Bundesgerichtshof entscheidet für die Bausparkassen

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung gefällt, die ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient hat, als sie tatsächlich bekommen hat: Er hat den Bausparkassen erlaubt, alte Verträge einfach so zu kündigen, da die dort versprochenen Zinsen so hoch sind, dass sie nun nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll erfüllt werden können.

Klingt erst mal nicht so spannend, ist aber eine ziemlich wichtige und rechtlich elementare Sache, denn dadurch wird das Vertragsrecht einfach mal so ausgehebelt. Eine der wenigen kritischen Stimmen dazu stammt von Heribert Prantl in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, der treffend (und als ehemaliger Staatsanwalt und Richter auch fundiert) dazu meint:

Der Bundesgerichtshof hat mit einem Kernsatz des Rechts gebrochen. Dieser Satz heißt: Pacta sunt servanda/Verträge muss man halten. Die höchsten Zivilrichter haben das Risiko bei Bausparverträgen von den Kassen auf die Kunden abgewälzt – entgegen dem klaren Vertragswortlaut. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung die objektiv Stärkeren, nämlich die Bausparkassen gestärkt, wohl um das Modell Bausparkasse nicht zu gefährden. Die Richter haben sich zum Gebrechlichkeitspfleger von Wüstenrot und Co. gemacht. Das ist nicht gut, das ist nicht ihre Aufgabe.

Pacta sunt servanda/Verträge muss man halten: Das ist nicht einfach nur ein Sprüchlein für Festreden; das ist ein rechtlicher Elementarsatz. Er gilt für Mieter und Vermieter, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für Käufer und Verkäufer – er gilt auch für Bausparkassen und Bausparer. Gilt? Man muss seit Dienstag sagen: Er galt auch für Letztere. Die Richter haben den Satz geändert. Er lautet nun, dass eine Bausparkasse einen Vertrag nur so lange halten muss, wie ihr dieser Vertrag guttut.

In einem Artikel in der FAZ (wen wundert’s) begrüßt man diese Entscheidung hingegen.

Kritische Leserommentare zum FAZ-Artikel finden sich auf den NachDenkSeiten, z. B. von J. A.:

Auch die FAZ selber pocht doch immer auf das „pacta sunt servanda“, z. B. wenn die Regeln des Maastricht-Vertrags gebrochen werden. Auch sind ja niedrige oder gar Negativ-Zinsen des Teufels und hohe Zinsen quasi ein Bürgerrecht, jedenfalls, wenn Staaten sie bezahlen müssen. Und, natürlich, preist die FAZ seit Jahren die angeblichen Vorteile der privaten Kapitalanlage z, B. gegenüber der Umlagerente. In diesem Artikel wirft die FAZ alle ihre angeblichen Überzeugungen über Bord und begründet das – etwas kontraintuitiv – mit dem Interesse der Kunden (!!) („Für die Bausparer […] ist die Entscheidung gut. Denn sie gibt ihnen nun mehr Planungssicherheit.“) und dem angeblich legitimen Interesse der schwächer werdenden Bausparkassen („Die durch die Niedrigzinsen bedrohten Bausparkassen haben jetzt mehr Spielraum, um die hoch verzinsten und damit teuren Altverträge loszuwerden.“). Was ist das hier? Unlogisch? Heuchelei? Propaganda? Beihilfe zum Betrug? Oder schlicht die gute, schlechte FAZ, die Unternehmerinteressen jederzeit über alle anderen Interessen stellt?

Dieses Thema geht nicht nur die Besitzer der 30 Mio. Bausparverträge in Deutschland etwas an, sondern könnte sich als Präzedenzfall reichlich verselbstständigen: Unternehmen können sich nun auf dieses Urteil berufen, wenn sich Verträge im Nachhinein als unwirtschaftlich erweisen. So ist Lockangeboten Tür und Tor geöffnet.

So geht also Rechtsprechung für Konzerne und gegen die Bevölkerung …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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