Präsidentschaftswahl in Frankreich, erste Runde

In den allgemeinen Jubel, der in den deutschen Medien zum Ausgang respektive zum Zwischenergebnis der Wahlen in Frankreich heute morgen verkündet wird, kann und will ich nicht einstimmen. Denn die Verhinderung einer Marie Le Pen, die das europäische Projekt und die gesamte Währungsunion wohl vorzeitig zum Scheitern gebracht hätte, ist noch kein Grund zum Jubeln, wenn die Kehrseite der Medaille – die Wahl Macrons – auf nichts anderes hinauslaufen dürfte als die Fortsetzung des bisherigen „deutschen Modells“: eines exportorientierten, merkantilistischen Europas, auf das Frankreich nun mit einer eigenen Agenda-Politik – wie auch immer die nun aussehen mag – einschwenken wird.

Ein Gastartikel von Michael Bond.

Nun lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob es nicht zielführender gewesen wäre, wenn Deutschland sich zu Beginn der Währungsunion in seiner Wirtschaftspolitik mehr an Frankreich respektive den Euroraum angepasst hätte (z. B. mit einer auf die Entwicklung Europas ausgerichteten binnenorientierten Nachfragepolitik). Nur ist dieses – leider nie gezeugte – Kind längst in den Brunnen gefallen. Jetzt wird sich Frankreich endgültig der ökonomischen Hegemonie Deutschlands beugen. Mit allen sozialpolitischen Folgen für Frankreich. Da muss man keine Glaskugel benutzen oder in den Kaffeesatz schauen, welche politischen Auswirkungen das dann in fünf Jahren bei den nächsten Wahlen in Frankreich haben wird. Da kann sich Le Pen eigentlich bequem in ihren Stuhl zurücklehnen und einfach abwarten.

Es sei denn, Deutschland und Frankreich ergriffen die allerletzte Chance zur Erhaltung der Währungsunion – oder sogar eines Schrittes zurück – jetzt gemeinsam. Dieser politische Wille aber würde implizieren, sich das komplette Scheitern des bisherigen europäischen Projekts und des wirtschafts- und währungspolitischen Konstrukts in den letzten 15 Jahren einzugestehen. Vor allem auf Seiten der deutschen Politik. Denn hier wurde am meisten versagt. Die Marktlogik einer Währungsunion war nie vereinbar mit einem deutschen Festhalten an der weiteren Eroberung von Exportmärkten. Eine solche Politik spaltet langfristig Gesellschaften, führt sie aber nicht zusammen.

Es ist schon seltsam. In diesen Tagen sehne ich mich doch glatt nach einem Politiker wie Kohl (den ich nie ausstehen konnte). Der würde die europäische Dimension jetzt begreifen und dafür sogar seine spätere Abwahl in Kauf nehmen.

Auch außenpolitisch und sicherheitspolitisch steht für Europa viel auf dem Spiel. Der kommende französische Präsident wird innenpolitisch ein Einzelkämpfer sein und auf relativ schwachen Füßen stehen. Bin sehr gespannt, was von diesem französischen Kennedy zu erwarten sein wird. 

ICH kenne DIE. Die Hoffnung stirbt aber immer zuletzt.

Jetzt erwarte ich klare Einsichten und eine totale Umkehr in der deutschen Wirtschaftspolitik vonseiten deutscher Politiker. Hört endlich mal die Signale. Es ist bereits fünf nach zwölf. Die krude deutsche Außenwirtschaftspolitik ist weder gegenüber Europa noch gegenüber dem Rest der Welt weiter zu verantworten. Es ist weder ein fairer ökonomischer Wettbewerb noch eine politisch kluge, langfristige Strategie.

Es gibt derzeit kein Modell Europa, das anderen Ländern oder Blöcken in irgendeiner Art und Weise als Vorbild dienen könnte. Die sogenannten europäische Werte, die es zu verteidigen gilt, sind längst zahlreich im Mittelmeer versunken und unterscheiden sich inzwischen kaum noch von denen in kruden Diktaturen oder von den einstigen Vorbildern aus dem angloamerikanischen Raum, die als Demokratievorbilder schon lange nicht mehr ihre Tauglichkeit unter Beweis stellen. Ganz im Gegenteil.

