Berthold Seliger: Das Geschäft mit der Musik

Einen interessanten Einblick in die Musikindustrie bietet Berthold Seliger in seinem 2013 erschienen Buch Das Geschäft mit der Musik. Und dieser ist nicht nur für Musiker oder Musikfreaks interessant, denn viele Entwicklungen in der Musikbranche sind auch symptomatisch für die gesamte Wirtschaft. Seliger beleuchtet dabei sowohl die Live- als auch die Tonträgerindustrie und kommt ebenfalls ausführlich auf die Gebiete Urheberrecht (hier als Sonderaspekt auch die Gema), Sponsoring und Journalismus zu sprechen, zudem beleuchtet er die soziale Situation von Musikschaffenden in Deutschland und auch den Einfluss der Politik.

Seliger selbst ist nicht nur Autor (auch journalistisch für z. B. die Berliner Zeitung, den Freitag und Konkret im Bereich Musik- und Kulturpolitik), sondern betreibt auch seit vielen Jahren eine Konzertagentur. Dass er mit Herzblut bei der Sache ist, merkt man seinem engagierten Stil an, was ihn jedoch nicht daran hindert, den Leser mit einer Menge Fakten und Zahlen zu füttern, die mitunter doch recht überraschend sind und ein bezeichnendes Bild des heutigen deutschen Musikbetriebs geben. Beispiel: Musiker in Deutschland hatten 2012 im Schnitt ein Jahreseinkommen von 10.228 Euro (Zahlen der Künstlersozialkasse, also nur Musiker, die auch die 3900 Euro Mindestumsatz im Jahr machen, um dort Mitglied sein zu können – Hobbymusiker also nicht inbegriffen), während Gema-Chef Harald Hecker sich jährlich über ein Gehalt von 484.000 Euro freuen darf.

An solchen Zahlen sieht man laut Seliger auch das Dilemma des Musikbusiness (nicht nur) in Deutschland: Die Verwertung von Musik ist finanziell deutlich attraktiver als das Erschaffen ebendieser, was auch an der Entwicklung der großen Ticketanbieter anschaulich dargestellt wird. Dies geschieht alles unter dem Dogma des Neoliberalismus, dessen Destruktivität im Kulturbereich in dem Buch mehrfach hervorgehoben und mit Beispielen belegt wird. Doch Seliger zeigt nicht nur Missstände auf, sondern entwickelt auch zahlreiche Ideen und Konzepte, wie der Musikbetrieb wieder an Vielfältigkeit und Attraktivität für Künstler und Konsumenten gewinnen könnte. Da jedoch in der Musikbranche wie in allen anderen Branchen auch mittlerweile nur noch die Profitinteressen einiger weniger Großkonzerne dominieren und von der Politik bedient werden, dürften diese nur schwer umzusetzen sein – zumindest von offizieller Seite her. Aber wie auch sonst überall gilt hier ebenfalls: Der Konsument kann selbst einiges bewegen, er muss sich dafür nur von den Pfaden der Massenmedien als Sprachrohr der Kulturindustrie entfernen und sich (zum Beispiel im Internet, aber auch in kleinen Clubs oder im Austausch mit anderen Musikinteressierten) selbst ein Stück weit auf die Suche begeben. Das ist nicht nur lohnenswert, sondern auch wichtig, um Musik als Kulturgut zu erhalten.

Auf etwa 350 Seiten gelingt es Seliger also, einen recht umfassenden Einblick ins Musikgeschäft zu geben, dieses fundiert zu problematisieren und Lösungsansätze aufzuzeigen. Dabei bedient er sich einer angenehm zu lesenden Sprache, sodass die Fülle an Informationen recht unangestrengt aufgenommen und verarbeitet werden kann. Absolute Empfehlung meinerseits!

Logistische Infos zum Buch finden sich hier, allerdings wie immer der Hinweis: am besten beim Buchhändler um die Ecke kaufen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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