Hartz-4-Urteil

Die Niemands in den Jobcenter haben seit heute ein ein wenig stumpferes Schwert, aber das Schwert, und die Möglichkeiten damit zuzuhauen, hat man ihnen gelassen.

Die Sanktionen sind weiter rechtens, wenn auch nur noch in Höhe von 30 %. Alle Interessenvertreter scheinen damit zufrieden zu sein.

Ich bin es nicht!

Entweder Hartz-4 ist das Existenzminimum oder nicht. Lässt man weiterhin zu, dass dieses Existenzminimum von den Niemands in den Behörden sanktioniert werden darf, so gibt man dem Niemand weiterhin mehr Macht über die ihnen anvertrauten Menschen, als den betroffenen Menschen gut tut, als der Gesellschaft am Ende gut tut. Sie können sie weiterhin in große Not hinein sanktionieren, wenn auch nicht mehr in die größte Not – das einzig positive an diesem Urteil.

Wieder einmal zeigt sich, dass Recht und Gerechtigkeit wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben. Mein Gerechtigkeitsempfinden jedenfalls entspricht nicht diesem Urteil. Ich sehe weiterhin Unmenschlichkeit und nun sehe ich diese durch Richter sogar als verfassungskonform gerechtfertigt an. Die Menschenwürde hat damit endgültig einen Preis bekommen: Wohlverhalten.

Ich bin mal gespannt auf die Begründung des Gerichts, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist, welche Prioritäten es setzte, um die fortgesetzten Sanktionen zu begründen.

Gut, dass ich keine hohen Erwartungen hatte, sodass ich nicht enttäuscht werden konnte.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

5 Gedanken zu „Hartz-4-Urteil“

  1. Ich bleibe dabei, dieses Urteil heute ist ein Urteil, welches mir nicht reicht, denn die Sanktionen sind letztendlich erhalten geblieben. Zugegeben es gibt deutliche Verbesserungen zur bisherigen Praxis und das ist auch gut so. Aber eben nur Verbesserungen und nicht dass, was wirklich notwendig gewesen wäre: ein Ende der schwarzen Pädagogik.

    Was mich nun interessieren würde, ist, wie die Politik sich rechtfertigt, wie sie schön redet, was nicht mehr schön zu reden ist, was sie hier mehr als eine Dekade zur Anwendung brachte, weil sie ein Menschenbild verfolgte in ihrer großen Mehrheit, welches nie das Meine war.

    Wie will sie ihre schwarze Pädagogik rechtfertigen?

    Wie wollen sie sich und ihr Verhalten rechtfertigen, vor sich selbst und vor uns?

    Wie wollen sie – wollen sie überhaupt – den angerichteten Schaden wieder gut machen, den viele unserer Mitbürger haben erleiden müssen?

    Oder bleibt es beim shit happens?

    Ich denke, ja, dabei wird es bleiben. Ich erwarte nicht einmal eine Entschuldigung der Parlamentarier, der Minister, der politisch für den langjährigen Verfassungsbruch Verantwortlichen.

  2. Eigentlich sollte man die Schamröte in den Gesichtern der PolitikerInnen heute, den ganzen Tag über, sehen können. Ich sah bisher nichts davon, auch nicht beim verantwortlichen Minister im Interview.

    Im Gegenteil, begriffen hat er noch nicht, wie das Gericht es nicht begriffen hat, dass man keinem Menschen hilft, in dem man ihn straft.

    Strafen haben nur ein Ziel: den Strafenden über den Gestraften zu erheben, seinen Trieben Rechnung zu tragen, der Triebbefriedigung der Gesellschaft zu dienen. Eine strafende Gesellschaft ist deshalb eine Gesellschaft der Triebbefriedigung, aber nicht der Vernunft.

    In der Bildung hatten wir diese schwarze Pädagogik lange schon überwunden und das war gut, ist gut und wird gut bleiben. Bei Hartz-4 gilt sie weiterhin, wenn auch nun ein wenig moderater. Das Bundesverfassungsgericht macht sie weiterhin möglich. Da kann der Bundesarbeitsminister quatschen was er will, die Jusos hatten und haben recht: die Sanktionen gehören komplett abgeschafft.

