Der Rechtsrutsch und die Medien

Nachdem ich vor drei Wochen schon zwei Artikel (hier und hier) über den aktuellen Rechtsrutsch in Deutschland (und leider nicht nur hier) geschrieben habe, durfte ich nun im Urlaub gerade mitbekommen, wie dieser von medialer Seite noch schön weiter befeuert wird.

Im Urlaub halte ich mich eigentlich fern von Medien und politischer Berichterstattung, da will ich einfach mal nur abschalten und ich dann möglichst wenig damit beschäftigen, sondern mich den schönen Seiten des Lebens widmen.

Nun hat meine Frau eines Abends allerdings ein bisschen im Fernseher umhergezappt, und da habe ich dann zwangsläufig etwas mitbekommen, was mir in wenigen Minuten zeigte, wie der Rechtsrutsch medial befeuert wird. Leider mit dabei: die öffentlich-rechtlichen Sender.

Friedrich Merz (CDU) hat behauptet, dass Asylbewerber sich schön die Zähne machen ließen in Deutschland, Deutsche aber nicht in diesen Genuss kämen. Da ist zwar nichts Wahres dran (s. hier im Faktencheck vom MDR), auch wenn die Oberhetzer von der BILD in ihrer ranzigen Art natürlich sogleich kurz danach irgendeinen Zahnarzt ausgegraben hat, der das dann angeblich bestätigte (auf das Drecksblatt verlinke ich nicht, daher hier keine Quelle zum Anklicken). Die Faktenlage spricht allerdings eine andere Sprache – wobei sich Rechte und BILD-Leser dafür ja ohnehin nie so richtig interessieren.

Die Folgen der eigenen Politik (Ökonomisierung des Gesundheitswesens, Zweiklassenmedizin) zum Anlass zu nehmen, um diejenigen, die darunter zu leiden haben, gegen andere, die noch weniger haben, aufzuwiegeln – das ist nicht nur abartig, sondern auch noch extrem feige. Und dafür wird einem Friedrich Merz, der ja nun nicht das erste Mal damit aufgefallen ist, totalen Unsinn zu erzählen und Arme gegen noch Ärmere aufzuwiegeln, auch noch immer wieder eine Bühne geboten! In diesem Fall zwar nur WELT-TV von den Oberhetzern von Springer, aber oft genug darf der CDU-Chef seinen Verbalmüll ja auch in seriöseren Formaten absondern.

Nun wird das zwar richtiggestellt in vielen Medien, aber ich würde mir hier mal eine klar Kante wünschen: „So, Fritze, jetzt langt’s! Egal, ob du nun CDU-Vortänzer bist oder nicht, einen so hemmungslosen, spalterischen und menschenverachtenden Lügner wollen wir hier nicht mehr haben. Zukünftig wirst du nicht mehr eingeladen!“ Das wäre mal eine Ansage, um so einem indiskutablen Typen wie Merz adäquat zu begegnen.

Denn auch die Schreiber der Dementis wissen ja: Ist eine Lüge erst mal in der Welt, kann sie nur schwer wieder eingefangen werden, und zudem genießt eine prominent verbreitete Unwahrheit in der Regel mehr Aufmerksamkeit als ihre nachfolgende Richtigstellung.

Und spätestens wenn Merz dann nächstes Mal bei Lanz, Maischberger und Co. sitzt, wird er wieder seinen kruden Unfug raushauen dürfen – den dann wieder erst mal Tausende Zuschauer glauben, bevor dann erneut später dementiert werden kann. Immer wieder das gleiche Spiel – kennt man ja von Rechtsaußen. Kann man als öffentlich-rechtlicher Sender natürlich mitmachen, muss man aber nicht.

Meine Frau schaltete danach dann weiter aufs ZDF, und da wurde dann eine Umfrage präsentiert zur angeblichen „Migrationskrise“. Allein schon der Begriff ließ mich stutzen: Was soll das denn jetzt? Wieso haben wir denn nun auf einmal eine Krise mit Migranten? Davon hab ich bisher zumindest noch nichts mitbekommen.

Aber anscheinend beschäftigt das wohl viele Deutsche, denn zumindest hat eine deutliche Mehrheit zu verstehen gegeben, dass sie die aktuelle Migrations- und Asylpolitik der Regierung als ungenügend ansehen – was wohl nichts anderes als „zu lasch“ bedeuten soll. So wurde es einem zumindest nahegelegt vonseiten der Moderatoren.

Na, das ist dann ja super Futter für die AfD! Denn nun können die Blaubraunen endlich gut belegt das rumposaunen, was sie ja schon immer gern machen, nämlich dass sie ja für die Mehrheit der Bevölkerung sprächen.

Mir scheint es vielmehr so, als würde auf diese Weise ein Popanz aufgebaut, mit dem man dann im Nachhinein die schäbige Asylreform der EU gerechtfertigt werden soll. Klar, es kommen viele Flüchtlinge hier in Europa an, und sehr viele kommen auf dem Weg hierher dabei ums Leben. Und auch der Krieg in der Ukraine führt dazu, dass viele Menschen von dort fliehen. Tja, und dass die Kommunen, die das dann alles wuppen müssen, dazu nicht die notwendigen Kapazitäten und Mittel haben, weil sie seit Jahren kaputtgespart werden, ist auch nichts Neues.

