Wir sollten die Lohnarbeit für einige Zeit ganz verbieten in Deutschland

Warum?

Vielleicht merken dann die, die sie schlecht bezahlen, wie wichtig die Lohnarbeit auch für sie ist, dass sie ohne diese nicht auskommen, dass Geld keine Scheiße wegräumt, dass Geld kein Brot backt, keine Heizung repariert, keine Kinder betreut und ausbildet, dass Geld eigentlich von sich aus nichts tut, außer Geld zu sein, außer Macht zu sein, meist nur weiß, Macht auszuüben, nur um sich zu vermehren, vor allem auf Kosten der Lohnarbeiter und der Natur, aber nicht, um die notwendigen Tätigkeiten in einer Gesellschaft zu tun, sondern nur von diesen Tätigkeiten profitiert, von der Natur profitiert, mehr als uns allen derzeit guttut.

Vielleicht merken dann auch die mal etwas, die immer wieder gegen die Lohnarbeit hier angehen, sie ersetzt wissen wollen, meist nicht wissen, wodurch zwar, aber das ist ja egal, Hauptsache weg damit, Hauptsache, alles wird auf Gewinne umgestellt. Auch die, die behaupten, die Arbeit, die Lohnarbeit würde uns ausgehen, wären damit vielleicht eines Besseren zu belehren, wenn sie einmal merken, wie wenig hier noch klappen würde, wenn die Lohnarbeit wirklich nicht mehr stattfinden würde, wenn sie verboten werden würde, auch wenn es nur eine begrenzte Zeit so sein würde.

Vielleicht sollten wir einfach mal diejenigen die Scheiße dann wegräumen lassen, die meinen, sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen die Lohnarbeit so ins Zeug legen zu dürfen, sie als menschenunwürdig bezeichnen von der einen Seite her oder als viel zu teuer von der anderen Seite her.

Es tut mir leid – nein, nicht wirklich -, aber mir ist heute mal danach, den Blödsinn auch als Blödsinn zu benennen, den ich immer wieder zu lesen bekomme, von gierigen Kapitalisten und von naiven Moralisten und Weltverbesserern. Ich kann deren Oberflächlichkeit einfach nicht mehr ertragen, ohne ihnen ihre Weltferne einmal hier verbal um die Ohren zu hauen.

Ich war immer gern Lohnarbeiter, habe gern meine Aufgaben erfüllt, habe einen Lohn dafür bekommen, mit dem ich planen konnte, ob es dem Unternehmen nun gut oder schlecht ging, war meist egal. Ich war froh darüber, mir nicht nachts in meinen Träumen noch Sorgen machen zu müssen, woher ich die Aufträge bekomme, die ich brauche, um überhaupt Gewinn machen zu können, dass ein anderer diese Träume, oder auch nicht, träumen musste. Gern war ich immer bereit, ihm oder ihr dafür auch den Gewinn zuzugestehen, den sie auch aus meiner Arbeitsleistung ziehen konnten, weil erst sie mir ermöglichten, diese überhaupt erbringen zu können. Was ich nie fühlte, war Neid oder dass ich weniger wert wäre als der, der Gewinne als sein Einkommen bezeichnen durfte. Im Gegenteil, wer ich bin und wer ich war, definierte ich nie über diese Nebensächlichkeit, definiere ich auch heute nicht darüber. Und ich weiß hier, wovon ich rede, denn ich habe beide Seiten erfolgreich in meinem Leben kennenlernen dürfen, die Seite von Lohnarbeit und die Seite, vom Gewinn leben zu müssen. Beide hatten ihre Vorteile, aber auch Nachteile. Weder der Lohn noch der Gewinn – ich wechselte mehrmals die Seite – war jemals das Problem für mich. Das Problem kam erst, als ich gar nicht mehr arbeiten konnte, als ich krank wurde und dann auf das System angewiesen war, welches die Parteien hier seit Schröder und unter Merkel geschaffen hatten, welches nur dem Gewinn zu dienen hat seitdem, und da auch nur denen, die noch genügend davon machen können. Dies zu ändern wäre Aufgabe guter Politik. Nur wo sind die, die dies ändern wollen? Wo? Wo laufen sie denn?, um Loriot hier mal zu zitieren.

