NATO-Ausgaben mal ein wenig quer gedacht

Höhere Verteidigungsausgaben könnten ein Segen sein, für unsere Volkswirtschaft und für die Menschen hier und vor allem für Europa und dem Euro. Anstatt 2 % sollten wir deshalb 4 % des BIP ins Auge fassen, gern auch 6 oder 8 %.

Wahnsinn, werdet Ihr jetzt denken. Ist der Mann verrückt geworden?

Nein, ganz im Gegenteil, allerdings setze ich ein völlig neues, anderes Denken voraus, wenn es um die Verteidigungsfähigkeit geht, auch um die Verteidigungsfähigkeit, die Ökonomie und den Sozialstaat gemeinsam weiterzuentwickeln, den Rechtsstaat und letztendlich die Demokratie wieder sicherer zu machen. Wir sollten also durchaus Trump hier folgen bei seinen Forderungen; mit eigenen Ideen allerdings, selbst die Gestaltung übernehmen und sie nicht seiner „schöpferischen Zerstörung­“ weiterhin anheimfallen lassen. Denn wenn er gestaltet, kommt nur mehr Militär heraus, Aufrüstung und Konfrontation, wird die Welt nur noch unfriedlicher, werden die Technokraten des Todes nur noch mächtiger werden, wäre weniger dann wirklich mehr.

Verteidigung muss anders gedacht werden als bisher ausschließlich über die Waffensysteme oder die Anzahl der Soldaten, muss weit darüber hinaus gedacht werden, komplexer gedacht werden. Macht man das, so wird schnell klar, dass eine gute Verteidigungspolitik eine gute Infrastrukturpolitik beinhalten muss, im Äußeren wie im Inneren.

Im Äußeren war es deshalb durchaus richtig von den Koalitionären, die Entwicklungshilfe hier mit in die Kalkulation einzubeziehen, müsste man nur noch viel mehr tun, als bisher geplant. Eine Milliarde sogar weniger als versprochen, nun vom Bundesfinanzminister geplant im Haushalt, ist sogar ein fatales Zeichen, schwächt uns mittel- und langfristig sogar, weil der Druck aus dem Süden bestimmt nicht geringer wird, deshalb dort Druck aus dem Kessel genommen werden müsste durch eine großzügige und effiziente Entwicklungspolitik und eine andere Wirtschaftspolitik gegenüber den Entwicklungsländern, den Schwellenländer, eine andere Währungspolitik, als uns IWF und „Experten“ derzeit für die Welt verordnen. Entwicklungsausgaben sind deshalb durchaus auch als Ausgaben für die Landesverteidigung anzusehen, „Marshall-Pläne“, nicht nur für Afrika, längst überfällig. So verstanden, wäre es durchaus sinnvoll, mit der Landesverteidigung am Hindukusch zu beginnen.

Aber zurück zur Innenpolitik Deutschlands und indirekt auch Europas. Gerade Deutschland hätte hier eine große Chance, würde Deutschland sie erkennen, und ich meine damit nicht die 800 Beschäftigten von Heckler & Koch oder die wenigen anderen in der Rüstungsindustrie, denen hier nämlich gerade nicht von mir das Wort geredet werden soll, nein, ganz im Gegenteil.

