Gewalt ist nicht gleich Gewalt und es kommt sehr darauf an, wer die Gewalt hat, wer sie über uns hat

Da ich dieser Tage immer wieder von Gewalt lese, meist recht wirres, weil ideologisches Zeug, mehr Küchenpsychologie gepaart mit Küchenphilosophie, meist dann auch von denen, die dem Staat die Gewalt absprechen wollen im Zuge dieser gewaltigen Krise, hier ein paar Gedanken zur Gewalt und warum es besser ist, dass sie in den Händen des Staates liegt, als in den Händen jedes einzelnen Individuums. Inspiriert hat mich mein Erschrecken darüber, wie rudimentär das Wissen über grundsätzliche Zusammenhänge in dieser Gesellschaft doch wieder zu sein scheint. Oder war es nie besser? Ich kann es nicht beurteilen. Was ich versuchen kann, ist, das Wissen der Sekundarstufe I hier wieder einmal in Erinnerung zu bringen, es denen versuchen zu vermitteln, die es vielleicht auch nie vermittelt bekommen hatten.

Vor ab: Was ist Gewalt? Wie äußert sie sich?

„Unter dem Begriff Gewalt ist der körperlich oder auch psychisch wirkende Zwang zu verstehen, der durch Kraft oder ein sonstiges Verhalten entsteht. Ziel ist es, die freie Willensbildung und -betätigung der anderen Person unmöglich zu machen oder zumindest zu beeinträchtigen.“ Juraforum

Gewalt schränkt also die freie Willensbildung und -betätigung, kurz die Freiheit des Individuums alles tun und lassen zu können, was es will (oder wollen könnte) ein. Gewalt ist ein Mittel, kein Zweck, woraus sich schon ein Grund für die Rechtfertigung von Gewalt ergibt: Gewalt muss immer Mittel bleiben, kein Zweck werden.

Daraus ergibt sich deshalb auch der wichtigste Grund für die Rechtfertigung von Gewalt: Der Zweck zu dem die Gewalt ausgeübt wird.

Gewalt ist aber auch nicht gleich Gewalt, wie auch aus der obigen Definition leicht abzuleiten ist. Sie kann sowohl körperlich als auch psychisch erfolgen und sie hat eine große Spannbreite – beispielsweise reicht sie in den Strafen hier bei uns vom Ordnungs- bis hin zum Strafrecht.

Psychische Gewalt

Psychisch ist Gewalt dann, wenn sie zwingt ohne auf den Körper Einfluss nehmen zu müssen, nur den Geist des Menschen zu beeinflussen trachtet. Sie kann sogar schlimmer sein, als die körperliche Gewalt, insbesondere bei Kindern kann sie nachhaltige und langwierige Folgen zeitigen. Sie sollte deshalb nie unterschätzt werden.

Psychische Gewalt ist auch die am meisten zu beobachtenden Gewalt, hat eine gewaltige Spannbreite, geht von Mobing in Schulen und Unternehmen bis hin zu den Sanktionen bei Hartz-4, ist bei der Erziehung durchaus gebräuchlich, sogar dann, wenn sie antiautoritär erfolgt, denn die Gewalt des Kindes lässt man zu, auch gegen andere Kinder, vor allem aber gegen die Erwachsenen. Ohne Gewalt geht es nunmal nicht. Sie ist ebenso nicht weg zu leugnen, wie die Macht, auch die Macht dazu Gewalt ausüben zu können.

Körperliche Gewalt

Diese ist mehr oder weniger geächtet oder, dort wo sie erlaubt ist, dem Staat vorbehalten.

Kein Kind darf geschlagen werden – zurecht.

Kein Bürger darf den anderen Bürger schlagen oder Schlimmeres – zu recht.

Einzig der Staat darf Gewalt anwenden und das auch nur um Gesetze durchzusetzen und das auch nur dann, wenn ihm keine anderen Möglichkeiten mehr gegeben sind und das dann nur in dem Maße, wie diese Gewalt vertretbar ist. Auch deshalb gibt es bei uns keine Zuchthäuser und Arbeitslager mehr, auch wenn manche von uns sich diese wohl wieder wünschen mögen. Ihr Wunsch mag Wunsch bleiben, nie wieder Wirklichkeit werden.

Staats-Gewalt

Der Staat ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die leider allzu sehr in Verruf gebracht worden ist, auch von denen, die eigentlich dem Staat dienen sollten. Der Staat ist die Organisationsform von Menschen, die einen gemeinsamen, meist geographisch genau abgegrenzten Raum bewohnen und die das Recht auch dazu haben, diesen ständig zu bewohnen oder auch nur auf Zeit, wie Flüchtlinge, Gastarbeiter etc. pp., die sich dennoch des Schutzes des Staates durch dessen jeweiligen Rechts und der jeweiligen Institutionen sicher sein müssen, denn das ist letztendlich der wesentliche Grund für die Menschen gewesen überhaupt Staaten zu gründen: sie suchten Schutz, vor allem vor Willkür, vor der Gewalt anderer Individuen innerhalb und außerhalb dieser nun als Staaten organisierten Gesellschaften. Die Gewalt des Einzelnen ist im Zuge dieser Staatenbildung auf den Staat übergegangen, auch weil der Einzelne gegen die Gruppe oder den gewalttätigeren Anderen nicht bestehen konnte und kann, wie diese durch den Wettbewerb geschwächte Gesellschaft ja immer offener offenbart, wo die Gewalt gegenüber arbeitslosen Sozialhilfeempfängern schier unglaublich geworden ist, von der Bevölkerung leider akzeptiert, ja sogar gutgeheißen, was über die Qualität dieser Gesellschaft längst ein Urteil zulässt; aus meiner Sicht kein Gutes.