Europa braucht ein grundsätzlich neues Gesamtkonstrukt und ein neues langfristig tragfähiges Konzept. Ein „Weiter so wie bisher“ ist zum Scheitern verurteilt, und Europa würde schon mittelfristig zu einer Peripherie in der Weltwirtschaft werden. Auf die Weise ist der Euro jedenfalls nicht zu erhalten.

Wer die Demokratie in Europa dauerhaft erhalten will, der muss jetzt eine komplette Kehrtwende in der Außenwirtschaftspolitik von der deutschen Politik einfordern.

Die zukünftige Europapolitik muss zum alles bestimmenden Wahlkampfthema bei der Bundestagswahlen im kommenden Herbst werden. Es ist in keiner Weise erkennbar – weder bei der CDU noch bei der SPD -, dass man vom gegenwärtigen Kurs einer europafeindlichen und den Euro sprengenden Wirtschaftspolitik auch nur einen Deut abweichen wird.

Im Gegenteil. Frankreich wird sich jetzt mit einer eigenen Agenda-Politik auf einen Wettbewerb mit Deutschland einlassen, der vornehmlich den Vermögens- und Konzerninteressen dienen wird. Ein derartiger Finanzkapitalismus wird Europa aber weiter spalten. Europa sollte so vernünftig sein, sich erst einmal auf sich selbst zu konzentrieren und die Menschen wieder mitnehmen. Man könnte es fast so ausdrücken: „Im Westen nichts NEUES.“ Allgemeiner Wohlstand findet inzwischen woanders statt.

Der globale Kapitalismus befindet sich gehörig in einer Sackgasse. Denn er wurde zu weit getrieben. Und sowohl der amerikanische Traum als auch die Hoffnung auf ein friedliches und vereintes Europa werden mit diesem gegenwärtigen instabilen Weltwährungssystem nicht erfüllt werden können.

Insofern besteht nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika dringend Handlungsbedarf. Die Zeichen stehen hier eher auf Konfrontation statt auf Kooperation. Anders kann man die harte Haltung eines Finanzministers Schäuble und seine fehlenden Einsichten in außenwirtschaftliche Zusammenhänge leider nicht deuten.

Dieser ordoliberale Pfennigfuchser ist irgendwo in der Nationalökonomie der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts stehen geblieben. Wenn so einer dann auch noch zu den beliebtesten Politikern im Lande gewählt wird, muss man sich nicht nur bei Nacht Sorgen um die Zukunft Deutschlands und Europas machen. Dort scheinen immer noch Fussballweltmeisterschaften und Exportweltmeisterschaften gleichermaßen Jubelstürme zu entfachen. Obwohl Letztere für die Weltwirtschaft auf Dauer einen erheblichen Schaden anrichten.

Wann wird Deutschland endlich mal erwachsen?

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3 Gedanken zu „Präsidentschaftswahl in Frankreich, erste Runde“

  1. Dass Macron mitnichten sozialliberal, sondern eben ein stramm neoliberaler Elitensprössling ist, bestätigen sich gerade massiv bei einem Blick auf das vom neuen französischen Präsidenten einberufene Kabinett, wie aus einem Kommentar in der Zeit hervorgeht:

    Tönte Macron noch vor seiner Wahl, er wolle, dass das französische Volk in der Regierung repräsentiert sei, so finden sich dort nun vor allem Personen, die man mit Fug und Recht als Geldadel, Elite und Establishment bezeichnen kann – also im Prinzip Leute mit einem ähnlichen Hintergrund wie Macron selbst.

    Das mag im Hinblick auf die Parlamentswahlen im kommenden Monat taktisch durchaus klug sein, zeigt aber vor allem, was Frankreich nun unter seinem neuen Präsidenten zu erwarten hat: eine Art Agenda 2010.

    Und wenn man sich dann noch anschaut, wie in einem Artikel von German-Foreign-Policy.com darauf hingewiesen wird, dass die neue Regierung zudem auch noch reichlich deutschfreundlich sei und viele Verbindungen in deutsche politische und elitäre Kreise hat, dann wirkt das fast so, als wolle sich Macron Rückendeckung für die zu erwartende antisozialstaatliche Politik beim derzeitigen europäischen Hegemon Deutschland sichern. Das lässt alles nichts Gutes erwarten und dürfte zudem Wasser auf die Mühlen der nationalistisch agitierenden Kritiker einer solchen Politik sein.

    Marine Le Pen wird’s freuen …

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