Präsidentenwahl in Österreich

Am Sonntag wurde in Österreich ein neuer Bundespräsident gewählt, und mit einem hauchdünnen Vorsprung konnte der grüne Kandidat Alexander Van der Bellen sich gegen Norbert Hofer, der für die rechtsextreme FPÖ antrat, durchsetzen. Dass nahezu die Hälfte aller abgegebenen Stimmen für einen Rechtsaußenkandidaten abgegeben wurden, sollte allerdings bei aller Erleichterung darüber, dass Hofer nun zumindest nicht Präsident geworden ist, bedenklich stimmen.

Zunächst einmal muss man allerdings nüchtern an die Betrachtung herangehen. Der tiefe Riss, der durch Österreichs Bevölkerung gehen soll und in vielen Berichten nach der Wahl Erwähnung fand (exemplarisch hier in einem an sich recht guten Kommentar von Ralf Leonhard in der taz), liegt insofern nicht vor, als dass das Wahlergebnis ja nicht aussagt, dass tatsächlich die Hälfte der Österreicher rechtsoffen ist. Letztlich waren es auf die Gesamtbevölkerung bezogen eben auch „nur“ etwa ein Viertel aller Österreicher, die für Hofer gestimmt haben. Wie es da mit der Zustimmung bei denjenigen, die nicht wählen wollten oder durften, aussieht, kann man nur mutmaßen. Es ist also durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Hälfte (oder noch mehr) aller Österreicher einen rechtsextremen Kandidaten bevorzugen würde – es könnten aber eben auch deutlich weniger sein.

Interessant ist es in jedem Fall, mal zu analysieren, bei welchen Wählergruppen die beiden Kandidaten jeweils erfolgreich waren, wie es in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung gemacht wurde. Daran sieht man, dass Hofer besondere Zustimmung bei jüngeren Männern vom Land mit geringerer Bildung erhält. Wenn man sich so die Aussagen von Anhängern von Rechtsparteien anschaut, dann ist das nicht weiter verwunderlich, überraschen diese doch immer wieder mit enormen Dummheiten. Das zurzeit in allen Medien präsente Beispiel mit den Bildern (s. beispielsweise hier) von deutschen Fußballnationalspielern auf Kinderschokolade-Tafeln, die zu Wutausbrüchen bei Pegida-Anhängern führten, da eben Ilkay Göndogan und Jérôme Boateng auch als Kinder nicht besonders deutsch aussahen. Und auch das fehlende Verständnis von Prozentwerten, was nach der Wahl von Hofer-Anhängern offenbart wurde (auf Facebook regte sich zum Beispiel jemand auf, dass es ja nicht sein könnte, dass Hofer 51,9 % hätte und dann mit dem Hinzukommen weitere ausgezählter Stimmen der Wert niedriger würde, da dieser doch immer weiter ansteigen müsse; auch die Versuche anderer User, dies Prinzip der Prozentzahlen zu erklären, die eben relativ und nicht absolut sind, scheiterte, da der Hofer-Fan die Grenze von 100 % als willkürlich ansah; s. dazu hier), spricht nicht eben für besondere Pfiffigkeit.

Sehr deutlich wurde der Soziologe Bernhard Heinzelmaier in einem Interview mit dem SZ-Portal jetzt, in dem er die Frage, warum gerade junge Männer so gern rechts wählen würden, mit deren Primitivität beantwortete und dafür teilweise recht harsche Worte fand. Auch wenn inhaltlich da bestimmt einiges dran ist und richtigerweise auch die zunehmende Verrohung der Gesellschaft, die durch den Neoliberalismus und dessen Konkurrenzdenken befördert wird (s. dazu auch meinen Artikel Verrohung als Prinzip vom Oktober 2013), angesprochen wird, so scheint mir generell doch ein wenig zu viel Arroganz und Abwertung ganzer Bevölkerungsgruppen in Heinzelmaiers Statements zu liegen – also im Endeffekt genau das, was ja bei den Rechtsparteien und ihren Anhängern immer zu Recht kritisiert wird.

In eine andere Richtung gehend äußert sich Stephan Schulmeister in einem Interview mit der Zeit dazu, wenn er dafür plädiert, dass die etablierten Parteien endlich die berechtigten Ängste vieler Bürger vor sozialem Abstieg (der auch ein systemimmanenter Bestandteil des Neoliberalismus ist) aufnehmen und thematisieren. Dies ist nämlich bisher fast ausschließlich den Rechtsparteien vorbehalten. Auch wenn Schulmeister m. E. irrt, indem er diesen eine antimarktradikale Haltung assistiert (dazu muss man sich nur mal die Parteiprogramme der AfD und das Abstimmungsverhalten von FPÖ-Abgeordneten anschauen, das ist noch strenger neoliberal als bei den meisten anderen Partien), nur weil sie sich gegen TTIP aussprechen, so ist dieser Punkt sehr wichtig: Die Politik kann die Wähler von Rechtsparteien, die sich zu einem großen Teil einfach nur von den anderen Parteien nicht mehr angesprochen fühlen, als Dummköpfe stigmatisieren oder aber sich deren berechtigter Sorgen annehmen. Dazu gehörte zum Beispiel, dass die SPD sich vom Neoliberalismus löste und wieder eine Vertretung der einfachen Arbeiter und Angestellten wird, die immer mehr in prekäre Beschäftigung und Altersarmut abrutschen – vor allem durch das SPD-Projekt Agenda 2010.

Die Rechtsparteien haben in der Regel keine Lösungen anzubieten, sondern nur Sündenböcke. Würden sie in Regierungsverantwortung kommen, wäre dies auch schnell entlarvt, aber so weit muss es ja nun wahrlich nicht erst kommen. Das Hofer um ein haar ein staatstragendes Amt in Österreich bekleidet hätte,  sollte als Warnschuss wahrgenommen werden. Wenn CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne (oder eben die sogenannten Volksparteien in anderen Ländern) sich immer nur weiter in der viel beschworenen Mitte tummeln und so ihre Differenzierungsmerkmale verschwinden, dann suchen die Wähler, die sich auf diese Weise im Stich gelassen und abgehängt fühlen, eben eine Alternative – die sie dann bei den rechten Parteien vermeintlich zu finden glauben.

Immer nur darauf zu spekulieren, dass schon genug Wähler sich für „das kleinere Übel“ entscheiden, wie es nun ja auch bei der Wahl von Van der Bellen der Fall war (48 % seiner Wähler gaben an laut dem oben verlinkten SZ-Artikel, dass sie ihn vor allem deshalb gewählt haben, um Hofer zu verhindern), ist eben nicht zielführend für eine konstruktive Politik und führt langfristig zu erneut enttäuschten Wählern. Denn letztlich zeigen diese 48 % auch: Zustimmung für einen Kandidaten bzw. für die Politik, für die seine Partei steht, sieht irgendwie anders aus …

 

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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