Immer diese Katzenbesitzer!

Stellt Euch vor, in einem Paralleluniversum wären Katzenbesitzer in der Weise Sündenböcke, wie das bei uns zurzeit mit Migranten der Fall wäre …

Das Ganze ging los, weil irgendein mächtiger Medienmogul, nennen wir ihn mal Friedrich Läufer, etwas gegen die Stubentiger hatte: Die jagen Vögel, die kacken überall hin, wenn sie Freigänger sind, und dann noch die ganze Haare, gegen die ja zudem auch viele Menschen allergisch sind.

Da kam es Läufer nun recht gelegen, als bei einem psychisch kranken Menschen, der vollkommen unvorhersehbar bei einem Schützenfest durchdrehte und auf andere Besucher mit einem Messer einstach, in der Berichterstattung auftauchte, dass der Typ ansonsten ein recht unauffälliger und freundlicher Geselle gewesen wäre, der sich immer sehr liebevoll um seine Katze gekümmert hätte.

Katze?

Sogleich ließ Läufer ein paar Redakteure recherchieren: Gab es vielleicht in jüngerer Vergangenheit schon mal Gewaltverbrechen, bei denen der Täter eine Katze hatte?

Beim nächsten Gewaltverbrechen, das irgendwo im Land stattfand, ging es nun in der Läufer-Presse vor allem erst mal darum, zu überprüfen, ob der Täter vielleicht eine Katze gehabt hat. Da nun Katzen durchaus recht verbreitet sind, dauerte es auch nicht lange, bis man fündig wurde. Und entsprechend lautete dann auch die Schlagzeile: „Messerangriff am Wochenende: schon wieder ein Katzenfreund!“

Als Nächstes wurden dann die Rechercheergebnisse der Redakteure geballt als Hintergrundstory veröffentlicht: „Die blutige Spur der Katzenmenschen!“ – der Titel sorgte dann schon für einiges an Aufmerksamkeit.

Und weiter ging’s: Nun brauchte Läufer einen Wissenschaftler, der für seine steile These einen entsprechenden Background liefern würde. Den fand er auch schnell in einem emeritierten Philosophen, der durchaus eine gewisse Talkshow-Bekanntheit hatte und zudem einem kleinen Obolus vonseiten Läufers nicht abgeneigt war.

So ließ dieser „Experte“ dann verlauten, dass Katzen ja schon zur Eingebrötlerei neigten, da sie keine Rudeltiere seien, und zudem auch schon mal kräftig austeilen könnten – was für eine gewisse labile Haltung ihrer Besitzer spräche, die sich so was einfach gefallen ließen. Ein Tierarzt wurde auch noch befragt, der bestätigte, dass Katzen häufiger kompliziertere Patienten seien als beispielsweise Hunde (oder gar Meerschweinchen), was dann ja irgendwie auch Rückschlüsse auf deren Besitzer zulassen würde.

Die Saat war ausgebracht, und Menschen finden an, ihre Nachbarn, die eine Katze hatten, skeptisch zu beäugen.

Da Läufer selbst recht vermögend war, war es sehr in seinem Interesse, dass nach solchen Gewaltverbrechen nicht nach anderen Ursachen gesucht würde, beispielsweise einer nicht ausreichenden psychosozialen Betreuung. Solche Diskussionen führen ja nur zu Forderungen nach mehr öffentlichen Interventionen, und Läufers Credo lautete ja: je weniger Staat, desto besser (für ihn und seinesgleichen). Jugendarbeit, bessere Bildung, mehr Stellen für Psychotherapie – alles Teufelszeug in Läufers Augen, denn das Geld, was so was kostet, könnte man doch schließlich besser in Steuergeschenke (für ihn und seinesgleichen) investieren.

Blöderweise wurden allerdings auch Attentate von Menschen verübt, die keine Katze hatten. Wenn also Läufers Redakteure nach einem Verbrechen das Social-Media-Profil des Täters checkten und dort beispielsweise nur Bilder von Hunden, anderen Kleintieren oder gar keinen Vierbeinern fanden, dann wurde auch kein großer Aufriss darum gemacht. So was passiert halt – eine kleine Meldung auf Seite 3 (wenn überhaupt) reicht da dann auch aus.

