Wir haben keine Chance! Lasst sie uns nutzen!

Es sind die Systemzerstörer von Links und die von Rechts, die dem System letztendlich das Überleben derzeit sichern, weil sie denen, die das System verändern wollen, den Atem rauben, sie denen an die Seite treiben, die das System unverändert erhalten wollen, auch wenn sie oft so tun, als ob sie es verbessern wollten, könnten, auch in ihrer Halbherzigkeit, in allen von ihnen produzierten Widersprüchen.

Es ist der Hass auf das System, welches dem System derzeit mehr nützt als schadet

Der Hass ist allgegenwärtig und wird offen zur Schau gestellt. Greta muss ihn spüren, die Kids müssen ihn spüren, die, die für besseren Wohnraum kämpfen, müssen ihn spüren, wir alle bekommen diesen Hass zu spüren, wenn wir NUR Veränderungen anstreben und nicht zerstören wollen, oft sogar, wenn wir gar nichts anderes wollen, als zu leben, nur eben nicht so leben wollen, wie die, die sich Zerstörung auf ihr Schild geschrieben haben, es sich wünschen. Wobei: Wie wir dann leben sollen, darauf haben sie meist auch keine Antwort.

Der Zeitgeist scheint auf Sturm zu stehen, denn von Wind kann man hier wohl kaum mehr reden

Deshalb wundert es mich nicht, dass die derzeit Hochkonjunktur haben, die sich Veränderungen nur in homöopathischen Dosen vorstellen können, oder die, die alles in Zweifel ziehen. Kein Wunder, dass die Mitte sich radikalisiert oder weiter ihrem Konsumrausch folgt, meist um sich abzulenken, ihrem individuellen Kontostand entsprechend, oft auch darüber hinaus. Mich wundern die meist in sich widersprüchlichen Antworten genauso wenig wie der Verweis dann auf Realpolitik, diese semantische Clownerie der letzten Dekaden. Oder kennt irgendjemand hier Irrealpolitik? Kann jemand mir erklären, warum nur die Politik des heute Möglichen die einzige Politik wäre, die noch Sinn ergibt? Warum das Streiten um eine bessere, aber eben erst zukünftige Politik falsch sein sollte? Dann, bitte, Feuer frei. Ich lerne gern dazu.

Mich wundert es gar nicht, dass, während alle streiten, die, die handeln, so handeln, dass wir immer weiter ins Gestern zurückschreiten, in einen längst vergessen geschienenen Konservatismus, gut zu sehen an der Jungen Union, den viel zu alten Jungen der Union.

Mich wundert weder der Brexit, noch wundern mich die vielen rechten Parteien, die sich anschicken, gemeinsam Europa und damit uns zu verändern, das zu zerstören, was wir uns einst von Europa versprochen hatten, mehr nämlich als nur einen Binnenmarkt. Deren radikallinke Unterstützer verwundern mich auch längst nicht mehr, ist doch alles gut, was dem System schadet, und vielleicht kann ja aus Ruinen neu erstehen, was man über Wahlen nicht erreichen kann.

Mich wundert auch der boomende Markt für Kreuzfahrten nicht, im Gegenteil, Besuchen sie die Welt, solange sie noch steht, ist eine durchaus logische Schlussfolgerung für die, die sich diese Besuche noch leisten können. Einfach mal weg vom Elend, gemeinsam den Sonnenuntergang genießen. Wer will es ihnen verübeln? Ändern wollen oder können sie doch sowieso nichts, im Gegenteil, solange es so bleibt, wie es ist, haben sie Spaß, haben sie die Möglichkeit, noch viele schöne Dinge zu sehen, zu erleben, die – sie wissen es nur allzu gut – ihre eigene Lebensspanne kaum überleben wird können. Sechstes großes Artensterben? Wo denn, bei den vielen niedlichen Pinguinen im Süden, den lieben Walbabys und den kleinen Heulern an der Nordseeküste, den so sauberen Fjorden in Norwegen …

