Panik auf der Titanic

Jetzt ist es passiert. Der ‚Worst Case‘ für alle Neoliberalen und den Seeheimer Kreis ist eingetreten. Die SPD-Mitglieder haben sich gegen Olaf Scholz entschieden.

Der Laden kocht, Christian Lindner ist baff, der Genosse der Bosse, Gerhard Schröder, distanziert sich reflexartig umgehend von der neuen Spitze und bezweifelt die demokratische Wahl gleich mit. Überall herrscht Panik, die GroKo sei in Gefahr, die Bombe würde platzen, und die schwarze Null, nein, die dürfe niemals angezweifelt werden.

Was ist eigentlich los in der Politik und in den Medien? Ein wenig mehr Bekenntnis zu einer sozialen Politik in einer sozialdemokratischen Partei wird mit dem Untergang des Abendlandes gleichgesetzt? Ja, geht es den noch? Mit so viel Sozialdarwinismus habe selbst ich nicht gerechnet. Wie weit sind die Etablierten nur von den Menschen entfernt, dass sie nichts anderes mehr als Wirtschaft und Wachstum in ihren Köpfen haben? Wie zutiefst unsozial kann man eigentlich noch sein, wenn man immer noch nicht im Ansatz kapiert hat, dass unser Land zutiefst gespalten ist, jeder Fünfte von Armut betroffen ist, vielen nach einem harten Arbeitsleben zumindest relative Altersarmut droht, während Konzerne immer weiter auf Kosten u. a. der Mieter, der Kranken und Pflegebedürftigen, der Niedriglöhner und überforderter Angestellter – insbesondere im Gesundheitsbereich – dicke Gewinne einfahren. Und immer mehr wählen obendrein auch noch rechtsextrem.

Ich frage mich da wirklich ernsthaft, ob die augenblickliche Politik nicht zu 100 % ihre Gesetze von der Wirtschaft vorgeschrieben bekommt und ob die überwiegende Mehrheit der Medien nicht ganz genauso verfährt und sich ihre Artikel von Reichen und Konzernvertretern diktierten lassen.  Bloß keine Menschlichkeit, auf keinen Fall eine soziale Wende, keine Gerechtigkeit und unbedingt die Reichen unberührt reicher werden lassen. Den Klimawandel überlässt man dem Markt, jenem Markt, der ihn erst heraufbeschworen hat. Immer wieder wurden gute Gesetze verwässert, stark abgeschwächt oder aufgelöst, und immer hatte die Wirtschaft ihre Hand im Spiel. Jene Wirtschaft, die letztendlich auch die Energiewende zerstört hat. Das kann doch alles nicht richtig sein.

Richtig ist nur eins, dass die Mitglieder der SPD in ihrer Mehrheit dieser Politik eine kleine Absage erteilt haben und das neoliberale Schiff ein bisschen näher in Richtung Eisberg getrieben haben. Wann es letztendlich auch damit kollidiert, bleibt abzuwarten, das hängt auch davon ab, wie viel Druck seitens der mächtigen, zutiefst antisozialen Wirtschaftslobby ausgeübt wird, und davon, wie diese die Bevölkerung weiter erfolgreich manipulieren kann und wird. Irgendwann, da bin ich mir ganz sicher, wird das Schiff auf jeden Fall diesen Eisberg treffen und untergehen, die Frage ist nur, ob es dann den gesamten Planeten mit in die Tiefe zieht oder ob die Menschheit rechtzeitig bemerkt, dass sie tief unten in den Kabinen sitzt, während ein nur winziger Teil von ihr im Ballsaal und auf Deck trinkend, johlend und singend auf den Eisberg zurast und noch kurz vor der Kollision zum letzten Tanz bittet, bevor dann in die wenigen Rettungsboote gestiegen wird.

Denn: Ein Tanz geht immer noch.

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Markus

Jahrgang 1967, Informatiker, pflegt und entwickelt 3-D-CAD-Software in einem kleinen Unternehmen. Träumt von einer progressiven, sozial gerechten und ökologischen Gesellschaft und verzweifelt manchmal an der Frage, warum die meisten Menschen das nicht auch wollen.

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