Gedanken zum Umgang mit einer Krise

In einer krisenhaften Situation erscheint alles wie unter einem Brennglas: unsere Gesellschaft, unsere Umwelt, unsere Lebensumstände und unsere eigene Persönlichkeit. Nichts davon ist auf einmal neu, wird aber deutlich sichtbarer. Und nichts davon lässt sich unmittelbar und sofort ändern, wohl aber lohnen sich eine Betrachtung und die Frage, wie man ganz persönlich jetzt mit den Umständen gut umgehen und sich zukünftig auf ähnliche Situationen einstellen kann.

 

„Resilienz“ ist in diesem Zusammenhang so ein Modewort, welches in den letzten Jahren aufgekommen ist. Dabei wird dieses – hier mal grob vereinfacht mit „Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen“ übersetzt – vielfältig beschrieben und verwendet.

So gibt es zum Beispiel die „Transition Town“-Initiativen mit zahlreichen und sehr unterschiedlichen Ansätzen, gemeinsam und vor Ort (in der eigenen Stadt oder der Nachbarschaft) Aktivitäten umzusetzen, die im weitesten Sinne unabhängig machen. Die Förderung der lokalen Ökonomie ist beispielsweise ein Ziel, das viele dieser Initiativen verfolgen. Wen das interessiert, der kann hier mal stöbern: https://www.transition-initiativen.org/.

 

Der Begrif „Resilienz“ findet sich auf viele Ebenen wieder: Ökonomie, Ökologie, Politik, Gesellschaft … Und Forderungen danach basieren oftmals auf Erfahrung mit negativen Effekten der Globalisierung, hier zum Beispiel der damit verbundenen Umweltzerstörung oder der generellen Systemabhängigkeit vom Welthandel. Und dem Gefühl, nichts mehr selbst in der Hand zu haben, steuern zu können.

Darüber ließe sich viel schreiben, das nutzt uns aber in genau dieser Situation nur wenig. Die Zeit von Corona ist jetzt da, und mit dieser Zeit gilt es nun umzugehen. Umzugehen heißt, sie schlichtweg durchzustehen, um dann weitermachen zu können.

„Resilienz“ heißt jetzt, bei sich selbst anzufangen. Das eigene Selbst ist die Basis, auf der alles Weitere passiert. Heißt: Wenn wir jetzt nicht ganz besonders auf uns selbst aufpassen, brauchen wir nicht groß in die Zukunft zu schauen und uns mit „was machen wir als Nächstes“ zu beschäftigen. Größere Themen müssen zunächst warten, können dann aber – mit positiver Energie – angegangen werden.

 

Hart aber wahr: In der Krise trennt sich Spreu vom Weizen. Es zeigt sich, wer man ist und wie man mit Schwierigkeiten umgeht. Damit ist nicht eine Unterteilung in „guter Mensch“/„schlechter Mensch“ gemeint, sondern einfach ein Fakt. Niemand kann etwas dafür, es ist einfach so.

Stellt sich die Frage, ob man es erlernen kann, widerstandsfähig zu werden. Glaubt man diversen Anbietern, so geht das. Hier ein Kursus, dort ein„Training“ … In einem Wochenendseminar fit für das Glück? Das wird – so meine Mutmaßung – ebenso wenig funktionieren wie alle weiteren Angebote, die schnelle Lösungen für komplexe Themen verheißen.

 

Forscher gehen davon aus, dass sehr viele Faktoren dafür zuständig sind, wie gut wir mit Krisen umgehen können. Manches ist angeboren, manches in der Kindheit begründet und basiert im Allgemeinen auf Lebenserfahrung und den Umständen, die uns prägen. Das soziale Umfeld scheint hier ein große Rolle zu spielen.

Weitere Studien ­bestätigten dieses Fazit. Mittlerweile gelten eine verlässliche Bezugsperson in der Kindheit und ein tragfähiges soziales Netz im spä­teren Leben als zentraler Faktor für psychische Widerstandsfähigkeit.

Quelle: https://www.geo.de/magazine/geo-wissen/19986-rtkl-widerstandskraft-resilienz-das-geheimnis-der-inneren-staerke

 

Erlernbar sei Resilienz dennoch – nur nicht im Schnellverfahren, so ein Resilienzforscher.

Resilienz ist kein Schicksal. Da es sich um einen Bewertungsstil handelt, kann man umlernen und schädliche Assoziationen verlernen – aber nicht mal eben schnell. Der Autor stellt diesen Vorgang eher auf eine Stufe mit einer Psychotherapie: ein langfristiger Prozess, auf den man sich einlassen und den man wollen muss. Ein gelangweilt abgesessenes Seminar, zu dem der Chef die ganze Abteilung schickt, ist nicht hilfreich.

Quelle: https://www.psychologie-heute.de/leben/38838-resilienz-laesst-sich-lernen.html

 

Und jetzt? Was nützt das für den Moment?

