Deutsche Justiz: mal wieder reichlich blind auf dem rechten Auge

Der Vorwurf, dass die deutsche Justiz und auch die Polizei auf dem rechten Auge reichlich blind seien, besteht schon seit vielen Jahrzehnten und wurde beispielsweise bereits in der Weimarer Republik immer wieder geäußert. Dass das immer noch so ist, kann man derzeit in Sachsen andauernd beobachten, doch nun durfte ich auch selbst am eigenen Leib erfahren, wie es die deutsche Justiz mit der Beurteilung von Vergehen von „rechts“ und „links“ so hält.

Lutz Bachmann darf in einem öffentlichen Posting Linken-Politikern den Tod wünschen – alles prima, sagt die Staatsanwaltschaft (s. hier) und berücksichtigt dabei auch nicht, dass Bachmann ja nun schon mehrfach und auf unterschiedlichste Weise kriminell in Erscheinung getreten ist. Die Busblockierer von Clausenitz (das Video von diesem widerlichen Vorfall ging letztes Jahr durch alle Medien) kommen mit einer Zahlung im niedrigen vierstelligen Bereich davon (s. hier). Und wenn man liest, was hier die Nebenklage im Prozess gegen die neonazistische „Gruppe Freital“ am OLG Dresden zu berichten hat (weitere Infos dazu finden sich hier im Tagesspiegel), dann fällt einem wirklich nicht mehr viel ein. Zitat daraus:

An weitere Gegenstände von Verfahrensrelevanz in der Wohnung konnte er [ein ermittelnder Polizeibeamter] sich nicht erinnern. Auf die Frage nach Gegenständen mit NS-Hintergund erinnerte er sich zwar an eine rote Fahne mit weissem Kreis und „einem Kreuz“ konnte dies aber nicht spezifizieren, es könne sich aber auch um eine Hakenkreuzfahne gehandelt haben. Tatrelevanz hatte er diesem Fund nicht zugeschrieben.

Und das sind nun nur mal drei Beispiele aus den letzten Wochen. Von dem nach wie vor nicht geklärten NSU-Komplex, bei dem Geheimdienste und Polizei sich in Lügen verstrickten, Beweismittel gezielt vernichtetet wurden- Ermittlungen behindert und immer wieder Zeugen auf mysteriöse Weise ums Leben kommen, möchte ich hier nun gar nicht noch mal anfangen …

Aber zu meinem persönlichen Erlebnis: Blöderweise ließ ich mich im letzten Jahr an einem späten Abend zu einigen Beleidigungen gegen einen AfDler, der eine Debatte über Altersarmut zur Hetze gegen Geflüchtete missbrauchte, hinreißen. Diese wurden dann auch zur Anzeige gebracht, und dafür, dass ich ihn Nassbirne, Rassistenpenner, Trottel, schäbiger Typ und dämliches AfD-Gelumpe genannt habe, durfte ich dann auch satte 900 Euro Strafe zahlen. Ärgerlich, aber da ich nun mal zu dem Mist, den ich baue, stehe, habe ich so eben meine Lektion gelernt.

Da ich selbst auch häufig genug von Rechten in öffentlichen Diskussionen bei Facebook beleidigt und sogar schon bedroht wurde, dies aber bisher immer einfach so abgetan habe, dachte ich mir: Vielleicht kann ich ja einen solchen Lernprozess wie bei mir auch mal bei anderen anstoßen. Also brachte ich, als ich in den darauffolgenden Monaten von Facebook-Usern beleidigt wurde, dies auch zweimal zur Anzeige. Screenshots von den geäußerten Beleidigungen (u. a. „linkes Dreckstück“ und „armseliger linksversiffter Wichser“ zum einen, „kranke Psyche“, „dumm“, „psychisch krank“ und „schwachsinnig“ zum anderen) und von den Profilseiten der beiden, die dort unter ihrem Klarnamen schreiben, hatte ich auch gemacht.

Tja, von der Anzeige Anfang November hab ich bisher noch nichts wieder gehört, und ich gehe mal davon aus, dass da auch nichts mehr kommen wird. Und zur Anzeige vom Januar bekam ich vorletzte Woche Post von der Staatsanwaltschaft: Man könnte bei dieser Anzeige gegen Unbekannt (was so nicht stimmt, da ich ja den Namen des Facebook-Users bei der Anzeige angegeben habe) den Täter nicht ermitteln. Ja klar, jemand mit einem offenen Profil, auf dem haufenweise Bilder von ihm selbst, zahlreiche Freunde mit Namen und Bildern sowie der Wohnort München angegeben sind – dazu muss man natürlich schon Sherlock Holmes persönlich sein, um da rauszufinden, wer das sein könnte. Bei meinem nicht öffentlichen Profil ging das komischerweise anscheinend ohne Probleme …

Was mir schon aufgefallen ist: Als ich in beiden Diskussionen anmerkte, dass hier nun justiziable Sachen geäußert wurden und ich, wenn dafür keine Entschuldigung erfolgen würde (die Möglichkeit wollte ich den beiden zumindest einräumen), Anzeige erstatten würde, wurde nur mit Häme und weiteren Beleidigungen reagiert. Vielleicht hatten diese Leute schon einschlägige Erfahrungen, dass man nur rechts genug sein muss, um nicht von der Justiz behelligt zu werden?

