Obergrenzen

Der Begriff der Obergrenze ist ja zurzeit sehr präsent in der öffentliche politische Diskussion, da vielerorten eine solche für die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert wird. Wie das dann genau umgesetzt werden sollte, ist dabei zwar nicht zu erfahren, und als Konter gibt es dann von denjenigen, die diese Idee (m. E. zu Recht) für unzivilisierten Mumpitz halten, nicht selten die Anmerkung, dass es doch besser eine Obergrenze für Blödheit und Populismus geben sollte. Doch auch deren Definition und Umsetzung würden sich wohl reichlich schwierig gestalten. Dabei gäbe es doch durchaus sinnvolle Obergrenzen, die mal gesetzt werden könnten. Ein paar sind mir recht spontan eingefallen, vielleicht kommen Euch ja auch noch welche in den Sinn und Ihr habt Lust, uns diese dann mitzuteilen.

Obergrenze für Konzerngrößen

Schon in den 70er-Jahren gab es ja den populären Slogan „Konzerne zerschlagen“. Wie weitsichtig dies war, wird heute mehr und mehr deutlich: Einige Konzerne sind so groß geworden, dass sie teilweise monopolistisch agieren können, und wenn der Laden dann mal an die Wand gefahren wird, dann sind sie eben „too big to fail“, sodass Steuergelder aufgewendet werden müssen, um Managementversagen auszubügeln. Ach ja, und mit den Steuern ist das ja auch so eine Sache, wenn ein Konzern nur groß genug ist, dass er international agieren kann, dann werden die nämlich weitestgehend minimiert, indem alle Gewinne zu Briefkastendependancen in Steuerparadiesen verschoben oder andere internationale Steuerschlupflöcher genutzt werden. Zudem sind etliche Konzerne mittlerweile so groß, dass sie von einzelstaatlichen Rechtssystemen überhaupt nicht mehr erfasst geschweige denn sanktioniert werden können.

Natürlich kann man nicht alles in Kleinbetrieben herstellen, wenn man beispielsweise große Schiffe bauen möchte, dann braucht man auch entsprechendes Werksgelände und viele Mitarbeiter. Aber die Zusammenklumpung von immer mehr Unternehmen (die mitunter noch nicht mal aus der gleichen Branche stammen müssen) zu immer größeren Konzernen nutzt im Prinzip nur den Konzerninhabern, deren Führungspersonal und den Aktionären etwas – und vielleicht noch denjenigen, die in aufgrund von unübersichtlichen Konzerngrößen aufgeblähten Verwaltungsbereichen im mittleren Management (Controlling zum Beispiel) Bullshit-Jobs erledigen, die in keinem kleineren Unternehmen notwendig sind. Alle anderen haben dadurch Nachteile, von den Verbrauchern, deren Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden (versucht mal, einen Konzern wie Nestlé aus Eurem Haushalt zu verbannen, das ist nicht so ganz einfach, wenn man sich damit beschäftigt, was alles dazugehört), bis zum Allgemeinwesen, dem Steuern vorenthalten werden, sodass es zunehmend verarmt. Vom Umweltschutz und von Menschenrechten, über die sich Großkonzerne gern hinwegsetzen (weil sie es eben können aufgrund ihrer globalisierten Finanzmacht), mal ganz abgesehen.

Insofern fände ich es sinnvoll, wenn es branchenspezifische Obergrenzen für Unternehmensgrößen gäbe. Ob man diese nun an der Mitarbeiterzahl oder am Umsatzvolumen festmacht, wäre noch zu überlegen, auch eine Begrenzung der Anzahl an Franchisenehmern wäre natürlich angebracht. Die Vorteile liegen auf der Hand: größere Produktvielfalt mit regionalen Ausprägungen, tatsächlicher Wettbewerb unter ähnlichen Voraussetzungen für alle Anbieter, weniger Steuervermeidung, bessere Sanktionsmöglichkeiten von Verbrauchern bei Fehlverhalten von Unternehmen, weniger Erpressbarkeit demokratisch gewählter Regierungen … Klingt doch super, oder?