Wildwest-Gesellschaft anstatt moderner Zivilisation

Wer deshalb dem Staat die Gewalt abspricht und die allgemeine Gewalt und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft ignoriert, schafft die Gesellschaft ab, schafft Wildwest-Verhältnisse und stellt sich auch gleichzeitig außerhalb der Normen dieser Gesellschaft, dem Grundgesetz. Denn eines schafft er nicht ab, kann er nicht abschaffen, die Gewalt nämlich. Diese legt er nur in andere Hände, nicht nur in seine eigenen Hände. Auch hier scheint der Individualismus wieder einmal tiefe Wunden gerissen zu haben, wenn dieser Wunsch tatsächlich besteht den Staat gänzlich zu entmachten.

Wer die Gewalt einzig dem Bürger übertragen will, den staatlichen Institutionen das Recht auf Gewaltanwendung absprechen will, will keine Zivilisation, der will Anarchie und das im schlechtesten Sinne des Wortes.

Gewaltenteilung

Wer Gewalt gleich Gewalt setzt und dann die Gewalt des Staates personifiziert im Staat, dem Staat abspricht, der hat keine Ahnung wovon er oder sie redet, der und die haben weder die Demokratie noch die Gesellschaft verstanden. Denn ja, auch die Demokratie regelt die Gewalt, teilt sie auf in unserem Staat, kontrolliert die Gewalt der einen Institution durch die einer anderen, schafft das, was bei Gewalt wirklich wichtig ist, die Gewaltenteilung. Montesquieus Gedanken waren eine der wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung. – Wer sie nicht kennt oder vielleicht auch nur vergessen hat, hier wird man fündig. – Ohne sie herrschte hier immer noch Mord und Totschlag, einzig von einem absolutistischen Herrscher legitimiert. Wer sie in Frage stellt, stellt damit die Aufklärung ist Frage, auch dann, wenn es ihm oder ihr nicht bewusst sein sollte.

Gewaltenteilung ist der Kern der modernen Demokratien und an ihr kann man auch festmachen wie demokratisch sie eigentlich sind diese Demokratien. Ist die Gewalt nicht geteilt, hat eine Seite mehr davon zur Verfügung als die andere, so kann man schwerlich noch von Demokratie sprechen, sofern dem nicht machtvoll, auch mit Gewalt, verbaler Gewalt in Demokratien, entgegengetreten werden kann. Denn ja, auch die Meinungsfreiheit ist eine Gewalt, eine gewaltige Gewalt sogar. Die Macht der Meinung, reine psychische Gewalt, kann oftmals mächtiger sogar sein als das Schwert.

Gewalt ist unverzichtbar

Gewalt ist nicht gleich Gewalt und Gewalt ist unverzichtbar, weil sie auch nicht aus der Welt verdammt werden kann. Träumer, die anderes meinen!

Deshalb sollte die Gewalt möglichst immer beim Staat liegen, wenn es darum geht die Gesellschaft zu schützen, zusammen zu halten und zu führen.

Individuelle Gewalt als Alternative ist keine gute Alternative. Das sollte vor allem denen ins Poesie-Album hier geschrieben sein, die immer noch von der Gewalt des Staates labern, aber sie überhaupt nicht einmal ansatzweise verstehen, diese zivilisatorische Errungenschaft, dass der Staat richtet und sanktioniert und nicht ein mächtiges Individuum, wie in vergangenen Zeiten, die nicht zu schätzen wissen, was unsere Vorväter und Vormütter uns geschenkt haben, oft mit Blut und Leid dafür bezahlt hatten.

Es ist einfach nur noch traurig für mich, wie rudimentär doch das Wissen um diese Demokratie, diese Gesellschaft auch hier wieder ist, wenn es um unseren liberalen, sozialen Rechtsstaat geht und seine Institutionen. So erklärt sich für mich allerdings auch die gewaltige Oberflächlichkeit im Lande und die Neigung zum Populismus von Regierenden und Opposition im Lande, die Gefahr wieder Demagogen zum Opfer fallen zu können. Längst hat sich nämlich eine solche Querfront von Links bis Rechts, von Oben bis Unten gebildet. Deren Gewalt macht mir wirklich Sorgen, nicht die des Staates, gegen die ich mich immer noch wehren kann, was mir wohl kaum mehr gelingen würde, wenn diese Querfront sich tatsächlich durchsetzen würde.

Gott oder wer auch immer, am besten wir, bewahre uns davor, bewahre uns vor denen, die mit Plattitüden ungewollt deren Spiel spielen und ihnen das Bett gerade wieder einmal bereiten.

Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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