Es herrscht Krieg

Vor ein paar Tagen schrieb ich hier auf unterströmt ja einen Artikel über die Kriegsrhetorik von Bundespräsident Gauck im Gegensatz zu den kapitalismuskritischen Äußerungen des Papstes, der den Krieg als notwendigen Bestandteil dieses Wirtschaftssystems brandmarkte. Am Schluss kam ich dann auf die Militarisierung der Polizei zu sprechen, deren Einsatz nun auch, wie dieser Telpolis-Artikel zeigt, durch die gerade beschlossene sogenannte Solidaritätsklausel legitimiert wird. Es findet also eine Aufrüstung gegen den eigenen Bürger statt in der EU. Doch wäre ein derart militantes Vorgehen nur noch eine weitere Stufe in einem Krieg, der schon lange geführt wird, und zwar zumindest in unseren Breiten nicht von uniformierten und bewaffneten Soldaten, sondern von Kämpfern mit Schlips und Kragen. Doch deren Vorgehen ist nicht weniger verheerend, dafür aber schwerer als Kriegshandlung zu erkennen. Sie sind die Soldaten im Krieg der transnationalen Konzerne und einiger sehr reicher Einzelpersonen gegen die Weltbevölkerung. Klingt vielleicht etwas martialisch, aber trifft es leider genau.

Warren Buffet ist ein schlauer und sehr reicher Mann mit einem geschätzten Vermögen von 65 Milliarden Dollar, das er überwiegend durch Spekulation und Großinvestitionen angehäuft hat. Er weiß, dass er durch sein vieles Geld quasi unangreifbar ist, daher kann er es sich auch leisten, ehrlich zu sein, und sagte schon 2006 frei heraus:

Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen. (Quelle: Wikipedia)

Auch der Kabarettist Gerog Schramm kommt in seinem (über weite Strecken nicht kabarettistischen, aber nichtsdestotrotz sehr sehenswerten) Redebeitrag bei der diesjährigen Jahresversammlung der GLS Bank auf dieses Buffett-Zitat zu sprechen und führt aus, in welcher Art und Weise dieser Krieg geführt wird, indem er die Finanzkrise von 2008 als Schlacht dieses Krieges definiert und deren Entstehung und Auswirkungen vor diesem Hintergrund schildert. Schon zwei Jahren zuvor äußerte er sich anlässlich einer Preisverleihung ähnlich und fügte dazu an:

Die (…) Oligarchen und ihre Truppen haben uns den Krieg erklärt, jetzt meine Frage: (…) Welcher Waffengattung bin ich zugeteilt und was ist mein Auftrag?

Ich bin Marlene Dietrich und mein Auftrag lautet: Hebung der Kampfmoral bei den Kameraden an der Front. Nebenbei verteile ich noch Munition für den Kampf um die Lufthoheit über den Stammtischen. Aber wenn man es so betrachtet, dann gehöre ich gar nicht zu den Kampftruppen meine Damen und Herren, ich bin Truppenbetreuer und Versorger. (Quelle: Friedensblick)

Auch Orlando Pascheit von den Nachdenkseiten wird in seiner Kommentierung einiger Artikel über das geplante Freihandelsabkommen TTIP (s. hierzu diverse Artikel hier auf unterströmt) sehr deutlich:

Wie wenig bietet da die TTIP. Keine martialischen Bilder, Panzer, Explosionen, keine Leichen, sondern einige farblose Anzugträger mit den übliche Sprechblasen. Und dennoch herrscht hier ein Krieg, der nach außen unblutig wirkt, aber in Wirklichkeit nicht nur die bisherige Form des Wirtschaftens, sondern unsere Gesellschaft bedroht.

Thomas Fritz bezeichnet in seinem Artikel Geheimwaffe TTIP: Der Ausverkauf der öffentlichen Güter das Freihandelsabkommen mit einem militärischen Begriff und führt aus, in welcher Art und Weise hierdurch nicht nur Sozialstandards, sondern auch die Demokratie an sich bedroht werden. Sein Fazit:

Es bedarf eines Endes dieser intransparenten Verhandlungen – auch und nicht zuletzt, um die Demokratie vor dem Allmachtsanspruch der Konzerne zu schützen.