Ich meine, es muss irgendwo einen Anfang geben, um seine Gedanken zu strukturieren. Dieser muss möglichst einfach sein, denn Komplexität ist in einer stressigen Situation (und diese ist genau jetzt da) nicht förderlich.

Sich mit sich selbst zu beschäftigen ist der Schlüssel, die Basis für alles Weitere. Ich behaupte, der Stresslevel, der sich durch die gesamte Gesellschaft zieht, nimmt weiterhin zu, und es wird zu einer Frage des Überlebens, wie gut man mit sich selbst umgehen kann.

Im regulären Alltag nehmen wir uns sicher nicht so oft die Zeit für das Selbst, wie wir es jetzt könnten. Arbeit, Familie versorgen, Freunde treffen, Freizeitaktivitäten, viele Wege werden zurückgelegt. Wie viel Zeit bleibt da übrig, um seinen Gedanken nachzugehen? Ich meine, sehr wenig.

In dieser Zeit haben wir aber nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die tatsächliche „Zeit“, um dies tun zu können und zu müssen. Natürlich, es gibt Ausnahmen und Unterschiede, was die Verfügbarkeit von „Zeit“ angeht, das ist mir bewusst. Meine Zeilen gelten denen, die es können.

 

Der Weg zur Resilienz geht für mich jetzt über ganz einfache Fragestellungen zur eigenen Person, zum eigenen Verständnis eines guten Lebens, zum Beispiel:

Welche Tätigkeit ermöglicht es mir, gedanklich zur Ruhe zu kommen?

Was ist mir jetzt besonders wichtig?

Was bereitet mir Freude?

Was benötige ich wirklich?

Auf was kann ich verzichten?

Welche Routinen habe ich und wieso?

Welche Alternativen habe ich?

 

Egoismus? Ja, natürlich, jeder Mensch hat doch seine eigenen Bedürfnisse. Vielleicht sind viele aber doch gar nicht so „eigen“, sondern basieren auf Wünschen und Vorstellungen anderer?

Und natürlich geht es auch um die Beziehung zu anderen Menschen, das ist für uns ebenso überlebensnotwendig wie Atmen und Essen. Auch hier kann man sich eine Reihe von Fragen stellen, zum Beispiel:

Welche Menschen mag ich besonders?

Welche Menschen beeinflussen mich positiv?

Welche Menschen brauchen mich?

Welche Menschen kann ich jetzt unterstützen?

Welche Menschen brauche ich überhaupt nicht?

 

Weiterführende Fragen könnten zum Beispiel sein:

Bewerte ich Menschen und Situationen aktuell anders?

Bin ich strenger als sonst? Warum?

Kann ich fünf noch gerade sein lassen?

 

Und so weiter und so fort.

 

Ich meine, mit solchen Basisfragen an sich selbst geht man schon einen guten Weg in Richtung Zufriedenheit und auch in Richtung Belastbarkeit.

Wer weiß, was er will und was nicht, mit welchen Menschen er zusammen sein möchte und mit welchen nicht, der hat sich zumindest mit sich selbst beschäftigt, in sich hineingehorcht.

Sich über etwas bewusst zu werden ist überhaupt erst nötig, um handeln zu können. Zum Beispiel in die Richtung, die oben beschrieben wurde, nämlich der aktiven Pflege des eigenen sozialen Netzwerks. Eine Sache, die ja gerade jetzt auch schon sehr häufig passiert über Nachbarschaftshilfe, Einkaufshilfen und die vielen tollen Hilfen, die sich Menschen jetzt gegenseitig zukommen lassen.

Hierin kann man auch eine Art Basis sehen – die noch zu Größerem heranwachsen kann. Stichwort „größere Baustellen“ gesellschaftlicher oder politischer Art, wie bereits eingangs beschrieben.

Dem vorausgehend ist – so meine ich – die gedankliche Ruhe, das In-sich-Gehen, auch das sprichwörtliche „Seele baumeln lassen“ ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es darum geht, Krisen auszuhalten. Ängste und reale Nöte haben wir alle und momentan sogar mehr als sonst. Es geht um den einen Moment, den man sich gönnt, und das Verhältnis zu anderen Themen des Lebens, diese auszubalancieren.

Umgekehrt betrachtet: Ein Dauerfeuerwerk aus Stress, Angst und Aggression führt zu …?

 

Fazit:

Ich habe zwar eine Couch, dort sitzen aber – wenn – nur nette Menschen, die mich auf einen Kaffee besuchen. Ich bin weder Psychologin noch sonst wie therapierend tätig, schon gar nicht „Coach“ oder „Trainer“. Mein Text ist pure Meinung, möchte ich aber auch nicht mit „Küchentischpsychologie“ beschrieben wissen, dann lieber mit „gesundem Menschverstand“. So viel Selbstbewusstsein muss sein.