Obergrenze für Einkommen/Vermögen

Ein Mindestlohn wurde nun ja vor gut einem Jahr endlich auch in Deutschland eingeführt – wie sähe es denn aber mal mit einem Maximallohn aus? Klingt vielleicht erst mal ein wenig schräg, aber wenn man sich mal überlegt, was die Arbeit von jemandem denn überhaupt an Entlohnung wert sein kann, vielleicht doch nicht mehr ganz so abwegig.

Ich kann mich noch erinnern, als ich Jugendlicher war, dass es als extrem reich galt, wenn jemand Millionär war. Heute gibt es Leute, die bekommen mehrere Millionen im Jahr – wofür eigentlich? Gut, bei extrem talentierten Menschen aus dem Showbusiness oder Sportbereich kann ich mir das irgendwie vielleicht sogar noch herleiten, da eben ein besonderes Talent vorliegt, das nicht jeder hat und das zudem in der Regel auch nicht unendlich lange materiell ausgeschlachtet werden kann (bei Sportlern ist da ja meistens recht schnell Schluss, bei Künstlern oft nach den ersten größeren Misserfolgen). Aber wenn jemand einfach nur einen Bürojob macht – wieso muss der dann in einem Jahr so viel Geld bekommen (von „verdienen“ mag ich da gar nicht reden), wie andere, die auch einen Bürojob machen oder was anderes arbeiten, nicht in ihrem ganzen Leben verdienen?

Die Antwort ist einfach: Bestimmte Berufsgruppen (vor allem das höhere Management) machen sich ihre Arbeitsverträge selbst. Und da wird dann eben abkassiert bis zum Abwinken. Das ist natürlich ungerecht, weil gerade diese Leute oftmals so gut wie keine praktische Wertschöpfung leisten, sondern nur von der Arbeit anderer profitieren.

Und mit diesen absurden Gehältern oder auch mit hohen Erbschaften werden dann immer größere Vermögen angehäuft – oft auch so große, dass das Geld gar nicht mehr ausgegeben werden kann in einem einzigen Leben. Doch als Hilfsmittel, um sich Dinge zu kaufen und sein Leben zu finanzieren, wird Geld dann auch gar nicht mehr verstanden, sondern eher als etwas, mit man protzen (die Forbes-Listen liefern das praktische Ranking dafür), noch mehr Geld anhäufen (wofür auch immer) und/oder mithilfe des Geldes Macht ausüben kann, damit man dann … noch mehr Geld anhäufen kann. Geld-Junkies sozusagen, eigentlich eine bedauernswerte Spezies, wenn sie nicht so viel Schaden durch ihr Verhalten anrichten würden.

Denn das Geld muss ja letztlich irgendwo erwirtschaftet werden, und denjenigen, die genau das machen, wird es dann vorenthalten. Das Ganze nennt sich Umverteilung und hat mittlerweile bei uns groteske Ausmaße angenommen: Immer mehr Menschen sind arm, während einige wenige sich immer größerer Reichtümer erfreuen.

Hier wäre also eine Obergrenze wahrlich angebracht, um dieses Ungleichgewicht wieder ein bisschen auszugleichen. Wo diese Grenze nun gesetzt wird, wäre natürlich zu diskutieren, aber mal als aus der Hüfte geschossener Wert so in die Runde geschmissen: Mehr als eine Million Euro pro Jahr braucht eigentlich niemand zu bekommen, oder? Das kann man eh schon nur schwerlich ausgeben. Und mehr als 50 Millionen Euro muss auch niemand an Vermögen haben. Davon kann man bis an sein Lebensende am Pool sitzen und Schampus trinken, und auch die Kinder werden niemals auch nur einen Handschlag arbeiten müssen, da noch genug für sie übrig bleibt.

Und alles, was darüber liegt, geht halt an den Staat, also an uns alle. Denn schließlich hat ja auch das Gemeinwesen, in dem jemand aufwächst, einen maßgeblichen Anteil daran, dass dieser überhaupt die Möglichkeit hat, ein Vermögen anzuhäufen. Dann kann man ruhig auch mal wieder ein bisschen was davon zurückgeben, oder nicht?

