsch. Falsch sind sie deswegen, weil das zu Grunde liegende Verständnis von Politik viel zu eng gefasst ist.

Ein Gastartikel von Oliver Dominus

Aber was ist dann Politik?

Politik leitet sich vom griechischen Wort „polis“ ab. Die Polis war der Stadstaat, vor allem aber war die Polis die Gemeinschaft der in ihr lebenden Menschen. Politik ist demnach ALLES, was das Zusammenleben in der Gemeinschaft betrifft. Politik ist also unendlich viel mehr als das, was in den Parlamenten passiert. Genau genommen haben sehr viele unserer ganz alltäglichen Handlungen eine politische Dimension.

Warum setzt sich diese weiter gefasste Definition von Politik nicht durch?

Ganz einfach: Sie ist für alle Beteiligten unbequem. Für Politiker ist sie unbequem, weil ihre Handlungsspielräume deutlich eingeengt werden. Wenn jeder Mensch bis zu einem bestimmten Grad auch Politiker ist, verlieren Parteien, Parlamente und Regierungen an Macht. Sie könnten weniger frei schalten und walten und müssten zwangsläufig die Bürger stärker einbeziehen. Eine Gesellschaft, die sich selbst als politisch begreift, ist in der Lage, viele Entscheidungen der Parlamente und Regierungen auszuhebeln. Wenn Politikern zum Beispiel bewusst ist, dass nach der Privatisierung einer Klinik die Menschen lieber in das nächste Krankenhaus in öffentlicher Trägerschaft fahren, falls es machbar ist, wird es keine Privatisierung mehr geben. Demnach würde es deutlich schwerer, eine Politik gegen den Willen der Bevölkerung zu machen.

Für die Bürger ist es natürlich bequemer, sämtliche Verantwortung auf die Politiker abzuwälzen. Man geht alle vier Jahre zur Wahl, muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn Mann sich auf einen Frauenparkplatz stellt, muss auch ansonsten nicht viel reflektieren und kann jeden Freitag beim Stammtisch der Gartenzwergbesitzer herrlich auf die Politiker schimpfen.

Warum ist es gefährlich?

Politik findet zunehmend im Elfenbeinturm statt. Das führt zwangsläufig zu einem Tunnelblick, irgendwann macht man nur noch Politik für die Menschengruppen, die man im Blick hat. Nur leider bekommen Politiker so selten Obdachlose, Schulkinder, Altenpfleger oder Rentner zu Gesicht, denn die leben in einer anderen Welt, einer Welt ohne Empfänge, Geschäftsessen und feierliche Eröffnungen. Irgenwann betrachten Politiker die normalen Bürger wie die Schwerkraft: Man weiß, dass es sie gibt, aber man sieht sie nicht.

Die Bürger werden also mit einer Klientelpolitik konfrontiert, bei der sie das Nachsehen haben. Sie erleben sich als Spielball, machtlos und ohne jeglichen Einfluss, wie ein Tischtennisball auf den Wellen der schönen Nordsee. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit führt zu Frustration, und Frustration führt zur Aggression, und wenn die sich entlädt, wird es gefährlich. Gefährlich wird es aber nicht für Politiker, sondern für ausgewählte Sündenböcke, die aus verschiedenen Gründen noch weniger Macht haben als man selbst: Senioren, Schwule, Migranten, Lesben, Juden, Frauen etc.

Gefährlich ist die Entwicklung aber auch, weil die Interessen der allgemeinen Bevölkerung nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden, das führt zu Umweltverschmutzung, Gift im Essen, Armut durch Umverteilung, mangelhafter medizinischer Versorgung u. v. m. Alles Dinge, die unsere irdische Existenz weder verlängern noch angenehmer gestalten.

Der Ausweg aus dem Dilemma? Sich der eigenen Macht und der eigenen Handlungsmöglichkeiten bewusst werden und sie gezielt nutzen, zum Beispiel durch gelegentliche Konsumverweigerung. Nicht auf die große Revolution warten, sondern immer durch viele kleine Handlungen Einfluss nehmen, die jedem von uns ohne Beeinträchtigung der Lebensqualität möglich sind, der Bildung einer Fahrgemeinschaft z. B. Das heißt natürlich auch, die Folgen des eigenen Handelns im Blick zu haben, zwischen den eigenen Interessen und denen der Gemeinschaft abzuwägen und ein soziales Gewissen zu entwickeln. Nicht vergessen: Was der Gemeinschaft nutzt, nutzt auch dem Individuum.

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