Die Verlogenheit der FDP

Dass ich die FDP nicht mag, daraus mach ich ja schon länger kein Geheimnis. Gerade gebärdet sich Lindners Trümmertruppe aber mal wieder auf eine Weise, die besonders verlogen und damit auch ekelhaft ist, und zwar beim EU-Lieferkettengesetz.

Dabei sollte so ein Lieferkettengesetz eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wenngleich sich schon seit Jahren Wirtschaftslobbyisten und deren politisches Ausführungspersonal von (in erster Linie) CDU/CSU und FDP vehement dagegen sträuben. Meine Erfahrung ist zumindest, dass die meisten Menschen Kinderarbeit, Sklavenhaltung und Umweltzerstörung ziemlich übel finden und gern davon ausgehen würden, dass Produkte, die sie kaufen, nicht unter solche miesen Bedingungen hergestellt würden.

Und genau das soll ja das Lieferkettengesetz verhindern, indem nämlich die Unternehmen dafür verantwortlich gemacht werden, was für Zustände bei ihren Zulieferbetrieben herrschen. Interessanterweise weiß zudem ein Artikel im Handelsblatt Folgendes zu berichten:

Eine repräsentative Umfrage des Handelsblatt Research Institute (HRI) im Auftrag von Creditreform bei 2000 Unternehmen in Deutschland zeigt: Nur sieben Prozent der Betriebe lehnen die Verpflichtung ab, auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu achten.

Die große Mehrheit ist dafür. Knapp 44 Prozent der Befragten achten bereits heute auf Nachhaltigkeit in ihrer Lieferkette, weitere 37 Prozent tun dies schon teilweise, nur elf Prozent tun gar nichts.

Na so was – da scheint ja also gar nicht „die Wirtschaft“ etwas gegen eine solche Regelung zu haben, sondern nur ein paar wenige Konzerne, denen Menschenrechte egal sind – und genau das ist eben die Klientel der asozialen FDP, die für Menschenrechte auch nichts übrig hat.

Und so postet man dann fröhlich entsprechende Beiträge in den sozialen Medien, mit denen man sich dafür feiert, ein EU-Lieferkettengesetz zu verhindern:

Dass „die Wirtschaft“ das anders sieht, hat ja das Handelsblatt schon mit ein paar Zahlen belegt. Aber solche „Feinheiten“ interessieren natürlich die gelben Populisten nicht im Geringsten.

Ein weiterer Social-Media-Beitrag dazu:

Da wird natürlich gleich auch mal wieder auf die kleinen Unternehmen abgestellt – und damit schlichtweg gelogen. Denn in einem Artikel von Armin Paasch in den Blättern für deutsche und internationale Politik zu dem Thema findet sich eine Zusammenfassung, für wen das Lieferkettengesetz denn überhaupt gilt bzw. gelten soll:

Dabei galt das Gesetz nur für rund 1300 Unternehmen mit je über 3000 Mitarbeitenden. Zum 1. Januar 2024 wurde der Anwendungsbereich auf etwa 5200 Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitenden ausgeweitet.

[…]

Das jetzt vereinbarte EU-Lieferkettengesetz würde den Anwendungsbereich europaweit auf Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden ausweiten. Zusätzlich gilt eine Mindestumsatzschwelle von 150 Mio. Euro in der EU, auch für Unternehmen, die außerhalb der EU registriert sind. In bestimmten Hochrisikosektoren – wie Bergbau, Landwirtschaft und Textilien – werden Unternehmen bereits ab 250 Mitarbeitenden erfasst.

Das liest sich jetzt für mich nicht so richtig nach Kleinbetrieben, oder? Aber solche Feinheiten sind dummbratzigen FDP-Wählern natürlich komplett egal, sobald die FDP jammert und keift, dass sich etwas gegen „die Wirtschaft“ richten würde, dann bölken diese Freaks schon „Ja, genau!“ – und damit ist das Thema offenbar erledigt.

Eine weitere (leider nicht lustige) Posse hierbei: Die FDP moniert die ganze Zeit, dass es sich bei dem EU-Lieferkettengesetz angeblich um ein „Bürokratiemonster“ handeln würde, das man nun zum Glück abwehren konnte.

Dieses Gelaber von zu viel Bürokratie kennt man ja von der FDP schon länger. Nun habe ich allerdings auch etwas beobachtet, was das ein bisschen ins Absurde rückt und als pure Demokratiefeindlichkeit entlarvt.

Konkret fiel mir das gerade neulich wieder auf, als meine Frau, die als Ärztin in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) arbeitet, einen IT-Techniker brauchte. Das geht dann nicht einfach so, dass man den anruft und bittet, mal demnächst vorbeizukommen (der Träger des MVZ hat eine eigene IT-Abteilung, es muss also niemand Externes dafür angefordert werden), sondern es muss ein Ticket gebucht werden. Das ist dann schon etwas aufwendig, und dann erhält man irgendwann ein Antwortticket zurück, auf dem dann ein Termin steht. Bescheuert, oder?