Deshalb sind auch bestimmte eigentlich unwichtige Themen so modern dieser Tage

Wie beispielsweise die elendige Diskussion um die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Beispiele, warum sie aus der einen Sicht herausgeschmissenes Geld seien, findet man ebenso wie Beispiele, warum sie aus der anderen Sicht herausgeschmissenes Geld seien. Immer sind es Meinungen, die Meinungen der anderen, die dafür herhalten müssen. Man will Meinung hören, aber doch nicht diese Meinung, die schon gar nicht. Einig ist man deshalb darin, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zerstören zu wollen. Was anstatt dessen dann für mehr Freiheit und bessere Information sorgen soll, das sagen sie nicht, die eine wie die andere Seite nicht. Die Leidmedien, wie sie die meisten großen Agenturen nennen, sind es sicher nicht, wie schon diese Verbrämung zeigt, wie der Vorwurf Lügenpresse noch deutlicher macht. Was, das bleiben sie alle schuldig. Irgendwas Exotisches muss wohl her, eben ihrer Meinung vollends entsprechend. Es ist ihnen wohl auch völlig egal, eben weil es doch nur ums Zerstören noch zu gehen scheint, ihr Hass auf das System und alles, was das System geschaffen hat und unterhält, es von ihnen verlangt. Klug nenne ich das nicht! Aber diese Zeiten sind auch alles andere als klug zu nennen, wie auch, wo sie doch chaotisch sind, wie ein Sturm eben.

Große Schnittmengen zur Diskussion um Europa kann ich hier sehen

Dagegen vereint und auch vereint im Offenlassen der Alternativen. Hauptsache zerschlagen, das andere wird sich dann schon finden. Hauptsache erhalten, antwortet dann die andere Seite, alles andere wäre falsch und Populismus. Wie, ist egal, ist etwas, mit dem man sich nicht meint auseinandersetzen zu müssen, und wenn doch, dann verliert man sich in Beliebigkeit von Werten, weil Ziele zu formulieren unmöglich geworden ist, wenn man auf Sicht nur noch zu fahren weiß, weil man längst den Kompass über Bord geworfen hat, weil der Kurs ja klar gewesen schien, das Steuerrad festgezurrt worden ist auf dem Kurs, den das Kapital und deren Eigentümer vorgegeben hatten, den sich kaum jemand mehr traut, in Zweifel zu ziehen, ihn zu ändern. Lieber bleibt man auf Kurs, oder man will den Kahn versenken. Dumm ist beides in meinen Augen.

Als Antwort werden Visionen formuliert, als Ziele dann deklariert, wohlwissend, dass sie Wasser auf die Mühlen der Zerstörer beider Seiten sind, egal!

Visionen, wie die der Grünen oder die von Guérot, nett zu lesen, aber mit wenig Aussicht auf Erfolg. Ziele, die man kurzfristig verfolgen könnte – Fehlanzeige, und wenn doch, so gehen sie im Streit der Ideologien entweder unter oder werden so verwässert, dass mensch gar nicht mehr erkennt, wo das eigentliche Ziel gewesen ist, wo er sich selbst in den Zielen noch wiederfindet, wenn er nicht Konsument, Nachfrager, Verbraucher und Arbeitnehmer oder Arbeitgeber ist, wenn er nicht dem Binnenmarkt, der Ökonomie, dem Ökonomismus dienen kann. Politologen, Juristen, Ökonomen können sicherlich diesen Zielen noch etwas abgewinnen. Mich als recht einfach gestrickten Menschen finde ich allerdings darin kaum wieder, eigentlich gar nicht. Ich weiß nicht, ob ich da so allein derzeit bin? Ich vermute, nicht.

Als Antwort werden Parolen ausgegeben

… leer, weil ohne Inhalt, weil sie auch derzeit nicht mit Inhalt gefüllt werden können, mit welchen denn auch, weiß man doch selbst nicht, was man wirklich will. Beispiel gefällig? Gut, nehmen wir das hier: „Europa ist die Antwort“, mit slash versehen, wir sind doch in der Moderne, heißt das dann bei der SPD #EuropaistdieAntwort. Auch nicht besser. Welche Antworten Europa dann geben soll, da folgt Sprachlosigkeit, auch auf Anfrage. Warum? Weil sie es gar nicht wissen, weil es eigentlich auch egal ist, weil es um Stimmen geht und nicht um Veränderung, weil man nämlich meint, alles liefe schon richtig, man müsse nur ein wenig die Stellschrauben drehen, aber unbedingt Kurs halten will. Aber auch weil man dann im Hier und Heute nicht handeln muss, auf Europa, einen der vielen Godots der deutschen Politik, warten kann. Was für ein Unfug, aber er trägt leider immer noch – und immer noch allzu gut. Und was für die SPD gilt, gilt für alle anderen schon lange!

