Treiben am sonntäglichen Morgen …

… ich bin müde, die egoistischen Partygänger:innen haben die halbe Nacht in Ottensen herumgeschrien, sinnige Dinge wie „Wooooooo!“ und „Yeahhhhhhh!“, lassen alle Menschen an ihrem mitternächtlichen und späteren Treiben teilhaben. Ich habe nur nicht das Gefühl, dass es im Sinne von sozialem Teilen stattgefunden hat, sondern eher im Sinne von egoistischem Sich-treiben-Lassen. Um kurz nach 2 Uhr geht jemand mit seinem Hund in den Garten (der ausgeschildert ist, ein Spielplatz, keine Hunde zugelassen), der Hund bellt irgendetwas an … und bellt und bellt … Besitzer:in scheint nicht bestrebt, diesem Treiben ein Ende zu setzen, und ich denke mir meinen Teil, was ich dazu gern aus dem Fenster brüllen möchte, doch ich möchte die Nachbar:innen nicht stören, die ich damit wecken würde.

Es ist jetzt Sonntag früh am Morgen, und ich gehe Frühstücksbrötchen kaufen. Vor der Tür liegt allerhand Müll im seichten Regen aufgeweicht, der irgendwann einmal mit dem möglicherweise freundlich gemeinten Schriftzug „Zu verschenken“ beklebt war. Jetzt ist es von ramponierten, aber möglicherweise brauchbaren Gegenständen, die jemand nicht bis zu den Mülltonnen bringen wollte, um sie dort „zu verschenken“, zu unumstößlichen Müll dahingetrieben und liegt nun umgekippt, verstreut und durchnässt da. Und ich weiß, da wird sich der oder die ehemalige Besitzer:in nicht mehr drum kümmern, wurde ja so großherzig „verschenkt“. Oder doch nur zu faul oder unumsichtig, den sich ständig wiederholenden Gang der Dinge zu erkennen? Dinge, die jemand (nicht einmal regengeschützt) abstellt, werden sicher zu Müll, wenn sie es nicht schon vor dem „Verschenken“ waren.

Ich schlendere um den Müll und stehe vor einem großen Haufen Kot, ich nehme an Hundekot, ein prächtiges Exemplar. Das hat kein Pekinese hinterlassen, das war das Treiben eines großen Exemplars, das der oder die Besitzer:in wahrscheinlich im Auge hätte behalten können. Es fehlt das Schildchen „zu verschenken“, aber es ist wahrscheinlich mit ähnlicher Ambition dort gelandet wie z. B. der umgekippte und aufgeweichte Katzenkratzbaum, der neben mir seinen ehemaligen Status als „Geschenk“ für die Nachbar:innen verlassen hat, um einfach wieder ein Stück Müll zu sein, um das sich die Verursacher:innen nicht kümmern wollen.

Ich schaue mir den prächtigen Haufen an und kann nicht umher laut zu sagen: „Ja, so ist die Menschheit … ein großer Haufen Scheiße!“ Ein typischer Sonntagmorgen in einer typischen Großstadt im egoistischen Deutschland dieser Tage. Vielleicht wird der Tag ja noch besser?! Einfach den Frust in die Tasten hacken, an den Frühstückstisch setzen und eigentlich doch schon ahnen, dass es einfach immer so weitergehen wird. Weniger „Ich“ und mehr „Wir“ möchte ich all diesen nächtlichen Schreihälsen (hatte ich das nächtliche private Feuerwerk erwähnt?), den arglosen Hundebesitzer:innen, den Verschenker:innen und den Maskenverweiger:innen in der Bahn an den Kopf schmettern. All den Politiker:innen und Superreichen, den trendigen männlichen und weiblichen Modepüppchen in ihren Adidas-Trainingsanzügen und mit dem Louis-Vuitton-Umhängetäschchen, den Idividualist:innen, die sich lieber um ihr Äußeres in Form von 20 Tattoos, Pierchings und künstlichen Haaren kümmern, anstatt dem Inneren ihrer Mitmenschen ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Oberflächlich, unreflektiert, unbedacht, egoistisch, komsumgesteuert … und wir feiern uns selbst, bis nichts mehr zu konsumieren da ist: „Hurra, diese Welt geht unter!“

 

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

Ein Gedanke zu „Treiben am sonntäglichen Morgen …“

  1. Ich kann das so sehr nachvollziehen, denn mir ging es jahrelang in St. Pauli ja ähnlich. Meistens bekam ich dann zu hören: „Dann zieh doch weg!“ Gut, hab ich nun vor knapp drei Jahren ja auch gemacht, aber diese Option hat nun mal nicht jeder.

    Was m. E. zur jahrzehntelangen neoliberalen Indoktrination im Sinne von Konkurrenzdenken, Entsolidarisierung und „Jeder ist sich selbst der Nächste“ zurzeit noch hinzukommt: Verdrängung der Tatsache durch aufgesetzte Freude und Konsum, dass es in vielen Beziehungen reichlich bergab geht. Die Titanic sinkt schon, und die Kapelle spielt noch …

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