Der Staat gegen Fritz Bauer

Kürzlich sah ich den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ von 2015 auf DVD. Ich bin zuvor durch eine Vorschau darauf aufmerksam geworden, und das war dann auch ein ziemlicher Glücksfall, denn dieser Film ist nicht nur sehr spannend und unterhaltsam, sondern auch eine wirklich gute Geschichtsstunde.

Fritz Bauer gab es nämlich wirklich, er war von 1956 bis 1968 Generalstaatsanwalt von Hessen, und in dieser Zeit liegt auch die Handlung des Films: 1957.

Nun mag man sich fragen, warum denn der Staat gegen einen seiner Vertreter agieren sollte, und das ergibt sich dann auch recht schnell im Laufe der Geschichte. Fritz Bauer war nämlich ein Nazijäger. Und dabei war er gerade einem besonders dicken Fisch auf der Spur: Adolf Eichmann. Ein Argentinier meinte, den SS-Obersturmbannführer, der mit der Organisation der Verfolgung, Vertreibung und Deportation der Juden im Dritten Reich beauftragt war, erkannt zu haben, und teilte dies Bauer in einem Brief mit.

Das Problem, was sich daraus nun ergibt: In vielen entscheidenden Positionen in Polizei, Justiz, Geheimdiensten und auch Politik befinden sich nach wie vor Altnazis. Und Bauer will Eichmann vor ein deutsches Gericht stellen – was dann dazu führen würde, dass dabei viele Namen von Mittätern publik würden, die das natürlich nicht wollen.

„Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland.“ So lautet ein bekannter Ausspruch von Fritz Bauer. Und das erweist sich auch als Tatsache, denn bis auf den jungen Staatsanwalt Karl Angermann (der tatsächlich eine fiktive Figur ist, die aufgrund der Dramaturgie in das ansonsten authentische Geschehen eingefügt wurde) findet Bauer wenig Unterstützer, sodass er sich letztlich an den israelischen Geheimdienst Mossad wendet. Und das ist ein Vorgehen, dass gemeinhin als Landesverrat eingestuft wird.

Insofern ist das Ganze alles andere als ein dröger Justizstreifen, sondern ausgesprochen spannend erzählt. Auch wenn viele schon wissen dürften, wie das mit Eichmann ausging, so ist doch in diesem Film der Weg, wie es dazu gekommen ist, das Ziel.

Was einem vor allem auf erschreckende Weise klar wird: Eine Entnazifizierung hat es im Endeffekt in der Bundesrepublik nie wirklich gegeben. Die alten Seilschaften aus dem Dritten Reich funktionieren immer noch, man kennt, beschützt und protegiert sich gegenseitig, und jemandem wie Bauer werden, wo es nur geht, Steine in den Weg gelegt.

Ich habe mir, nachdem ich den Film sah habe, mal das Wikipedia-Profil von Hans Globke, der auch explizit erwähnt wird, angeschaut. Globke war von 1953 bis 1963 Leiter des Bundeskanzleramts unter Konrad Adenauer, galt als eine Art graue Eminenz der CDU und rechte Hand Adenauers zu seiner Zeit und kontrollierte den Bundesnachrichtendienst (BND) und den Verfassungsschutz.

Während der Nazizeit war Globke allerdings als Jurist an zahlreichen antisemitischen Gesetzten federführend beteiligt, u. a. an den Nürnberger Rassengesetzen. Er war also nicht nur ein kleiner Mitläufer, der in der NSDAP war, weil er sonst seine Arbeitsstelle verloren oder keine Karriere hätte machen können, sondern ein waschechter Antisemit, Nationalsozialist aus Überzeugung und Protagonist beim Verfassen der Gesetze, welche den Holocaust ermöglicht haben. Na ja, seiner späteren Karriere in der CDU hat das nicht geschadet, wie man sieht. Was daran deutlich wird: Die CDU hat schon immer eine deutliche rechtsextreme Schlagseite gehabt, die nicht erst jetzt mit Typen wie Hans-Georg Maaßen zutage tritt, sondern auch schon zu Adenauers Zeiten sehr präsent war.

Daher ist „Der Staat gegen Fritz Bauer“ nicht nur die Geschichte eines aufrechten Generalstaatsanwalts, sondern auch ein Stück bundesdeutsche Geschichte, die zeigt, dass es da doch mehr Kontinuitäten nach dem Nationalsozialismus gab, als es sich viele eingestehen wollen. Und damit bietet der Film auch einen größeren Erklärungsrahmen für den seit einigen Jahren offen zu beobachtenden Rechtsruck in Deutschland.

Dieser Film (Dauer: 105 Minuten) sollte also Pflichtprogramm im Geschichtsunterricht werden – und ist auch sonst unbedingt empfehlenswert!

Die DVD (und auch die Blu-ray) bekommt man bereits für wenig Geld, zum Beispiel hier – und natürlich bitte nicht bei Amazon kaufen! Die Anschaffung lohnt sich allemal, weil „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ein Film ist, den man sich nicht nur gut mehr als einmal anschauen, sondern auch prima an Freunde ausleihen kann.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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