Obergrenze für Mieten

In den Großstädten in Deutschland explodieren seit ein paar Jahren die Mieten, sodass Wohnen kaum noch bezahlbar ist. Das ist natürlich vor allem deswegen bescheuert, weil Wohnen nun mal eine existenzielle Sache ist, und man kann ja nicht einfach sagen, dass man, um zu sparen, nun in einem Monat einfach nur noch 20 Tage wohnt. Geht nicht, und die Mieten können fast nur noch in Gegenden als moderat bezeichnet werden, die als strukturschwach gelten, wo es also wenig Arbeit gibt.

Diesem Umstand könnte man sehr leicht abhelfen, indem einfach keine rumeiernde sogenannte „Mietpreisbremse“ beschlossen wird, die allerhöchstens dazu führt, dass die Mieten vielleicht teilweise ein bisschen weniger rapide ansteigen, sondern indem eine tatsächliche Obergrenze für Mieten beschlossen wird: beispielsweise neun Euro kalt pro Quadratmeter für absolute Spitzenlagen, entsprechend niedriger für durchschnittliche Wohnlagen.

Das Gejammer vonseiten der Wohnungsbesitzer wäre natürlich groß, so von wegen, dass man dann den Wohnraum nicht mehr unterhalten könnte. Das ist natürlich kompletter Blödsinn, denn in den strukturschwachen Gegenden werden solche Mieten nicht ansatzweise realisiert, und die Erhaltung von Mietshäusern kostet dort auch nicht mehr, da die Löhne für Handwerker und die Materialkosten dort nicht zwingend höher sind. Was natürlich durch eine solche Obergrenze ausgebremst würde, wäre die spekulative Hochpreisigkeit von Grund und Boden an beliebten Standorten.

Die Folgen von einer solchen Obergrenze wären vermutlich das größte Konjunkturprogramm, was unser Land je gesehen hätte: Die Menschen, die nun einen Großteil (in Hamburg beispielsweise mehr als 50 %) ihres Einkommens für Miete ausgeben, hätten nun Geld über, um sich andere Dinge zuzulegen: mal einmal öfter zum Friseur gehen, eine Woche länger in den Urlaub fahren, bessere Nahrungsmittel und Klamotten kaufen, zu einem Ökostromanbieter wechseln, öfter mal ins Kino, Theater oder Konzert gehen usw. Die Gelder, die für Mieten ausgegeben werden, gelangen nämlich zu einem großen Teil nicht wieder in den heimischen Wirtschaftskreislauf, sondern landen bei Menschen, die eh schon mehr als genug Geld haben und daher gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen, sodass die Kohle gehortet oder in irgendwelche Finanzprodukte gesteckt wird.

Eine konkrete Obergrenze für Mieten würde also nicht nur mehr Geld für fast alle bedeuten, sondern auch noch die einheimische Wirtschaft massiv ankurbeln – etwas, das dem seit Jahren bestehenden deutschen Binnennachfragedefizit (auch als Exportüberschuss bekannt) durchaus produktiv entgegenwirken könnte.

Obergrenze für Schadstoffausstoß bei Neuwagen

Der vom Menschen gemachte Klimawandel ist ja mittlerweile als Realität weitgehend akzeptiert (nur noch schräge Vögel wie die AfD oder die Neocons in den USA verweigern sich dieser Erkenntnis beharrlich), sodass auch klar sein sollte, dass wir nicht weiter hemmungslos Kohlendioxid ausstoßen können im alltäglichen Leben. Bei vielen Dinge sind schon einige Umstellungen erforderlich, damit die Menschen in den Industrieländern ihre Emissionen reduzieren, bei einer Sache ginge das jedoch eigentlich ziemlich leicht: beim Verbrauch von Pkw.

Im Automobilbau hat sich in den letzten Jahren nämlich einiges getan im technischen Bereich, sodass heute schon extrem sparsame Fahrzeuge gebaut werden können. Allerdings gibt es immer noch genug riesige Dreckschleudern, die dank fetter SUV-Ausmaße und somit zwei Tonnen (und mehr) Gewicht oder aber aufgrund vollkommen unnötig hochgezüchteter Motoren (zwecks PS-Protzerei) Benzin verbrauchen wie nichts Gutes.