Daraus nun aber eine aktuelle „Migrationskrise“ zu konstruieren (wobei ich mir vorstellen könnte, dass dieser Begriff zuerst von Springer-Schmierfinken aufgebracht wurde), finde ich dann doch reichlich absurd. Mal von der ekelhaften Begrifflichkeit abgesehen, die allein eurozentristisch auf hiesige Befindlichkeiten abstellt. Für die Geflüchteten dürfte sich das Ganze nämlich noch deutlich krisenhafter darstellen als für den deutschen Sesselpuper, der sich nun darüber aufregt, dass „die“ schon wieder alle hierher wollen.

Die Frage, inwieweit unser Lebensstil denn dazu beiträgt, dass immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen, fehlte natürlich auch wieder komplett …

Ich hab mal in der Schule im Sozialkundeunterricht gelernt, dass man Umfragen eigentlich immer mit einer gewissen Intention startet, die man dadurch dann bestätigt bekommen möchte. Was also die Intention hinter einer solche Umfrage, wie sie im ZDF präsentiert wurde, gewesen sein mag, ist nun nicht so ganz schwierig zu vermuten, finde ich: Stimmungsmache pro AfD und andere Rechtsausleger, wie sie sich eben auch immer lauter und vermehrter in der Merz-CDU finden.

Auch hier finde ich, dass es eigentlich die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im Sinne einer wehrhaften Demokratie sein sollte, hier nicht weiter Spaltung zu betreiben und rechtsextremen Demokratiefeinden in die Karten zu spielen.

Und selbst wenn es nun so eine Umfrage gibt, dann stellt sich ja auch immer die Frage: Muss man darüber berichten? Dabei geht es mir nicht darum, Unangenehmes unter den Teppich zu kehren, aber es gibt ja immerhin genug andere relevante Sachen, über die auch nicht berichtet wird im ZDF. Warum muss dann also so eine Umfrage derart hervorgehoben werden?

Meine Antwortthese darauf: weil die Neoliberalen die AfD normalisieren möchten, um so ihre kaputte Ideologie weiter am Laufen zu halten (s. dazu hier). Und Neoliberale dürfte es in den Redaktionsstuben, zumal unter den Chefredakteuren, ja reichlich geben.

Ist auch nichts ganz Neues, denn das man auf diese Weise die AfD stark macht, hat David Goeßmann ja vor einige Monaten in einer Analyse auf Telepolis bereits nachvollziehbar dargestellt.

Die Krönung kam dann allerdings, als meine Frau weiter durch das Programm zappte. Und dabei auf einen merkwürdigen Fernsehsender stieß, der uns beiden nicht nur komplett unbekannt war, sondern auch auf Anhieb sehr suspekt vorkam: AUF1.

Na ja, zunächst mal sahen wir nur ein Logo „SRGT“, aber eine kurze Recherche im Internet ergab, dass es sich dabei nur um eine Art „Trägerkanal“ handelt für den österreichischen Sender AUF1, der bisher vor allem über Telegram seine rechtslastigen Inhalte verbreitete (s. dazu hier). Und so findet sich da dann auch schön Klimawandelleugnerei und ähnlich absurdes Gedöns, was eben Rechte bis Rechtsaußen gern hören und sehen mögen.

Und so was findet man nun also auch ganz normal im Fernsehen über Satellit. Dadurch bekommen die Inhalte für viele Menschen eine größere Seriosität, zudem werden eben auch Zuschauer angesprochen, die nicht internetaffin sind. Dass so ein Schwurbelrotz nun also auch eine Sendelizenz erhalten hat, finde ich schon ein starkes Stück. Nichts gegen Meinungsfreiheit, aber gewisse journalistische Standards sollten doch bitte schon gewahrt werden, oder?

Da habe ich nun in ein paar Minuten im Urlaub mitbekommen, was Leute, die wirklich viel fernsehen (was bei mir so gut wie gar nicht der Fall ist, höchstens mal gezielt etwas in der Mediathek), für eine Dröhnung abbekommen. Irgendwie dann auch kein Wunder, wenn die Menschen immer mehr nach rechts abdriften, so sie diesem Gedöns denn Tag für Tag ausgesetzt sind.

Als vierte Säule der Demokratie versagen viele Medien allerdings in zunehmend größerem Maße …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Der Rechtsrutsch und die Medien“

  1. Und dass nun mit AUF1 ein rechter Schwurbelkanal im deutschen Fernsehen präsent ist, kommt auch alles andere als überraschend, denn die taz hat schon vor über einem Jahr in einem Artikel darauf hingewiesen dass der österreichische Sender nach Deutschland expandiert. Wenn das dann so relativ problemlos funktioniert, dann scheint man sich ja nicht richtig viel Mühe zu geben, solche Verbreitung von Hetze und Desinformation unterbinden zu wollen …

  2. Und die CDU befindet sich weiter auf dem Weg nach ganz rechtsaußen. Diesmal ist es Jens Spahn, der laut einem Artikel vom RedaktionsNetzwerk Deutschland illegale Migration auch mit „physischer Gewalt“ stoppen will.

    Wo bleibt da bitte der mediale Aufschrei? Dass dieser nicht zu vernehmen ist, zeigt doch nur, wie rechtslastig und verroht unsere Medienlandschaft mittlerweile ist. Einfach nur noch abstoßend!

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