Die SPD hat ihren linken Flügel im Bundestag nun vollends verloren

Marco Bülow, der vielleicht letzte aufrechte Sozialdemokrat im Bundesparlament, hat seinen Austritt aus der SPD erklärt und diesen eindrücklich begründet. Damit ist die SPD nur noch Partei der Mitte, einer radikalen Mitte, deren Radikalität man insbesondere dann spürt, wenn man sich selbst nicht zur Mitte zählen kann oder will.

Ein Satz in seiner Austrittsbegründung scheint mir richtungsweisend zu sein und bedarf der Konsequenzen:

Schlimmer noch, sie bindet Kräfte und Energie, die so viel zu wenig bewirken und woanders besser aufgehoben wären.

Recht hat er!

Der sozialdemokratische Gedanke, der einzige, welcher dem Kapitalismus trotzen kann, ohne ihn gänzlich zerstören zu wollen, wird durch diese SPD schon lange verraten.

Ja, richtig gelesen, ich spreche von Verrat, denn es ist Verrat an der arbeitenden Bevölkerung, sie immer wieder und immer weiter nur der Wirtschaft und denen dann in der Wirtschaft dienbar machen zu wollen, die nur an der Arbeitskraft, nicht aber an den Lebensbedingungen der Menschen Interesse haben und ihr Interesse immer dann verlieren, auch an der Arbeitskraft, wenn sie ihre Interessen andernorts oder mit anderen Mitteln besser durchsetzen können. Es ist Verrat an der Arbeitnehmerschaft, welchen die SPD verübt, seit sie sich der Angebotspolitik der FDP ergeben hat, seit sie den Dritten Weg unter Schröder begonnen hat zu gehen. Es ist Verrat an denen der Arbeitnehmerschaft, an denen besonders, die nicht mehr dazugehören können oder wollen, die man aber zwingt, dazugehören zu müssen, auch mit Sanktionen, der modernen Peitsche. Das muss ich mal so deutlich sagen und schreiben, denn sozialdemokratisch ist dieses Verhalten schon lange nicht mehr, moralisch sehr fragwürdig ist es sogar, und mit Humanität hat es nun so gar nichts zu tun, gerade wenn man an das Leid der Kinder in den Bedarfsgemeinschaften zu denken bereit ist.

Am besten wäre es deshalb, aus meiner Sicht heraus, einen neuen Arbeiterverein – von mir aus können wir diesen auch Arbeitnehmerverein nennen – zu gründen und eine Sozialdemokratie von ganz unten neu aufzubauen, die auch den Namen Sozialdemokratie verdient. Der sozialdemokratische Gedanke könnte so gerettet werden, vor denen gerettet werden, die ihn derzeit missbrauchen, und vor denen, die diesem Gedanken sowieso nie zugetan waren.

Einen Verein, keine Partei – die kann später kommen -, um auch Aufgaben wieder wahrnehmen zu können, welche die, die sich derzeit Sozialdemokraten nennen, an die Wirtschaft abgegeben hatten, wodurch sie den Sozialstaat zunehmend schwächten. Einen Verein, der nicht nur politisch handelt, sondern auch den Mitgliedern Schutz gewährt. Denn den Schutz werden wir brauchen, die Zeiten werden nicht leichter werden, den einstigen Schutz durch eine schlagkräftige Sozialdemokratie haben wir längst verloren.

Schutz vor allem auch deshalb, weil das Ehrenamt nicht leisten kann, was uns der Sozialstaatsabbau genommen hat und weiter nehmen wird, das eigentliche neoliberale Projekt, dem auch die SPD seit Schröder huldigt. Im Gegenteil, das Ehrenamt missbrauchen die angeblichen Sozialdemokraten doch schon lange für ihren Sozialstaatsabbau; es wäre deshalb auch hier wichtig, eine Alternative aufzubauen, die nicht dazu genutzt werden kann, um noch mehr einzusparen, was man eigentlich im Sinne der Bürger nicht einsparen dürfte.

Einen Verein, weil im Verein Solidarität neu eingeübt werden könnte, welche durch die SPD, bei der SPD doch mehr oder weniger in Vergessenheit geraten ist, im Fordern und Fördern verloren gegangen ist, durch die Peitsche der Sanktionen, durch die Sippenhaft der Bedarfsgemeinschaften pervertiert worden ist.

Einen Verein, weil einem Verein ein eindeutiges Ziel gegeben werden kann, eine soziale Ausrichtung zur Förderung der Mitglieder, und damit sich der Vorstand am Wohl und Wehe der Mitglieder messen lassen muss und nicht an irgendwelchen Werten, die nur für Sonntagsreden tauglich sind, aber der Wirklichkeit im Handeln dann nicht standhalten.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass das auch eine Renaissance des Genossenschaftsgedanken mit sich bringen könnte, die gerissenen Lücken wieder schließen helfen könnte, eine wieder bessere Gesellschaft schaffen könnte und damit die Wunden heilen helfen könnte, welche diese Sozialdemokratie gerissen hatte und immer noch zu reißen gedenkt.

Wie auch immer, die Sozialdemokratie bedarf des Neustarts, und dieser wird durch die SPD derzeit mehr verhindert als befördert, weshalb man den Gedanken der Sozialdemokratie nicht mehr allein der SPD überlassen darf, dieser SPD sogar nehmen sollte.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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