Die hier angesprochene Intransparenz und Geheimhaltung, die bei den Verhandlungen der Abkommen TTIP und TISA vorherrscht, zeigt zudem, dass das Volk von den Verhandelnden als Feind gesehen wird, dem man nichts über Beschlüsse verlautbaren lassen darf, da diese eindeutig zu dessen Nachteil sein werden. Hier sei an das Zitat von US-Politiker Hiram Johnson erinnert:

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. (Quelle: Zitate-online.de)

Nun wird TTIP ja zwischen Staaten verhandelt, sodass man sich zu Recht einwenden kann, dass es da ja wohl vielmehr um einen Krieg der Politiker gegen ihre Bevölkerungen geht. Allerdings ist dann einzuwenden, dass Politiker kaum mehr tatsächlich Entscheidungen treffen, die nicht von transnationalen Konzernen gefordert sind und ebendiesen dann auch entsprechende Vorteil verschaffen. Einen sehr interessanten Artikel von Susan George hierzu gibt es in den Blättern für deutsche und interationale Politik zu lesen, in dem dargestellt wird, wie groß und weitreichend der Einfluss von transnationalen Konzernen über Lobbyismus und Korruption auf politische Regierungen ist, sodass immer wieder Gesetze verabschiedet und Beschlüsse gefasst werden, die ausschließlich den Interessen der Konzerne dienen und dabei dem Gemeinwesen erhebliche Schäden zufügen. Zudem werden Institutionen der EU und auch der UNO beschrieben, die nicht demokratisch legitimiert, sondern lediglich mit Konzernvertretern besetzt sind und die mittlerweile direkten Einfluss auf die politische Arbeit dieser Organe haben. Bezogen auf das TTIP betitelte Stefan Sauer seinen Kommentar in der Frankfurter Rundschau: Demokratische Kontrolle ausgehebelt. Und auch Horst Seehofer, nun ja bestimmt kein Linker, verkündete frei heraus bei der ZDF-Sendung Pelzig hält sich:

Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden (hier bei YouTube zu sehen).

Politiker (zumindest auf Staatsebene, vermutlich aber auch schon in den meisten Landtagen) sind also anscheinend nur Erfüllungsgehilfen, die im Auftrag von transnationalen Konzernen agieren, sozusagen als eine Art Offizierkorps in diesem Krieg. Unter diesem Aspekt wird dann auch klar, warum es keine politische Aufarbeitung oder gar Konsequenzen aus den ungeheuren Enthüllungen von Edward Snowden zur allumfassenden Bespitzelung der weltweiten Bevölkerung durch die NSA gibt: Es ist eben nicht nur wichtig, seinen Feind zu kennen und deswegen auch Hand in Hand zusammenzuarbeiten auf der Ebene der Geheimdienste, wie aus diesem Artikel auf tagesschau.de hervorgeht (und dabei natürlich wieder die Bevölkerung dreist anzulügen), sondern diese Bespitzelung dient auch dazu, eine mögliche Protestkultur, die als Gegenwehr der Bevölkerung im Krieg gegen die transnationalen Konzerne zu sehen wäre, im Ansatz zu unterbinden. Hierzu schrieb Glenn Greenwald einen sehr aufschlussreichen Artikel (wieder zu lesen in den Blättern für deutsche und internationale Politik), in dem er aufzeigt, dass schon das Wissen um das Vorhandensein einer allgegenwärtigen Bespitzelung dazu führt, kritisches Denken zu unterdrücken. Sein Fazit:

Doch selbst wenn es nicht zu Missbrauch kommt und wenn man persönlich nicht verfolgt wird – ein Überwachungsstaat, der einfach alles sammelt, dessen er habhaft werden kann, beschädigt die Gesellschaft und die politische Freiheit. Voraussetzung für den politischen Fortschritt in den USA wie in anderen Ländern war stets, dass die Macht und die herrschenden Meinungen in Frage gestellt und neue Denk- und Lebensweisen erprobt werden konnten. Denn die Freiheit wird allein schon durch die Angst beschränkt, unter Beobachtung zu stehen. Darunter hat letztlich jeder zu leiden – auch derjenige, der gar keine Kritik übt und sich nicht politisch betätigt.

