Hotel Ruanda

Letztes Jahr fanden sich einige wenige Berichte in den Medien, die an das Massaker der Hutu an den Tutsi in Ruanda 20 Jahre zuvor erinnerten. Ich selbst hatte nur noch eine sehr diffuse Erinnerung daran: Irgendeine Stammesfehde, bei der es innerhalb von wenigen Wochen sehr viele Tote gab und die irgendwie aus heiterem Himmel entstanden zu sein schien. Durch einen Artikel in den Blättern für deutsche und internationale Politik (leider nur als Bezahlartikel, aber sehr informativ zu den Hintergründen) zu dem Thema wurde ich dann auf den Film Hotel Ruanda aus dem Jahr 2005 aufmerksam, den ich nun endlich vor ein paar Tagen gesehen habe.

In zwei Stunden wird die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte des Hotelmanagers Paul Rusesabagina geschildert, einem Hutu, der mit einer Tutsi verheiratet ist und der von den Ereignissen überwältigt wird. Die Hutu bilden die Bevölkerungsmehrheit in Ruanda, Spannungen und Konflikte mit der Minderheit der Tutsi gab es schon einige, da diese von den Kolonialherren sozusagen als „schwarze Weiße“ angesehen und damit den Hutus gegenüber bevorzugt behandelt wurden (zur Geschichte Ruandas einfach mal bei Wikipedia nachschauen, das würde hier den Rahmen sprengen), aber was nun geschehen sollte, nachdem das Flugzeug von Präsident Juvénal Habyarimana beim Landeanflug auf den Flughafen von Kigali von einer Rakete getroffen wurde, war für Paul, der in der relativ abgeschiedenen heilen Welt in seinem Hotel lebt, nicht vorhersehbar. Da er selbst mit einer Tutsi verheiratet ist, wird auch er zum Ziel von radikalen Hutus, die in nur wenigen Wochen zwischen 800.000 und einer Million (die Zahlen schwanken da) Tutsi und gemäßigte Hutus ermorden, meistens auf bestialische Weise mit Macheten – ein Genozid, der in seiner Geschwindigkeit bisher einmalig in der Menschheitsgeschichte ist. Das Hotel wird letztlich zum letzten Zufluchtspunkt, der von ein paar wenigen UN-Blauhelmen noch zu schützen versucht wird, aber die Lage spitzt sich schnell dramatisch zu …

Der Film ist keine reine Geschichtsstunde, sondern besticht durch eine Dramaturgie, die den Zuschauer gut mit Paul mitfühlen lässt, wenngleich man am Anfang schon gut aufpassen muss, um in die ethnische Struktur Ruandas (die den meisten eher nicht so geläufig sein dürfte) hineinzukommen. Die Besetzung ist top, neben Don Cheadle als Paul Rusesabagina sind so in Nebenrollen bekannte Namen wie Nick Nolte und Joaquin Phoenix zu sehen. Es wird nicht reißerisch agiert, die Grausamkeit des Völkermordes wird nur in wenigen, dafür aber umso eindringlicheren Szenen mehr oder weniger direkt gezeigt, trotzdem ist man am Ende des Films von einer beklemmenden Erschütterung ergriffen und fragt sich, wie Hass derart eskalieren kann, das derartige Gräueltaten möglich werden.

Was dem Film vor allem eine ziemliche Aktualität gibt, ist das dort gezeigte Verhalten der in diesen Tage ja immer wieder viel beschworenen sogenannten westlichen Wertegemeinschaft. Diese hat sich nämlich, von einigen wenigen individuellen Ausnahmen mal abgesehen, einen ziemlichen Dreck darum geschert, was mit den Menschen in Ruanda geschieht. Auch wenn in hiesigen Medien immer suggeriert wurde, dass der Konflikt dort unvorhersehbar und überraschend eskaliert sei, so zeigt doch der oben verlinkte Blätter-Artikel, dass das eben nicht der Fall war und auch westliche Entscheidungsträger durchaus um die sich zuspitzende Lage in Ruanda wussten. Nur hatte niemand Interesse daran, in einem wirtschaftlich nicht wirklich interessanten Land, das noch nicht mal Ölvorkommen hat, militärisches Engagement zur Verhinderung eines Genozids zu verhindern. (Nick Nolte als Blauhelm-Offizier Oliver bringt das in einer Szene sehr direkt und mit drastischen Worten auf den Punkt.) Die Wertegemeinschaft wird also immer nur dann als Legitimierung bemüht, wenn auch entsprechende geopolitische oder Wirtschaftsinteressen dahinterstehen – das sollte man mit dem Beispiel Ruanda im Hinterkopf haben, wenn sich Politiker mal wieder zu Sonntagsreden aufschwingen, um Zustimmung für neue Waffengänge heischen zu wollen.

Hotel Ruanda ist somit ein brandaktueller Film, da er über die spezifischen Ereignisse in Ruanda hinaus ein treffendes Bild davon vermittelt, wie Geopolitik funktioniert. Unbedingt sehenswert!

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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