Verteidigungspolitik in Deutschland muss im Inneren endlich auch, derzeit vor allem, über die Infrastruktur gedacht werden. Was nützen die besten Waffensysteme, wenn sie nicht an den Ort des Geschehens gelangen können, wenn sie viel zu lange brauchen, um dort hinzukommen, wenn sie kommen und dort schon vollendete Tatsachen geschaffen worden sind? Offensichtlich nützen sie nicht viel, außer dass sie, dann eingesetzt, nur zur Eskalation des Konfliktes taugen. Was nützen französische Divisionen beispielsweise, wenn sie Wochen bräuchten, um nach Polen zu kommen, Monate um das Baltikum zu erreichen? Schon hieran ist zu erkennen, wie wichtig eine gute Verkehrsinfrastruktur ist, wie fatal es war, diese hier bei uns auf Verschleiß zu fahren, nur für das Auto zu gestalten, Brücken marode werden zu lassen, die Schiene  weitestgehend außen vor zu lassen, deren Netz „gesund“ zu schrumpfen für einen überflüssigen, weil falschen Versuch, die Bahn an die Börse zu bringen –  der mittlerweile ausgesetzt ist -, ebenso wie die notwendigen Reparaturbetriebe „gesund“ geschrumpft worden sind. Ein fataler Irrtum, wie auch die NATO mittlerweile beklagt, nicht nur die vielen Fahrgäste, die Logistikunternehmen beklagen, die Regionen beklagen, welche vom Netz abgehängt worden sind und damit auch von der wirtschaftlichen Entwicklung. Hier zu investieren wäre besser, als zusätzliche Divisionen aufzustellen, zusätzliche Waffensysteme zu beschaffen, auch für die Landesverteidigung, auch für die NATO. Hier zu investieren ist durchaus auch als Ausgabe für die Verteidigung anzuerkennen, wenn sie über die betriebswirtschaftlichen Vorgaben hinaus endlich wieder erfolgen würden. Hier zu investieren könnte dann sogar Ausgaben in Waffensysteme langfristig einsparen, in Soldaten einsparen, der Wirtschaft nicht weiterhin Intelligenz entziehen, die wir dort mehr und besser gebrauchen könnten als im unproduktiven Bereich der Verteidigung des herkömmlichen Denkens. Diese Investitionen würden sich für uns alle lohnen, wären sie Teil des NATO-Zieles, würden Beschäftigung und, richtig gemacht, auch wieder Volksvermögen schaffen können. Wer sollte dagegen etwas haben?

Aber nicht nur die Verkehrsinfrastruktur gilt es hier zu beachten. Alle Netze sind Infrastruktur und sind militärisch notwendig, sind vor allem auch unter militärischen, unter Sicherheitsaspekten zu betrachten. Der Krieg, der eigentlich heute schon täglich weltweit stattfindet, wird zunehmend im Cyber-Raum stattfinden. Städte von der Stromversorgung abzuschneiden ist heutzutage keine Utopie mehr, wäre ähnlich zerstörerisch wie die großen Bombardements im Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar noch zerstörerischer. Wäre es nicht sinnvoll, dies endlich zu erkennen? Wäre es nicht sinnvoll, die notwendigen Investitionen hier auch als Verteidigungsausgaben anzusehen? Ich denke schon. Netze, die nicht auf betriebswirtschaftliche Effizienz hin allein geplant und unterhalten werden, die Puffer schaffen, die freie Ressourcen bereitstellen, um sich selbst gegen Eventualitäten schützen zu können, bei Bedarf abgeschaltet werden können, ohne die Stadt vom Strom, vom Internet ganz trennen zu müssen, vielleicht überhaupt nicht trennen zu müssen.

Das Schöne an diesem Vorgehen wäre nicht nur die größere Verteidigungsfähigkeit, die wir damit erreichen könnten, vielleicht sogar mit viel weniger Waffen und Soldaten, es wäre auch wirtschaftlich sinnvoll, weil u. a. der Brain-Drain durch das Militär zulasten der ökonomischen Wohlfahrt geringer ausfallen würde als derzeit, als er ausfallen würde, würde man die Verteidigungsfähigkeit – wie bisher – einzig an den Ausgaben für die Verteidigung, also für Mannschaften und Gerät, festmachen, nur Trump Folge leisten, was bei mir angesichts der militärischen Fähigkeiten der NATO im Vergleich zu Russland sowieso auf wenig Verständnis trifft. Darüber hinaus wäre es auch für die Ökonomie, für das Bruttoinlandsprodukt positiv, würde endlich die fehlenden Investitionen freisetzen, die im bisherigen Denken von Staat, Gesellschaft und Ökonomie viel zu kurz gekommen sind. Es könnte sogar dazu dienen, Konjunkturschwankungen ausgleichen – richtig gemacht, flexibel nämlich gemacht -, würde Beschäftigung und Arbeitsplätze schaffen, würde Regionen wieder anbinden können – gerade bei der Schiene, aber auch beim Internet -, würde Steuern und Sozialbeiträge generieren usw., usw., usw. – und damit unserem Sozialstaat helfen, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, und zwar ohne auf Vorschläge des ehemaligen BDI-Präsidenten zurückgreifen zu müssen und wirklich die Rente erst mit 85 zu zahlen, auch weil wir derzeit den fantasielosen Budgetdenkern das Steuerruder, die Navigation und das Kommando übertragen haben – übrigens auch in den meisten großen Unternehmen.