Was für die EU gilt, gilt natürlich auch für den Euro

Wirkliche Antworten: Fehlanzeige, gar nicht notwendig im allgemeinen Populismus dieser Tage. Paul Steinhardt hat eine schöne Reihe bei Makroskop dazu veröffentlicht, den Parteien einmal auf den Zahn gefühlt, leider nicht kostenlos in der Gänze zu lesen. Ein unterhaltsames, wenn auch erschreckendes Bild, welches er zeichnen muss, nach Vorgaben der Parteien hier zeichnen muss. Ich bin sicher, er würde allzu gern ein anderes, ein besseres Bild zeichnen.

Wir leben in Zeiten der Oberflächlichkeit

Das laste ich dem Individualismus, unserer derzeitigen ideologischen Verbrämung von Gesellschaft, an. Wir leben nicht in Zeiten der Vernunft, des Verstandes, sondern des Ichs und des Ichs über alles, allem und allen, auch über den Verstand.

Wir leben im Stillstand, im Vogel-Strauß-Modus

Wir leben nicht in Zeiten, wo das System repariert werden könnte. Wir leben in Zeiten des Kampfes zwischen Systemumstürzlern und denen, die dieses System erhalten wollen, auch unverändert erhalten wollen, und einer immer kleiner werdenden Bevölkerung zwischen den Fronten, welche immer mehr zerrieben wird. Sehr dynamisch zwar, aber immer nur im Kreis sich drehend, nicht vorwärtskommend, und mit allzu vielen, die längst den Kopf in den Sand gesteckt haben, sich mit Arbeit oder Freizeitverhalten selbst ermüden, nur um nicht ins Denken zu kommen.

Wir müssten eigentlich alles dafür tun, dies zu ändern, und tun es nicht

Wir sind lieber Teil eines Lagers oder zwischen den Fronten, viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt dabei als mit dem, was wirklich nottun würde. Den Kids reicht es deshalb auch, die Kids sind die Einzigen, die derzeit wirklich das System verändern wollen. Und genau das passt weder den Zerstörern noch den Erhaltern und denen, die nun ihre Oberflächlichkeit um die Ohren gehauen bekommen, die sich gut und sicher zwischen den Fronten fühlten und eingerichtet hatten, schon gar nicht.

Ich habe dennoch viel Spaß dieser Tage, Tage, die Till Eulenspiegel wohl auch geliebt hätte

Spaß, weil unsere Zeit viel mehr Satire ist, als die Satiriker uns in die Wohnzimmer bringen können. Mir machen sie Spaß, die, die sich lieber die Köpfe einschlagen, als zu Lösungen beizutragen, Lösungen überhaupt anzudenken, die vielen kleinen Estragons und Wladimirs, Pozzos und Luckys. Ich habe Till Eulenspiegel schon immer sehr geliebt, nicht nur, weil er in meiner Nähe einst geboren worden ist. Nein, weil wir längst seinen Spiegel bräuchten, der uns die Wahrheit sagt, auch darüber, dass Godot nicht kommen wird, um uns zu retten.

Mir scheint die Welt so zu sein wie im Bild des Dorian Gray

Erst als es ihm zeigte, wie er wirklich ist, es ihn dann in den Wahnsinn trieb, in den Mord und dann in den Tod, war der Spuk zu Ende. Erst durch seinen Tod konnte dann das Bild im einstigen Glanz wieder erscheinen, ganz plötzlich.

So plötzlich, wie in Oscar Wildes Meisterwerk, wird es allerdings hier nicht gehen, wenn wir dem Wahnsinn ganz verfallen sein werden, uns zuletzt selbst umgebracht haben werden. Aber die Natur findet einen Weg. Er wird Zeit brauchen, aber neuer Glanz, ohne uns, wird sicher wieder entstehen. Da bin ich ganz sicher. Das ist dann auch das Einzige, was ich diesen Zerstörern und diesen Oberflächlichen in ihrer gemeinsamen Mehrheit noch abgewinnen kann: Jeder Schrecken endet irgendwann. Nicht viel, aber immerhin etwas und nicht alles, so hoffe ich, mit den Kids gemeinsam, was die Menschheit noch leisten kann.

Sie haben eigentlich keine Chance, die Kids, aber sie nutzen sie dennoch! Sie sind mir Vorbild!

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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