Nun gehören zu einem Krieg ja auch Opfer, und diese sind eben für uns in Deutschland nicht so ohne Weiteres zu erkennen, da hier eben nur sehr selten Tote zu beklagen sind, die auf die Aggression und das Machtstreben der transnationalen Konzerne zurückzuführen sind. Dies kann sich allerdings schon schnell ändern, wenn beispielsweise erst einmal genmanipulierte Nahrungsmittel (GMOs) in großem Stil bei uns zugelassen werden, da deren langfristige Auswirkungen noch nicht ansatzweise als unbedenklich eingestuft werden können (es gibt sogar Untersuchungen, die das genaue Gegenteil behaupten und GMOs als karzinogen bezeichnen). Die Bevölkerung ist auch diesem guten Grunde auch gegen die GMOs eingestellt, doch interessiert das die Politiker als Schergen der Konzerne (allen voran Monsanto, ein wirklich übler Laden, wie beispielsweise dieser Film deutlich zeigt) nicht sonderlich. Doch auch von solchen gesundheitsschädlichen Wirkungen abgesehen, gibt es in diesem Krieg schon haufenweise Todesopfer zu beklagen – nur eben nicht direkt für uns in Deutschland sichtbar. Da wären zum einen über 50 Millionen Tote im Jahr (wie Jean Ziegler in seiner auf Druck von Sponsoren nicht gehaltenen Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele feststellt), die aufgrund von Hunger, Mangelerkrankungen, versuchtem Trinkwasser und Epidemien sterben – und die deswegen sterben, weil die derzeitige Verteilung von Medizin und Nahrungsmitteln den Gewinninteressen der transnationalen Konzerne entsprechen (wie aus dem hörenswerten Beitrag Rohstoff-Roulette vom Deutschlandfunk hervorgeht). Doch dies sind nicht die einzigen Opfer: Wegen Monsantos Geschäftspraktiken, dass Saatgut nicht mehr hergestellt werden kann und darf aus der Ernte, sodass die Bauern immer wieder neues Saatgut vom Konzern kaufen muss, was dann auch teuere Dünger und Pflanzengifte erfordert, haben sich allein in Indien bisher 250.000 Kleinbauern aus Verzweiflung, da diese Praktik sie in den Ruin getrieben hat, suizidiert (s. dazu diesen taz-Artikel, und auch in dem sehenswerten Film Good Food, Bad Food wird dies in aller Deutlichkeit geschildert). Oder schauen wir nach Europa, wo die Suizidrate in Griechenland nach Beginn der Austeritätspolitik (verordnet von der sogenannten Troika, bestehend aus IWF, EZB und EU-Komission – alle drei nicht demokratisch legitimiert) genauso in die Höhe geschnellt ist wie die Zahl der  HIV-Neuinfizierungen (s. dazu hier). Und die grauenhaften Bilder der Flüchtlinge, die allein im letzten Jahr, aus Afrika kommend, zu Tausenden im Mittelmeer ertrunken sind, hat wohl auch jeder noch vor Augen. Tja, und dann ist es ja auch nicht so, dass nun keine direkten bewaffneten Konflikte mehr ausgetragen werden, und hinter diesen stecken mittlerweile ja auch zunehmend wirtschaftliche Interessen, wie ich hier anhand des Beispiels der Ukraine ja schon deutlich gemacht habe.