Dieses neue, kreativere Denken würde dann auch ein Umdenken im Bereich Privatisierung mit sich bringen. Denn natürlich hat Trump recht, wenn er sagt, dass bestimmte Güter und Dienstleistungen als sicherheitsrelevant einzustufen sind. Seine Argumentationen hinken allerdings, und seine Lösungen sind die falschen, aber seine Argumente deshalb nicht per se falsch. Sicherheit kann man, sollte man aber nicht, Privaten in die Hände geben, sie von privaten Interessen abhängig machen, vor allem nicht dann, wenn man die Sicherheit des Landes größer fasst als nur als militärische Abschreckungsfähigkeit. Dass das ein Fehler wäre und war, haben doch die letzten Jahrzehnte deutlich gezeigt, die auch die Infrastruktur marode haben werden lassen, ob Schulen, Brücken, Autobahnen, Schienen, oder nicht ausreichend aufgebaut haben, wie Stromnetze und Internet in Deutschland. Die Lehre muss sein, dass das, was für uns sicherheitsrelevant ist, daseinsrelevant ist es sowieso, nicht in private Hände gehört, dem Staat als originäre Aufgabe wieder übertragen werden muss. Denn er kann es besser, das hat er gezeigt in den Jahren des Wiederaufbaus und danach, so lange, bis die Liberalen das Gegenteil behaupteten und grandios eigentlich gescheitert sind, schaut man genau hin, auf die Pflege beispielsweise, auf die Netze beispielsweise, auf die dem Trickle Down geschuldeten maroden Schulen, die schlechte Versorgung mit Wohnraum, die sterbenden Regionen in Europa und auch in Deutschland.

Die Menschen hier hätten durch die Reprivatisierung, durch den Ausbau, die Wiederherstellung der einzelnen Infrastrukturbereiche nur Vorteile, die Sicherheit, die innere, wie die äußere, aber auch die soziale Sicherheit, würde nur besser werden, Arbeit wäre in Fülle da, und auch die Migration würde endlich wieder als Chance begreifbar werden und nicht als reine Bedrohung, meist für die, die vom Trickle Down, von der neoliberalen Art der Globalisierung, nicht profitiert haben, wahrgenommen werden, die Demokratie wieder gefestigter werden.

Es würde Europa helfen, und dem Euro würde es helfen, wenn wir so umdenken würden, wenn wir hier investieren, unsere Handelsbilanzüberschüsse abbauen würden, weil wir natürlich auch mehr importieren würden, importieren müssten als bisher, Arbeit auch in Europa schaffen würden, den Druck vom Euro nehmen würden, den wir doch selbst jedes Jahr erhöhen, eben weil wir im Inneren abgewertet haben, Löhne und Gehälter real gekürzt hatten, Transfers oft nicht mehr zum Leben reichen, sie aber zum Sterben zu viel noch sind. Kurzum, so zu denken wäre in unser aller Interessen, auch im Interesse derer, die viel zu reich geworden sind, auch wenn man es ihnen sicherlich erklären müsste, sie wahrscheinlich zu ihrem Glück zwingen müsste.

Ich sehe viele Vorteile, so die Verteidigung zu denken, sie auf eine breitere gedankliche Basis zu stellen, als sie die sogenannten Verteidigungsexperten beiderlei Geschlechts derzeit denken. Eben mal quer zu denken, in größeren Zusammenhängen zu denken, weniger in Feindbildern, mehr in Nutzen, im Gesamtnutzen. Ob das mit Trump geht? Ich weiß es nicht. Aber dass Putin sich durch neue Straßen, Schienen, Netze hier bedroht fühlen würde, das glaube ich kaum. Die NATO-Diskussion könnte deshalb durchaus ein Segen sein, wenn sie gestaltet würde durch Menschen, die über den Tellerrand hinausdenken können, die nicht nur in Waffensystemen, Soldaten und Wirtschaftssalden zu denken bereit wären, die kreativ mit Trump und dem Thema Verteidigung umzugehen wüssten.

Natürlich ist das hier von mir nicht mehr als ein Gedankenanstoß, auch um wieder dazu anzuhalten, über Budgets hinauszudenken, nicht immer nur in Schwarz und Weiß zu denken. In der Zukunft wird nämlich nur kreativ mit den Herausforderungen, vor die sie uns immer stellt, um zu gehen sein oder gar nicht. Und weder Neinsager noch Jasager werden sie für uns gewinnen können.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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