Was bleibt: Brot und Spiele …

… und alle machen mit! Ich habe eine Flasche Rotwein intus, es läuft Monitor, und gerade habe ich einen wirklich grandioses Kammerspiel gesehen: „Slow West“. Dieser Film nagelt das Leben auf seine sinnfeie Sinndeutung fest, und damit trifft er, gewollt oder ungewollt, den Zahn unseres Jahrhunderts: Kaum sind wir ein bisschen informiert, scheinen wir (natürlich fast als Einzige) den Durchblick zu haben. Wir gauben es, weil wir es glauben wollen!

Gerade hat der hoffnungslos verliebte Protagonist das Zeitliche gesegnet, und irgendwie war der Ausgang des Dramas klar: Happy End, auf die eine oder andere Art und Weise. Dann schalte ich Monitor ein, und es geht um die Farce des CDU-Vorsitzes: KrampfKampf-Knarrenbauer, Jens Spacken und Friedrich der Gierige streiten in bester Elitendemokratie-Manier um den Vorsitz von Pest oder Cholera. Und ich denke: Ja, immer noch glauben die Wähler/-innen an ein Mitbestimmungsrecht … Brot und Spiele, noch immer, immer noch.

So geht es mir derzeit jeden Tag: Ich renne den Ansprüchen des Kunden und der Kinder sowie dem täglichen Medienkonsum hinterher, stets bemüht, „gut informiert“ zu sein. Und gerade jetzt, in diesem Moment, ertappe ich mich dabei, es wieder einmal geglaubt zu haben: informiert zu sein und mitzubestimmen. Aber es stimmt nicht! Ich stehe genau dort, wo ich stehen soll: mittendrin. Und ich muss mir eingestehen, dass die, die mich dort in Position halten, das sind die Medien, die „Lügenpresse“ (selbst im Glauben, informiert zu sein), die Parteien, das Establishment und mein Wunsch nach Veränderung und Einfluss. Ich nehme teil an dem Spiel, welcher dieser CDU-Kasper da vorn herumhampelt und strampelt, als wenn es auch nur den geringsten Unterschied machen würde. Gefühlt, ja (ich habe mitgefiebert), aber gelebt, nein. Kein Unterschied.

Gern würde ich ein Resümee aus dieser Erkenntnis ziehen, einen klugen Ratschlag für unsere Leser/-innen (mich selbst und meine Freunden) und einen Fingerzeig für mein weiteres Handeln, aber da ist nichts außer Resignation und der Gewissheit, wieder einmal mitgespielt zu haben. Beim Spiel um die Aufmerksamkeit und um den Schein, ein Teil der Gesellschaft zu sein (und damit eine Art von Mitbestimmung zu haben). Ja, ich habe ein aktives soziales Umfeld … Freunde, Verwandte, Bekannte und eine ganze Menge Nachbarn. Aber Einfluss habe ich keinen (außer auf die Kleinen)! Eine Stimme von Millionen. Und wieder einmal verstehe ich auch, warum: Brot und Spiele.

Wir akzeptieren seit Jahren Lüge und Betrug vonseiten der Politik, konsumieren das geringere Übel der Großkonzerne und gehen dabei in Selbstgefallen auf, auch wenn die privaten Haushalte noch immer der Klimakiller „Nummero uno“ sind. Eine längst überfällige Revolution fällt dem NETFLIX-Angebot zum Opfer, und unseren Unmut äußern wir in Facebook und Co … sinnfrei, reaktionsfrei und konfliktfrei. Aber bequem.

Solange wir im Rahmen agieren (und diesen Rahmen haben die abgesteckt, die auch das Spiel und seine pseudodemokratischen Regeln erfunden haben), werden wir auch nur im (gewollten) Rahmen bleiben und hoffen (Hoffnung, ein Ersatz für ein echtes Ziel). Dann können wir uns auch gleich auf den Boden legen und uns (weiter) tot stellen. Veränderung wird es erst dann geben, wenn wir bereit sind, aus dem gesteckten Rahmen herauszutreten und das Bild als Ganzes zu sehen … und auch so zu handeln! Nicht mit CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen, AfD, Nike & Adidas, RTL & SAT.1, Biosupermarkt & Fairtrade-Schoki, Fernsehen & Smartphone, Diesel & E-Bike, iMac & iNet …

Print Friendly, PDF & Email

Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

Ein Gedanke zu „Was bleibt: Brot und Spiele …“

  1. Den letzten Absatz möchte ich gerne noch einmal konkretisieren: Jede Veränderung in Richtung reflektiertes Handeln ist ein Schritt in die richtige Richtung! Und in der Summe trägt auch jedes bisschen dazu bei, die Welt etwas lebenswerter zu machen und sollte deshalb auch frohen Mutes angegangen werden. Unbedingt!

    Allerdings wird ein Umbruch im Denken und der Art wie wir derzeit leben nicht dadurch geschehen, dass wir uns für Aktivisten halten, weil wir z. B.
    – GRÜN statt CDU wählen (Establishment bleibt Establishment)
    – BIO-Bananen statt konventioneller Bananen essen (Südfrucht bleibt Südfrucht)
    – VW Golf statt SUV fahren (Abgas im Individualverkehr bleibt Abgas)
    – Bei Fairmondo statt bei Amazon bestellen (Konsum bleibt Konsum)
    – Energie bei Lichtblick statt bei RWE beziehen (Stichwort Energieeffizienz)
    – …

    Ich habe sogar Zweifel, dass es der Menschheit ohne noch höheren Leidensdruck möglich ist, genügend Maßnahmen zu ergreifen, um die Welt nicht zu ruinieren. Aber ich lasse mich auch gerne von jeder und jedem Einzelnen vom Gegenteil überzeugen! Handeln statt faseln.

Schreibe einen Kommentar