Politiker und Kontaktbeschränkungen

Die meisten Menschen haben keine Lust mehr auf Kontaktverbote und Beschränkungen ihres Privatlebens, auf Atemschutzmasken und vor allem nicht auf Homeschooling im Homeoffice. Die Menschen legen sich Regeln zurecht und biegen diese, wenn es ihren Interessen gerade entgegenkommt: nachts allein über die rote Ampel, angetrunken auf das Fahrrad, high auf der Party oder mit 130 km/h über die freie Landstraße. Einigen Leuten geht es so sehr gegen den Strich, dass sie sich von Köchen, Schauspielern oder Sportlern gern auch eine „alternative Wahrheit“ aufzeigen lassen. Nur schwer kann ich das verurteilen, denn die einen wünschen sich eine Welt ohne diese Pandemie (wobei ich eine Welt ohne Kinderarbeit, Krieg und Fremdenfeindlichkeit eher herbeiwünsche), und die anderen wünschen sich Aufmerksamkeit und Ruhm (vielleicht hatten Mama und/oder Papa nie richtig Zeit für sie). Aber als Politiker, da habe ich aus meinem Verständnis eine andere Verpflichtung zur Einhaltung von Verordnungen und Gesetzen.

So war heute z. B. im Tagesspiegel zu lesen, dass der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) vor knapp zwei Wochen einen Stehempfang mit 30 Gästen gegeben hatte und dies nun zutiefst bedauere. Gerade ein Innensenator (das Pendant zum Innenminister auf Länderebene) sollte in Sachen Sicherheit ein Vorbild sein und nicht eine geplante Feierlichkeit zu seiner Wiederernennung organisieren lassen. Wäre es nicht eine Ironie des Schicksals, wenn die Feierlichkeit zu seiner Wiederernennung zu seiner Kündigung/seinem Rücktritt führen würde? Aber nein, das Rückgrat, für Fehler geradezustehen haben Politiker auf Bundes- und Landesebene schon vor Jahrzehnten begraben. Und Fakten sind ja global auch nur noch so viel wert wie irgendeine Meinung (siehe z. B. diesen 9-minütigem Beitrag bei Monitor). Warum sollten wir nicht auch da mit den USA gleichziehen?

Ich habe gerade selbst mal geschaut, und der erste Link traf die Süddeutsche Zeitung und 18 internationale Politiker, die mit schlechtem Beispiel vorangingen (wobei ich den ein oder anderen Ausrutscher tatsächlich als Ausrutscher gelten lassen würde). Und in Neuseeland herrscht zumindest scheinbar noch noch so viel Anstand, seinen Rücktritt anzubieten, wenn man sein öffentliches Amt missbraucht, ignoriert oder sonst wie beschmutzt.

Ja, Politiker sind auch nur Menschen. Und Menschen machen Fehler, das steht wohl außer Frage (sofern man nicht völlig von der Rolle ist oder Donald heißt und nicht in Entenhausen wohnt). Allerdings begehen Politiker diesen Fehler als Vertretung der Bürger, als Aushängeschild von Recht und Ordnung. Und wenn ich es dann dermaßen vermassel, dann ist das eine Frage von professionellem Verhalten und Glaubwürdigkeit, wie ich damit umgehe. Weder möchte ich lügende und betrügende Politiker als meine Vertretung, noch würde ich jemanden für eine Dienstleitung anheuern und bezahlen, der sein Handwerk nicht beherrscht (wie weit man sich von einer übertragenen Verantwortung entfernen kann, sah man gerade bei Brisant (MDR) an einer Restaurierungsarbeit, die wirklich bitter gelaufen ist). Schuster, bleib bei deinen Leisten …

 

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

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