Es gibt also haufenweise Todesopfer, Länder werden geplündert und verwüstet, die Menschen dort in Not und Elend gestürzt – wie will man dies sonst bezeichnen, wenn nicht als Krieg? Es ist an der Zeit, dies jetzt schon zu erkennen, auch wenn die Schäden hier in Deutschland (Altersarmut, zunehmende Verarmung weiter Bevölkerungsteile, Verschlechterung der Gesundheitsvorsorge usw. – alles zum Nutzen von Konzerninteressen) im Vergleich mit anderen Ländern bisher noch vergleichsweise milde ausfallen – und nicht erst, wenn tatsächlich mit militärischer Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen wird.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Es herrscht Krieg“

  1. Gerade eben habe ich auf den Nachdenkseiten in einer Anmerkung von Orlando Pascheit etwas gelesen, was verdeutlicht, wie die einzelnen Bataillone der transnationalen Konzerne aussehen:

    Das Corporate Europe Observatory hat ermittelt, dass mindestens 1700 Lobbyisten in Brüssel tätig sind, nur um die Interessen der Finanzlobby durchzusetzen. Die Gehälter dieser Lobbyisten machen jedes Jahr 123 Millionen Euro aus. Laut CEO waren die diversen Arbeitsgruppen für Finanzgesetze in den vergangenen fünf Jahren zu insgesamt 70 Prozent mit Mitgliedern besetzt waren, die direkte Verbindungen zur Finanzindustrie hatten. Nur 0,8 Prozent der Mitglieder gehörten NGOs an, nur 0,5 Prozent Gewerkschaften.

  2. Ein sehr lesenswerter Artikel von Vandana Shiva in den Blättern für deutsche und internationale Politik führt uns recht unmissverständlich vor Augen, dass es noch einen weiteren Aspekt des hier beschriebenen Krieges gibt: den Krieg gegen die (Um-)Welt an sich, gegen die Natur und damit gegen unsere Lebensgrundlage. Und Shiva findet dafür auch deutlich Worte:

    Die globale Privatwirtschaft, die immer noch von einem unbegrenzten Wachstum ausgeht, ist zu einer permanenten Kriegswirtschaft geworden, einer Wirtschaft im Konflikt mit der Erde und den Menschen. Ihre Wirtschaftsmethoden sind die Waffen in diesem Krieg: unter Zwang abgeschlossene Freihandelsabkommen, die den internationalen Handel wie Handelskriege organisieren. Produktionsweisen, die auf Gewalt und Kontrolle beruhen, etwa durch den Einsatz von Giftstoffen oder Gentechnologie in der Landwirtschaft.
    Womit wir es hier zu tun haben, ist einfach eine andere Form von Massenvernichtungswaffen: Sie töten Millionen von Menschen in Friedenszeiten, indem sie ihnen Nahrung und Wasser rauben und ihre Lebenswelt vergiften. Die Methoden des Krieges und die Methoden der wirtschaftlichen Produktion sind austauschbar geworden.

    Die einzelnen Faktoren und Auswirkungen dieses Krieges sind ja nun auch hinlänglich bekannt: die Produktion von radioaktivem Abfall (für den es immer noch keine sichere Lagerstätte gibt), Desertifikation aufgrund von monokultureller industrieller Landwirtschaft, Fracking, Teersandabbau, Vernichtung ganzer Ökosysteme (z. B. im Regenwald), immense Produktion von schädlichen Abgasen bei gleichzeitigem rapiden Verbrauch der fossilen Bodenschätze, Zerstörung von Artenvielfalt durch Zerstörung von Lebensräumen und gentechnisch manipulierte (und patentierte) Lebensformen, Produktion von gigantischen Müllbergen – die Liste kann jeder von Euch noch beliebig fortsetzen.

    Hieran zeigt sich vor allem auch, dass dieser Krieg auch ein Krieg gegen die nachfolgenden Generationen ist, die dann mit den angerichteten Schäden und Verwüstungen leben müssen. In einer solchen umfassenden und destruktiven Form ist bisher noch kein Krieg geführt worden …

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