Lächerlich: freiwillige Selbstverpflichtung anstatt Verbote

Gerade hat unsere Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) das Nutri-Score-Logo vorgestellt: Schädliche Inhaltsstoffe wie Fett, Zucker und Salz werden in Form einer 5-stufigen Anzeige ausgewiesen, um ungesunde Lebensmittel schon mit einem Blick zu identifizieren. Eine Idee, die andere Länder schon lange umgesetzt haben, die seit Jahren hier in Deutschland gefordert wurde und nun als „Meilenstein“ und „Durchbruch“ verkauft wird. Lächerlich! Positiv ist sicherlich, dass die Ergebnisse einer Bürgerumfrage berücksichtigt wurden. Allerdings ist es wieder einmal nicht mehr als heiße Luft, denn die Kennzeichnung ist freiwillig. Erst recht lächerlich!

Das Konzept der freiwilligen Selbstverpflichtung kennen wir bereits aus der lobbyfreundlichen, deutschen Politik. Es ist sicherlich in manchen Bereichen angemessen, wenn es eben um Annäherungen an ein Ideal oder ethische Grundsätze bei der Produktion geht. In Relation zu den anstehenden Änderungen zur Rettung des Klima, ist eine Ernährungstabelle sicherlich eher als freiwillig anzusehen. Wenn man sich allerdings die Anzahl der Erkrankungen und den steigenden Anteil an fettleibigen Personen anschaut, dann wird schnell klar, wie tödlich und teuer ungesunde Ernährung sind.

Leider ist es mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes kaum anders als mit der Industrie: Selbstverpflichtung ja, Verbote nein. Dabei haben wir doch gute Erfahrungen mit Verboten: Ob Plastiktüten, FCKW oder Alkohol im Straßenverkehr, vieles ist langfristig ein Erfolgsmodell. Würde man Totschlag mit Selbstverpflichtung anstelle von Gesetzen regulieren, dann wäre der Aufschrei sicherlich riesig. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und die Veränderung ist das eigentliche Schreckensgespenst, nicht der Zustand nach der Veränderung.

Von daher hilft es aus meiner Sicht nichts: Verbote müssen durchgesetzt werden und die politischen Konsequenzen werden für die durchführenden Parteien an machen Stellen schmerzlich. Aber der Vertraunsgewinn solch mutiger und dringend benötigter Entscheidungen wird sich auch durch eine erstarkende Identifizierung und langfristigen Bindung mit einer Partei zeigen. So lange wir uns mit Symbolpolitik alla GroKo abspeisen lassen, ist und bleibt das aber Märchenstunde.

Kaum etwas haben die Menschen mehr satt als die neoliberalen Richtungswechsel unserer Großparteien zugunsten der Märkte und des Kapitals. Dies spiegelt sich durch die Ablehnung etablierter Strukturen wider: Die Menschen wenden sich von Großparteien und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ab und wählen das verpöhnte Gegenteil, gleichwohl es keine Alternative darstellt. So bekommen AfD und Facebook-News den Zulauf, den wir eigentlich auf der Straße benötigen, um einen echten Richtungswechsel politisch zu erzwingen.

Deshalb hier an alle Protestwähler und Wutbürger: Der Feind meines Feindes ist eben nicht automatisch mein Freund. Vor allem, wenn der Feind meines Feindes genau dies instrumentalisiert und mir dann auch noch einen Schuldigen liefert, der offenkundig nicht die Ursache lange bestehender Probleme ist. Aber sich einen vermeidlich Schwächeren zu suchen liegt scheinbar in der Natur den Menschen – wie eben auch seine Angst vor Veränderungen.

Selbstverpflichtung ist Betrug auf Kosten der sozialen und ökologischen Verpflichtung. Selbstverpflichtung ist ein Gut moralischer Verantwortlichkeit für die Gesellschaft und die Umwelt. Und da hakt es leider gewaltig! Wie lächerlich.

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

Ein Gedanke zu „Lächerlich: freiwillige Selbstverpflichtung anstatt Verbote“

  1. Wer Marktwirtschaft fordert, der kann nicht zu Verboten greifen, denn Verbote sind genau das, was Marktwirtschaft nicht gebrauchen kann. Ihr Anspruch über Preise zu lenken, auch Gesellschaft, würde durch Verbote zurückgewiesen werden und genau das dürfen Politiker deshalb nicht fordern, Minister und Ministerinnen nicht durchsetzen, wenn sie sich „marktwirtschaftlich“ verhalten wollen.
    Da wir hier in der Mehrheit Freiheit mit der Freiheit der Märkte gleichsetzen, ist deshalb die freiwillige Selbstverpflichtung das einzige zur Verfügung stehende Modell, um der Marktwirtschaft weiterhin die Gestaltungsaufgaben über die Preise zu überlassen. Deshalb ist Klöckner auch konsequent in ihren Handlungen.
    Damit wird aber auch deutlich, dass wirklicher Schutz durch keine Person wirklich hergestellt werden kann in diesem Amt, die es unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu leiten gedenkt.
    Verbraucherschutz ist Gesundheitsschutz und Beides kann man nicht marktwirtschaftlich über Preise gewährleisten, weshalb marktwirtschaftlich denkende und handelnde Minister und Ministerinnen in diesem Amt auch fehl am Platz sind, marktwirtschaftliches Handeln, wenn es um Sicherheit geht (Gesundheitsschutz ist ein wesentliches Sicherheitsmoment), auch nur falsche Entscheidungen und die noch mit großer Verzögerung – du zeigst es im Artikel, Dirk – erbringen kann.
    Es ist die Marktwirtschaft, die ins Zentrum der Kritik deshalb gehört und die Personen sind abzuwählen, die sie auf alle Bereiche des Lebens auch wirken lassen wollen.

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