Auch etliche Politiker, vor allem aus dem rechten und konservativen Spektrum, nahmen diese Erzählung gern auf. Damit konnte man klasse Stimmung machen, die Menschen im Land nach dem Teile-und-herrsche-Prinzip schön gegeneinander aufwiegeln und sich davor drücken, wirklich wichtige Probleme anzugehen, indem ein Popanz aufgebaut wurde, auf den sich irgendwann alle fokussierten: Die Katzenbesitzer sind das größte Problem in diesem Land!

Schnell wurden dann auch Forderungen laut, hier gesonderte Strafen zu verhängen. Wer beispielsweise bei Rot über eine Ampel fährt und eine Katze hat, dem sollte der Führerschein gleich entzogen werden, da er ja ohnehin schon zu verdächtigem Verhalten neigt. Bei mehrmaligen Verstößen könnte dann auch der Stubentiger zwangsweise in ein Tierheim verbracht werden. Irgendwie musste man dieser Gefahr ja schließlich Herr werden!

Zwar gab es etliche Wissenschaftler, die belegen konnten, dass Katzenbesitzer nicht gefährlicher seien als Nichtkatzenbesitzer, und auch die Kriminalitätsstatistik gab nichts her, was die Läufer-Kampagne untermauern würde, sondern zeigte sogar auf, dass das Land immer sicherer geworden sei in den letzten Jahrzehnten und zunehmend weniger Gewaltverbrechen begangen wurden. Aber das interessierte leider kaum jemanden, denn Angst ist ein probates Mittel, um zu herrschen, seine Interessen durchzusetzen und zudem Menschen dazu zu bringen, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln.

Und so gab es bald unschöne Szenen, zunächst in den sozialen Medien. Wenn jemand schrieb, dass er traurig sei, weil seine Katze gestorben sei, dann hagelte es hämische Kommentare von Katzenfeinden. Zudem wurden irgendwann auch Menschen auf offener Straße verbal oder sogar physisch attackiert, wenn sie Katzenfutter in ihrem Einkaufskorb hatten und dies für andere sichtbar transportierten. Zwar wurden solche Angriffe von sogenannten Katzisten immer wieder in Medien und vonseiten der Politik verurteilt, andererseits tat man auch nicht wirklich was dagegen, sondern schüttete lieber weiter Öl ins Feuer, um die Nebelkerze weiter am Brennen zu halten.

Es war ja auch zu bequem: Vor Wahlen sprachen alle nur noch über die Katzenbesitzer, sodass sämtliche anderen Probleme, für die man keine Lösungen anzubieten hatte, unter den Tisch fielen. Wie praktisch!

Und so wurde die Stimmung immer weiter angeheizt mit Lügen, die aber so oft wiederholt wurden, dass sie irgendwann zu einer gefühlten Wahrheit wurden: Katzen würde bei Tierärzten bevorzugt behandelt werden. Katzenbesitzer wollten alle Hunde und deren Besitzer töten. Und so weiter und so fort …

Als die Menschen dann irgendwann merkten, dass es ihnen selbst ja gar nicht besser ging, obwohl immer mehr gegen Katzenbesitzer unternommen und diese zunehmend diskriminiert wurden, dass sie immer weniger Geld zur Verfügung hatten, immer mehr Misstrauen und Argwohn herrschten, immer mehr charakterlich untaugliche Typen in politische Führungspositionen gespült wurden und auch sie immer mehr überwacht wurden, obwohl sie ja gar keine Katzen hatten, da war es dann zu spät, um noch umzusteuern. Läufer und seinesgleichen hatten den Staat zu einer katzistischen Oligarchie umgebaut, und in der hatten nun alle – ob Katzenbesitzer oder nicht – nicht mehr viel zu lachen.

Klingt absurd? Nun, ähnlich absurd mag für die Menschen aus diesem Paralleluniversum anmuten, was hier bei uns gerade geschieht …

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Schreibe einen Kommentar