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Tina

Jahrgang 1972, Linkshänderin, mal nett, mal launisch, mag Nudeln, Vodka und Hunde. Meine Texte sind abhängig von Tagesform (siehe Stichwort "launisch") und Tagesaktualität. Grundsätzlich treiben mich Themen wie "Gerechtigkeit" und "Gemeinschaft" um bzw. wie wir als Gesellschaft gut miteinander leben können, ohne Hackordnung, ohne Menschen zurückzulassen.

2 Gedanken zu „Gedanken zum Umgang mit einer Krise“

  1. Ein schöner Beitrag und ein interessanter Link zu den Transition Initiativen, danke dafür. Ich habe das Glück derzeit nicht (mehr als sonst) zu denen zu gehören, die unter Existenzängsten gesundheitlicher, sozialer oder finanzieller Natur leiden müssen. In meinem Umfeld geht es einigen so und ich weiß, was für ein Segen dies ist*.

    Deshalb kann ich an dieser Stelle auch schreiben, dass ich zwar voll bei Dir bin, was das Selbst als Basis unseres Handlungsspielraumes angeht, aber das gerade jetzt auch der Zeitpunkt ist, an dem wir „größere Dinge“ anders organisieren können, bevor wir sie wieder so hin gebogen haben, wie sie schon vorher nicht richtig waren. Derzeit sitzen viele Menschen herum und „schlagen die Zeit tot, damit ihnen die Decke nicht auf den Kopf fällt“. Diese Energie kann man dafür nutzen sich Gedanken über ein besseres Morgen zu machen (anstatt über Nahrungsergänzungsmittel und Selbstschutzmaßnahmen durch Waffen und Sicherheitssystemen), über wirkliche Systemrelevanz (benötigen wir Banken und Zinsen oder Pflege und Medikamente) und über unser soziales Miteinander und wie sehr wir einander brauchen und wie schön die Welt sein kann, wenn man Rücksicht aufeinander nimmt. Gelebt, nicht nur von anderen eingefordert.

    Und dann bin ich auch schon wieder voll bei Dir: Eine einfache Lösung für ein komplexes Problem wird es auch hier nicht geben. Nur die Option ein komplexes System genau dann zu verändern, wenn es nicht unter Volllast läuft. Und wir benötigen einander, nicht nur in der Kindheit (wo ein soziales Miteinander die Grundlage späteren Handels prägt), auch an unserem Lebensabend und in der ganzen, langen, bunten Zeit dazwischen. Ich finde es prima, dass ich Deine Meinung hier lesen darf und werde auch Deine Fragen noch einmal Revue passieren lassen, mich selbst wieder und wieder reflektieren.

    *An dieser Stelle unterschlug ich meine eigene Mehrbelastung durch gleichzeitiges Arbeiten und die Versorgung meiner drei Kinder mit Essen, Aufmerksamkeit und Unterstützung bei den schulischen Aufgaben, die mich oft an den Rand meiner Leistungsfähigkeit gebracht hat. Denn am Ende geht es uns gut, besser als den meisten, die auch ohne Corona ein ausgebeutetes, kriegerisches, hungerndes, verängstigtes oder sonst wie beeinträchtigtes Leben führen müssen.

    1. Vielen Dank für Deinen Kommentar, lieber Dirk.
      Wie so oft, ist auch dieser Text von mir eine Momentaufnahme und es kommt – gerade in diesen Zeiten – oft vor, dass ich meine Meinung revidiere. Wobei ich das hier an der Stelle gar nicht so sehr tun möchte, wohl aber hast Du natürlich auch ein gutes Argument gebracht: Wenn nicht jetzt, wann dann die großen Themen angehen. Das ist nur logisch und ich habe für mich selbst in den letzten Tagen so einige Entscheidungen zumindest angedacht, die mein zukünftiges Verhalten betreffen.
      Auf der anderen Seite möchte ich mich auch nicht zu sehr dem Druck aussetzen, jetzt unbedingt aktiv werden zu müssen. Da trete ich auf die Bremse, wenn es sein muss. Und das ist es dann auch, was ich meine: Ich muss und möchte mir die Zeit nehmen, Dinge zu überdenken, genauer zu betrachten und abzuwägen. Kein „Aktivismus“. Ich spreche mit vielen Menschen, lese viel und versuche, all das zu verstehen, was gerade passiert. Wenn ich mir diese Ruhe nicht nehme, wird es für mich zu stressig.
      Ich vermute, nicht wenige Menschen haben aber gerade genau diesen Stress, das meine ich abzulesen an Reaktionen in sozialen Netzwerken, Kommentarspalten etc., und geben diesen Stress auch weiter. Kein guter Weg, wie ich finde.
      Es freut mich zu lesen, dass es Dir und Familie gut geht!

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