Lohnarbeit ist eine Errungenschaft der Neuzeit, eine wichtige noch dazu, denn ohne Lohnarbeit und die Entwicklung der Löhne wäre die Neuzeit gar nicht zu erreichen gewesen. Sie hat aus Tagelöhnern und ärmsten Bauern Bürger gemacht, sie hat Planbarkeit auch für die geschaffen, die früher nur von Tag zu Tag leben konnten. Sie hat uns erst die Sozialversicherungen geschenkt, die Diskussion mit dazu, wie lange wir überhaupt arbeiten sollen, wie lange am Tag, wie lange in der Woche, wie lange im Jahr, wie lange im Leben. Vorher war das nämlich gar keine Frage, da entschied der Grundherr darüber, der sich um die Menschen nur deshalb kümmerte und so lange, wie er sie gebrauchen konnte, für die eigene Wirtschaft oder den Krieg. Marx hatte deshalb recht, als er die Befreiung durch die Bourgeoise feierte, die ohne Lohnarbeit auf der anderen Seite, gar nicht möglich gewesen wäre, im feudalen Kapitalismus der Großgrundbesitzer nämlich stecken geblieben wäre. Die Demokratie, wie wir sie kennen, wäre ohne Lohnarbeiter gar nicht möglich gewesen. Der Liberalismus wäre ohne die vielen Lohnarbeiter gescheitert, gegen die er sich seit geraumer Zeit in seiner Mehrheit wendet, war eigentlich schon gescheitert, und erst mit der Entfesselung der Produktivkräfte, die ohne Lohnarbeiter gar nicht möglich gewesen wäre, wäre er längst nur noch Teil der akademischen Welt. Wir haben vieles, fast alles, der Lohnarbeit, den Lohnarbeitern, ihren Interessengruppen, ihren Kämpfen und Opfern zu verdanken. Und wie danken wir es ihnen? Wir schätzen sie gering, lehnen sie ab, wenn wir uns in intellektuellen Spökenkiekereien ergehen, uns von diesen einlullen lassen, meist denen dann zuhören, die außer in Ferienjobs kaum mal zu Lohnarbeit selbst angetreten sind.

Man muss kein Anhänger der protestantischen Ethik sein – ich bin es gewiss nicht -, aber ohne sie wäre die moderne Lohnarbeit, wäre der moderne Kapitalismus, nicht möglich gewesen – auch der Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus wäre nie über Morus und Camponella hinausgedacht worden -, und damit wäre das, was wir heutzutage liberale Demokratie nennen, schon gar nicht möglich gewesen. Gerade die liberale Demokratie basiert im Wesentlichen auf der Lohnarbeit, allerdings auf einer partnerschaftlichen Art und Weise des Ausgleichs von Kapitalrendite und Lohnarbeit, einer Partnerschaft, die der Neoliberalismus aufgekündigt hat, die uns nun den Druck auf die Löhne beschert, auf die Lohnarbeit insgesamt.

Der Neoliberalismus funktioniert am besten mit Tagelöhnern in der Masse, und genau dahin will er auch zurück. Ob diese nun im Lohn bezahlt werden oder eine Projektvergütung bekommen, also letztendlich als Gewinn ausgewiesen werden, ist dem Neoliberalismus völlig egal. Selbst einer Grundabsicherung steht er nicht im Wege, wenn diese die Arbeitskosten nur weiterhin gering hält, nicht allzu viele Lasten für die Kapitalrenditen bedeutet. Hauptsache ist, er muss wenig bezahlen, umso weniger, desto bester. Nicht die Lohnarbeit ist deshalb das Problem, sondern die fehlende Partnerschaft der Lohnarbeiter und derer, die von der Lohnarbeit indirekt profitieren können, die diese Partnerschaft längst aufgekündigt hatten und wohl auch kaum derzeit bereit sind, sie zu erneuern, auch hier nur so tun, als ob.

Warum kann der Neoliberalismus das mit uns, mit der Lohnarbeit insbesondere, tun, was er täglich tut, meist zu unseren Lasten? Warum ist er so mächtig geworden? Weil wir die Lohnarbeit, die Lohnarbeiter nicht mehr ausreichend schätzen, sie nicht wertschätzen, sie sogar ersetzen wollen. Weil wir alles nur noch über Gewinne denken, die restliche Wertschöpfung, die meist viel größere Wertschöpfung, nur noch als Kosten betrachten, die die Gewinne mindert und deshalb auch nicht wertgeschätzt werden darf. Steuern, Sozialabgaben, Löhne sind zu Kosten verkommen, werden auch von der Politik längst nur noch als Kosten wahrgenommen, im Zweifel unter Druck genommen, damit die Gewinne weiterhin sprudeln können, immer größer werden können. Aber auch weil wir die Tätigkeiten außerhalb der Lohnarbeit für wertvoller halten als die Lohnarbeit selbst. Weil wir die Lohnarbeit gar nicht mehr verstehen, die nicht mehr verstehen, die für Löhne, gute Löhne, gern arbeiten gehen wollen. Vor allem aber weil wir in Zeiten der intellektuellen Verblendung leben, welche uns auch den Neoliberalismus eingebrockt hatte, der diese eigentlich dann nur noch schlimmer hat werden lassen.

Wie blöd sind wir eigentlich? Oder besser gefragt: Wie blöd sind die, die die Lohnarbeit, aus welchem Anspruch heraus auch immer, als etwas Falsches und Negatives behaupten, die die Lohnarbeit nicht mehr entsprechend bezahlen wollen, sie sogar abschaffen wollen, sie zukünftig als überflüssig bezeichnen, dem Neoliberalismus weiterhin allesamt auf den Leim gehen wollen? Ich will das nämlich nicht, nehme mich deshalb auch aus dieser Schusslinie selbst heraus. Ich weiß nämlich, wie wertvoll die Lohnarbeit, die Lohnarbeiter beiderlei Geschlechts sind, wie unverzichtbar sie sind und wie unverzichtbar sie bleiben werden für die Gesellschaft. Wichtiger nämlich als Geld, als Gewinne, die immer mehr aus Geldanlagen entstehen und immer weniger aus tatsächlicher geleisteter Arbeit, immer weniger durch wirklich sinnvolle Produktion.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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