Ab nach rechts: der Weg vieler Konservativer in der heutigen Zeit

Vor einigen Tagen geriet ich über drei Ecken in eine Facebook-Diskussion, in der ein Slogan von der Facebook-Seite der NPD gepostet wurde und (auch von mir bekannten Menschen) Zustimmung fand. Hierbei ging es darum, dass Deutschland angeblich ständig für andere Länder Geld ausgeben würde, aber nichts mehr für die Menschen im eigenen Land übrig hätte. Diese Simplifizierung ist natürlich genauso grundverkehrt wie dumm, aber die darauf sich entspinnende Diskussion, nachdem ich und weitere Diskutanten anhand zahlreicher Beispiele belegten, warum an dem Spruch nichts dran sei, bewegte mich zu der weiterführenden Frage: Warum tendieren immer mehr eher konservativ denkenden Menschen in Deutschland dazu, rechtes Gedankengut nicht nur zu tolerieren, sondern sich diesem auch noch aktiv zu öffnen?

Als ich nämlich mal die Facebook-Profile derjenigen anschaute, die da so vehement (und meistens nicht sehr inhaltsreich) gegen die den NPD-Slogan widerlegenden Argumente wetterten, so fand ich da nun nicht nur rechtes Gehetze und Ähnliches, sondern vor allem viele Postings, die eine Unzufriedenheit mit der momentanen Situation in Deutschland ausdrückten, wobei die Bandbreite da sehr groß war und bis zu nun gar nicht rechtslastigen Brecht-Zitaten ging. Das wirkt nun erst mal schon ein wenig schizophren: einerseits gegen Ausländer hetzen und der Deutschtümelei frönen, andererseits Brecht (der vermutlich im Grabe rotieren dürfte, wenn er wüsste, in welcher Gesellschaft sich seine Aussprüche da befinden) zitieren und auch sonst teilweise Probleme richtig erkennen (drohende Altersarmut durch Rentendemontage, Lobbyismus und Korruption als unlautere Einflussnahme auf politische Entscheidungen usw.).

Das Dilemma solcher Menschen ist dann, dass sie eben nicht den offenen Geist und Intellekt eines Frank Schirrmacher, der schon 2011 einen bemerkenswerten Artikel im Feuilleton der FAZ schrieb: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“, haben. Sie bemerken, dass es einige Sachen gibt, die verkehrt laufen in diesem Land, sie werden enttäuscht von den Parteien und Idealen, denen sie sonst anhingen. Nun wäre eine mögliche hieraus resultierende Erkenntnis: Das sind ja eigentlich klassische linke Themen, die mich gerade umtreiben. Dieser gedankliche Schritt scheint allerdings für die meisten Konservativen zu gewagt, man würde sich ja quasi ein Stück weit mit denen verbrüdern, die man jahrelang vehement abgelehnt hat. Diese Haltung konnte ich auch schon oft beobachten, wenn es beispielsweise um Äußerungen von Gregor Gysi ging: inhaltlich wurde zugestimmt, aber dann folgten Sachen wie: „… aber der Gysi geht ja gar nicht!“ Die Ablehnung einer Person oder einer politischen Richtung wird also als relevanter angesehen als der tatsächliche Inhalt von Themen.

Wenn dieser inhaltliche Weg zur Artikulation solchen Personen also versperrt ist, was kommt dann an dessen Stelle? Da ein gewisser Nationalstolz und eine latente Fremdenfeindlichkeit (als Abwehr gegen etwas Neues, die dem Bewahren eines Zustandes, was ja Konservativismus bedeutet, auch immer ein Stück weit innewohnt) den Konservativen zumindest schon mal nicht so fremd sind, entwickeln sie eine Affinität in die Richtung, die ihnen hier identitätsstiftendes Potenzial anbietet. Dazu kommt, dass viele Menschen ja ausgesprochen gern jemand anderen für ihre eigenen Probleme verantwortlich machen, da dies die (durchaus unbequeme) kritische Reflexion der eigenen Handlungen erspart: Dass es mir und Menschen, die ich kenne, heute nicht mehr so gut geht, liegt nicht daran, dass ich jahrelang eine Partei wie die CDU gewählt habe, die genau diese Entwicklung forciert hat, sondern … die Ausländer! Die sind schuld daran! Immerhin wird eine solche Sichtweise ja auch durch die zunehmende Fremdenfeindlichkeit von Medien wie der BILD-Zeitung und Bestsellern wie denen von Thilo Sarrazin und Akif Pirincci, die unter vollkommener Akzeptanz der bürgerlichen Mitte ihre Hetzparolen verbreiten können, unterstützt, wenn nicht sogar befördert („Das wird man ja noch mal sagen dürfen!“). Und dann gibt es ja auch noch mit der AfD eine  neue Partei, die deutliche Kritik am politischen Establishment mit markigen Parolen, die häufig nicht von denen der NPD zu unterscheiden sind, würzt. Also landet der ehemals vielleicht durchaus weltoffene Konservative mit Hang zu kritischer Betrachtungsweise dann letztendlich in einer tumben nationalistischen Ecke, die ihm vermeintliche Lösungen präsentiert, die allerdings letztlich nur die plumpe Suche nach Sündenböcken sind.

Wenn man nun noch die Tendenz der politische Radikalisierung bei der Verschlechterung des eigenen Wohlstandes (gut zu beobachten in den Ländern, in denen bei der letzten Europawahl rechte Parteien enorme Gewinne feiern konnten, aber auch historisch am Beispiel der Weimarer Republik) als Resultat der Angst vor dem Verlust dessen, was man (noch) hat, hinzunimmt, dann ergibt das ein Gebräu, das Erinnerungen an finsterste deutsche Zeiten erweckt. Und da dieser Wertewandel in Richtung rechten Gedankenguts nicht erdrutschartig, sondern eher schleichend und von vielen der ehemals Konservativen noch nicht mal bei sich selbst bemerkt (diese Menschen verwehren sich in der Regel dagegen, wenn man ihnen vorhält, dass sie gerade rechte Parolen verbreiten) vonstatten geht, ist er umso gefährlicher und leider auch nachhaltiger.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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