Hier auf eine Einsicht der Automobilbranche zu hoffen wäre wohl genauso illusorisch wie auf intelligente Konsumenten: Der Deutsche und sein Auto, das ist eine heilige Kuh, das ist Blech gewordenes Statussymbol, das ist der Inbegriff der deutschen Wirtschaft usw. Wenig rationale Argumente im Vergleich zu: Wir machen gerade unseren Planeten kaputt, und blöderweise haben wir keinen zweiten in petto …

Es wäre demzufolge der Gesetzgeber gefragt, hier eine Obergrenze zu installieren für den Verbrauch von Neuwagen. Was mehr Sprit schluckt, wird dann einfach nicht mehr zugelassen in Deutschland. Das würde auch kaum einen Automobilkonzern in den Ruin treiben, denn sparsame Modelle haben mittlerweile fast alle im Repertoire, es würden halt nur die Angeberkisten wegfallen. Dass auf diese Weise das Autofahren ein Stück weit entglorifiziert und auf eine rationalere Basis gestellt würde, wäre ein Nebeneffekt einer solchen Maßnahme, die wohl zudem noch zu weniger Unfalltoten auf den Straßen führen dürfte.

Einfach einen Grenzwert von, sagen wir mal, fünf Liter pro 100 Kilometer festlegen, den der Verbrauch Neuwagen nicht überschreiten darf, und dieser Wert könnte dann auch regelmäßig Stück für Stück gesenkt werden. Da könnte Deutschland dann wirklich mal zeigen, ob die Industrie tatsächlich so technisch innovativ ist, wie sie sich gern immer selbst rühmt.

Obergrenze für Nebentätigkeiten von Berufspolitikern

Politiker im Bundestag verdienen eine Menge Geld, mehr als die meisten ihrer Wähler je verdienen werden. Auch in Landtagen kann man davon ausgehen, dass Profis am politischen Werk sind, und die Entlohnungen sind auch dort entsprechend. Wozu brauchen diese Menschen also noch Nebentätigkeiten – und wieso haben die überhaupt Zeit dafür, wenn sie ihren eigentlichen Job als Politiker ernst nehmen und vernünftig ausüben?

Die Antwort ist recht einfach: Die meisten dieser Nebentätigkeiten sind nichts anderes als eine verschleierte Form der Korruption. Wer wird schon gern Entscheidungen treffen, die schlecht für ein Unternehmen sind, in dessen Aufsichtsrat man sitzt und von dem man also entsprechend bezahlt wird?

Berufspolitiker ist, wenn man den Job wirklich ernsthaft betriebt, eine durchaus anstrengende Tätigkeit, die auch entsprechend entlohnt werden muss. Dann sollten allerdings die Bürger als diejenigen, die diese Gehälter in Form von Diäten über ihre Steuern bezahlen, auch erwarten dürfen, dass ihre „Angestellten“ mit ganzem Herzen bei der Sache sind. Leere Bundestagsplenen passen da irgendwie nicht dazu, finde ich.

Insofern sollte es eine ganz klare Obergrenze für Nebentätigkeiten von Berufspolitikern geben, und diese kann eigentlich nur lauten: null.

 

Was sind nun die Unterschiede zwischen derartigen Obergrenzen und einer Obergrenze für Flüchtlinge? Nun, zu einen betreffen sie uns selbst und nicht irgendwelche anderen Menschen. Und zum anderen gibt es finanzkräftige Lobbyisten, die sich gegen solche Obergrenzen mächtig zur Wehr setzen würden. Ach ja: Und eine Obergrenze für Flüchtlinge ist menschenrechtlich fragwürdig und stellt wichtige zivilisatorische Errungenschaften unserer Gesellschaft infrage, wohingegen die oben beschriebenen Obergrenzen eher vielen Menschen zugutekämen und eine positive sozialgesellschaftliche Auswirkungen hätten. Tja, und nun können wir uns mal fragen, warum die Obergrenze für Flüchtlinge im öffentlichen Diskurs derart präsent ist, diese anderen Obergrenzen hingegen nicht. Und das wirft leider kein allzu gutes Licht auf unsere gesellschaftliche, politische und mediale Öffentlichkeit …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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