Ein anderes Beispiel: Ich habe mich 2002 als Lektor selbstständig gemacht, und in den ersten Jahren konnte ich einfach so Rechnungen an meine Kunden stellen. Einige große Jobs habe ich natürlich einzeln abgerechnet, bei mehreren kleinen Aufträge für dieselbe Agentur habe ich dann eine Gesamtrechnung geschrieben. Nun fing es irgendwann an, dass jeder Job eine einzelne Rechnung brauchte, dann waren bald Auftragsnummer und Ähnliches notwendig, sodass sich der administrative Aufwand erhöht hat, ohne dass der Vorgang schneller bearbeitet wird.

Wer denkt sich so was immer wieder aus? Genau, das mittlere Management und Controlling – also Leute, die meistens komplett überflüssigen Tätigkeiten nachgehen, sogenannte Bullshit-Jobs haben. Und damit die dann auch mal etwas vorweisen können (außer dass sie den ganzen Tag nur die Sachen auf ihrem Schreibtisch umherschieben oder ihre Aktentasche aufräumen), denken die sich eben so einen Quark aus (den sie dann gern in aufgeblähten Meetings präsentieren), der für alle, die wirklich produktiv arbeiten, dann schlichtweg Mehrarbeit bedeutet. Und zwar recht bürokratische Mehrarbeit.

Tja, und genau diese Bullshit-Jobber sind diejenigen, die vermutlich häufig FDP wählen, von denen als Klientel verstanden und als Leistungsträger bezeichnet werden.

Was dann ja schon irgendwie den Schluss nahelegt, dass es der FDP gar nicht um den Abbau von Bürokratie geht, sondern um deren Verlagerung, und zwar von der öffentlichen Hand hin zu privaten Akteuren, sodass Regulierungen nicht mehr demokratisch kontrolliert werden, sondern von nicht gewählten BWLern.

Wisst Ihr, welche Regierungsform genau so funktioniert? Das ist nämlich nicht die Demokratie, sondern der Feudalismus. Was dann auch wieder dazu passt, dass die FDP ja ständig an einer Refeudalisierung der Gesellschaft arbeitet, indem diejenigen, die sowieso schon zu viel Geld haben, noch mehr davon bekommen – und damit auch mehr Macht erhalten. Statt Geburtsadel also quasi Geldadel – wobei natürlich in zunehmendem Maße auch hierbei durch Erbe die Geburtslotterie entscheidet, ob man zur Aristokratie dazugehört oder eben zum zu gängelnden „Pöbel“.

Hier wird also, wie es die FDP schon bei dem schönen Begriff „Freiheit“ seit Jahrzehnten macht, ein positiv besetzter Begriff („Bürokratieabbau“) instrumentalisiert, um letztlich reaktionäre Politik zum Schaden der Allgemeinheit zu verkaufen. Und viel zu viele fallen dann auch noch immer wieder darauf rein.

Was nun in diesem speziellen Fall des Lieferkettengesetzes noch hinzukommt: Durch dessen Ablehnung wird der rassistische Aspekt der kapitalistischen Weltwirtschaft – Menschen im globalen Süden werden für den Konsum der Menschen im globalen Norden geschunden und ausgebeutet – noch weiter verfestigt und aufrechterhalten. Woran man dann mal wieder sieht, dass die FDP im Grunde genauso eine rechte Partei ist wie die AfD (wie ich ja vor einigen Jahren hier schon mal festgestellt habe), was sich ja auch in weitgehenden Überschneidungen der Programmatik, vor allem in den Bereichen Wirtschafts- und Sozialpolitik, beider Parteien zeigt. Nur poltert die FDP eben ihren rechten Müll nicht so offensichtlich raus wie die AfD, sondern bedient sich dafür gern verklärender Begriffe, sodass man dem gleichen Mist nur einen bürgerlicheren Anstrich verpasst.

Und da zeigt sich dann auch eine Parallele von FDP- und AfD-Wählern: Die lassen sich beide gern belügen, wenn es ihnen in den Kram oder ins krude Weltbild passt, und sind dann entweder zu ignorant oder zu dumm (oder beides), um das zu merken.

Es ist also schon ganz richtig, die AfD als demokratiegefährdend zu bezeichnen, nur sollte man dann eben nicht bei den blaubraunen Rumpelköppen stehen bleiben, sondern auch die anderen Antidemokraten, die sich teilweise ja sogar auf den aktuellen Demos gegen Rechts rumtreiben (s. hier), klar als das bezeichnen, was sie sind.

Sonst haben wir nämlich schneller rechtsextreme Bundesminister, als es uns lieb ist …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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