Reformationstag

Zum zweiten Mal jährt sich der freie Tag anlässlich der Reformation in Niedersachsen und meine Enttäuschung ob dieser Entscheidung des niedersächsischen Landtages, gegen einen weltlichen Feiertag sich auszusprechen, ist nicht kleiner geworden. Um es gleich zu sagen, ich habe nichts gegen gesetzliche Feiertage, aber diesen gesetzlichen Feiertag hätte ein anderer Anlass krönen sollen.

Die protestantische Ethik und der Kapitalismus

Die Reformation war der Beginn der Veränderung des Menschen zugunsten des kapitalistischen Systems. Max Weber ist hier eindeutig in seiner Analyse. Die notwendige Ethik, die protestantische Ethik, entstand mit Luther und brachte den protestantischen „Staaten“ und Gebieten einen Vorsprung gegenüber den katholischen Gebieten und „Staaten“. Das sollte man schon wissen.

Andere, insbesondere Calvin, gingen noch weiter in dieser Ethik, sodass der Erfolg im Leben gleichzeitig auch als Erfolg vor Gott gelten konnte, der Reiche in den Augen Gottes Wohlgefallen finden konnte, Gnade quasi per Bilanzsumme erwarten konnte. Der Aufstieg der niederländischen Republik ist eng damit verwoben gewesen, mit der Reformation damit auch, die erst durch Luther durchgesetzt werden konnte.

Antisemitismus

Luther war Antisemit, auch das ist wissenschaftlich nachgewiesen, kann man seinen Schriften entnehmen, kann nicht geleugnet werden, sollte deshalb gebildeten Menschen bekannt sein. Dass der Antisemitismus hier lange schon wieder auf dem Wege ist, gesellschaftlich relevant zu werden, ist nur für Blinde und Einäugige nicht zu sehen gewesen, ist nicht erst seit Halle Menschen, die nicht wegsehen wollten, bekannt gewesen.

Luther und die weltliche Macht

Luther war auf Seiten der Reichen und Mächtigen, war ein Gegner der Bauern, als diese sich gegen die Reichen und Mächtigen wandten in den Bauernkriegen. Auch dieses Wissen gehört zur Allgemeinbildung. Der reformierte Thomas Münzer verhielt sich anders, nicht besser, weil Fanatismus nie gut ist, aber konsequenter, weil er begriff, dass das Leben nicht erst nach dem Tode beginnt und schon auf Erden die Lebenswirklichkeit deshalb gerade der Armen im Mittelpunkt stehen muss. Luther und seine Frau hatten derweil ein gutes Leben, weil gutes Geschäft durch die Studenten, die ihm huldigten und gutes Geld dafür zahlten, viele auch für Nahrung und Logis. Beide, Luther und Frau, wussten früh, wie man seine Ethik und seine politischen Vorstellungen auch in bare Münze verwandeln konnte.

Die Leistungen der Reformation rechtfertigen keinen gesetzlichen Feiertag

Ich will Luthers Leistungen damit gar nicht schmälern, denn auch Luther war nur ein Kind seiner Zeit und hat vieles, auch positiv, bewirken können. Die Macht der Bischöfe, gerade ihre weltliche Macht, konnte aufgebrochen werden, die Angst den Menschen vor Hölle und Fegefeuer genommen werden, der Ablasshandel wurde beendet, ein neues Selbstbewusstsein des Menschen hätte wohl schwerlich ohne die Reformation so schnell entstehen können.

Allerdings diesem Mann einen Feiertag zu widmen – man kann im Norden Deutschlands die Reformation nicht von Luther trennen, schon die Auswahl dieses Tages macht es deutlich, gedenken wir doch Luthers Thesenanschlag in Wittenberg -, in Zeiten, wo der Antisemitismus wieder erstarkt, in Zeiten, in denen Arm und Reich so auseinander driften wie noch zu keiner Zeit vorher, selbst im Feudalismus nicht, in Zeiten, wo offensichtlich ist, dass die protestantische Ethik, die Selbstoptimierung und die Selbstausbeutung des Menschen auf höchste Höhen getrieben hat, in solchen Zeiten ihm und dieser Ethik einen Feiertag zu widmen, zeigt mir, dass die, die es taten, entweder nicht wussten, was sie taten oder genau wussten, was sie taten und es deshalb taten, weil sie genau das ausdrücken wollten, was sie damit ausdrücken: Nur der fleißige Mensch, der, welcher der weltlichen Obrigkeit gehorcht, der, der auch nicht davor zurückschreckt, andere zu verteufeln, wenn es der Obrigkeit gefällt, ist der Mensch, der in ihren Augen und vor ihrem Gott Wohlgefallen findet.

Ich dachte, wir wären weiter in dieser Gesellschaft, aufgeklärter. Es scheint so, dass ich mich wiedereinmal geirrt hatte. Dabei hätte ich es wissen können, denn wer Hartz und Schuldenbremse vertritt, wer nichts gegen die Altersarmut unternimmt, was wirklich die Altersarmut hier beheben könnte, wer vieles andere unterlässt zu tun, was dieser Marktwirtschaft entgegen stehen würde, sie zähmen könnte, der ist auch hier im Sinne Luthers willfähriges Werkzeug einer spätmittelalterlichen Denkweise, konnte gar nicht anders, als so zu entscheiden, so falsch in meinen Augen.

Dass sich dafür einige Repräsentanten noch von den Bürgern feiern lassen wollen, jedes Jahr erneut, setzt nur dieser Fehlentscheidung die Krone auf. Denn genau dieses Selbstlob aus den Reihen der Parlamentarier war Anlass zu diesen Zeilen, denn, dass das in den Brunnen gefallene Kind, nun wieder gerettet werden könnte, das glaube ich nicht, so naiv bin ich nicht. Diesen Feiertag werden sich die Lutheraner nicht mehr nehmen lassen.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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