    Es ist auch heute noch nicht richtig, was jahrelang falsch war und befriedet ist hier noch gar nichts, Herr Heil. Im Gegenteil, jetzt wird deutlich zu machen sein, welches Menschenbild hier über mehr als eine Dekade die vertreten haben – und wohl immer noch vertreten -, die hier für diesen Verfassungsbruch Verantwortung tragen, im Bund, im Land, in den Kommunen und Kreisen und in der Gesellschaft insgesamt.

  3. 77 % der Sanktionen sind von dem Urteil gar nicht betroffen. Die Sanktionen wegen Meldeversäumnisse nämlich. Auch die härtere Sanktionspraxis bei unter 25 Jährigen stand nicht zur Entscheidung an und wurde deshalb auch nicht entschieden. Prof. Sell macht dies gerade deutlich bei Phoenix.

    Desweiteren macht er deutlich, dass die Menschenwürde in unserem Land weiterhin sanktioniert werden darf. Ich weiß gar nicht, wie man dieses Urteil schön reden kann.

    Schon gar nicht weiß ich, wie man dieses Urteil bewerten kann, ohne zu bewerten, dass der vorsitzende Richter vor kurzem noch als MdB für die CDU ein Verfechter der Sanktionen war.

    PS: Weil viele vielleicht nicht wissen, was unter Meldeversäumnisse zu verstehen ist, hier mal der Hinweis, dass schon ein nicht beantwortetes Schreiben als Meldeversäumnis gelten kann, auch dann, wenn es beantwortet worden ist, aber wieder einmal den Weg zum Sachbearbeiten im Amt nicht gefunden hatte. Kein seltener Fall in den Jobcenter.

  4. Einen großen Vorteil dieses heutigen Urteils sehe ich schon und den will ich abschließend auch noch nennen: die nun wieder entfachte Diskussion wird zeigen, wer welches Geistes Kind ist, welche Moral er oder sie wirklich vertritt, welche Moralvorstellungen er oder sie uns damit auch per Gesetz – denn dass das Gesetz nun geändert werden muss ist klar – auferlegen will.

    Verstecken hinter der gängigen Praxis, den üblichen Gewohnheiten, geht nicht mehr.

    Einfach zu sagen „Hartz war richtig und ist richtig“, wie ich es allzu oft hier in der Kommune und auch außerhalb hören musste, geht nicht mehr.

    Die Parteien werden Farbe bekennen müssen und das ist gut so.

    Da waren die Richter klar in ihrem Urteil und das begrüße ich sehr.

    Deshalb überwiegt auch – bei aller Kritik, die ich habe – meine Freude über diesen Aspekt des Urteils mein Unverständnis darüber, dass es grundgesetzlich weiter möglich sein darf Menschen zu zwingen.

    Es bleibt spannend und es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns wohl mit denen auseinander zu setzen haben werden, die möglichst straff die Menschen hier an der kurzen Leine zu halten gedenken.

  5. Wie die CDU reagieren wird auf das gestrige Urteil, welche Lehren sie zu ziehen bereit ist, wird hier in einem kleinen Zitat deutlich: keine nämlich. Man wird weiterhin die schwarze Pädagogik für den richtigen Umgang mit erwachsenen Menschen und auch ihren Familienangehörigen ansehen, möglichst viel davon erhalten wollen.

    „Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen im Bereich des Arbeitslosengelds II insgesamt nicht in Frage stellt“, sagte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe

    Übrigens hat Gröhe insofern recht, als dass das Verfassungsgericht die Sanktionen sanktioniert hat gestern und nicht – wie es notwendig gewesen wäre, um wirklich Artikel 1 Rechnung zu tragen – verboten hat. Im Gegenteil, die Erlaubnis ist nun auch vom höchsten Gericht erteilt worden durch deren Interpretation unserer Verfassung.

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