Natürlich sind meine Erfahrungen nun nichts, was in Richtung einer repräsentativen Erhebung gehen könnte, nur wenn dann persönlich Erlebtes eindeutig das bestätigt, was man schon über Sekundärquellen seit Längerem mitbekommt, dann scheint da ja doch eine Tendenz vorzuliegen.

Bleibt die Frage, warum das wohl so ist. Zur Rechtslastigkeit der Polizei hab ich ja schon mal vor einiger Zeit einen Artikel hier auf unterströmt geschrieben, insofern ist das nun nichts ganz Neues. Und es liegt wohl auch in der Struktur des Polizeiberufs, dass sich eben eher konservative Menschen dafür interessieren – genauso wie bei vielen Juristen eine eher konservative Haltung vorherrschen dürfte. Dazu kommt, dass sowohl Polizei als auch Justiz von Gesetzesverschärfungen profitieren, die nun im Zuge der Hate-Speech-Debatte immer wieder diskutiert werden: Zensur, Überwachung usw. – da lacht das Herz vieler Gesetzeshüter und -sprecher.

Also besteht neben einem ideologischen auch schon ein gewissen berufliches Interesse daran, „die Suppe am Kochen zu halten“, und wie könnte man das besser schaffen, indem man diejenigen, die vor allem durch Pöbeleien und Beleidigungen auffallen und somit zu einer sich stetig verschärfenden Tonalität des öffentlichen Diskurses beitragen, den Rücken stärkt und sie unbehelligt pöbeln und beleidigen lässt?

Dem oft beklagten Rechtsruck wird man so in jedem Fall nicht entgegenwirken – ganz im Gegenteil. Aber auch das ist ja gute deutsche Justiztradition …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

9 Gedanken zu „Deutsche Justiz: mal wieder reichlich blind auf dem rechten Auge“

  1. Gerade bestätigt ein ausgesprochen krasser Fall, der sich mal wieder in Sachsen zugetragen hat, die im Artikel beschriebene Rechtslastigkeit der deutschen Justiz: Ein Artikel auf der Webseite von Radio Dresden berichtet, dass vier Männer einer Bürgerwehr, die vor etwa einem Jahr in Arnsdorf einen irakischen Flüchtling aus einem Supermarkt gezerrt, geschlagen, getreten und dann mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt haben, freigesprochen wurden. Begründung: Der inzwischen verstorbene Iraker dürfte kein großes Interesse an der Verurteilung haben, zudem sind die vier Schläger bisher noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten.

    Ich musste es auch mehrmals lesen, um mich zu vergewissern, dass Körperverletzung und Freiheitsberaubung nun also anscheinend nicht mehr bestraft werden in Deutschland, wenn man als Täter nur hinreichend ausländerfeindlich drauf ist.

  2. Und wenn man dann noch liest, was für Leute mitunter an Hochschulen Jura unterrichten, dann sollte einen noch weniger wundern, dass da ein ziemlich rechter Geist in der deutschen Justiz herrscht:

    Der AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber ist nämlich als Rechtswissenschaftler an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald tätig, wie aus seinem Wikipedia-Eintrag hervorgeht. Dort finden sich schon einige weitere Dinge, die ihn als eindeutig dem sehr rechten Spektrum zugehörig kennzeichnen.

    Und auch ein Artikel auf Endstation Rechts berichtet von etlichen Verbalausfällen Webers nach dem AfD-Parteitag in Köln am letzten Wochenende.

    Wie sollen solche Typen denn bitte objektive Rechtsgrundsätze vermitteln können?

  3. Jetzt kam auch gerade von der Anzeige, die ich im November gestellt habe, eine Rückmeldung der Staatsanwaltschaft, und wenig überraschend enthielt es die gleiche Floskel wie schon das andere Schreiben.

    Wenn dann aber im ersten Satz ein Beschuldigter namentlich genannt wird und dann der zweite Satz „Der Täter konnte nicht ermittelt werden“ lautet, dann wird es irgendwie schon reichlich grotesk, oder?

  4. Wieder mal Sachsen, und wieder mal zeigt sich die Justiz nicht gerade eifrig darin, rechte Straftäter zu verurteilen. Ein Artikel in der taz berichtet, wie zahlreiche Prozesse gegen die aus dem Hooligan-Umfeld von Dynamo Dresden entstammende rechte Gruppierung „Faust des Ostens“ nahezu unbehelligt Straftaten über Straftaten begehen kann – mittlerweile u. U. sogar noch ermutigt durch fehlende Strafverfolgung.

  5. Nachdem ja nun beim G20-Gipfel wieder etliche Polizisten ihre rechte Gesinnung unter Beweis gestellt haben, indem sie nicht nur friedliche (und in ihren Augen linke) Demonstranten verprügelt und sogar Journalisten als „Lügenpresse“ beschimpft haben, zeigten die Kollegen in Thüringen dann, wie man sich deeskalierend verhält, indem sie bei einem Rechtsrockkonzert in Themar haufenweise Neonazis einfach in Ruhe „Sieg heil!“ schreien und den Hitlergruß zeigen ließen, wie Thüringe24 berichtet. Unfassbar, wenn man sich überlegt, dass in Hamburg mit massiver Gewalt in eine Demonstration hingegangen wurde vonseiten der Polizei, weil sich dort einige Vermummte befanden. Klar ist Vermummung auf einer Demo ein Straftatbestand, aber ich finde „Sieg heil“-Geschreie da zumindest nicht weniger strafwürdig.

    Und als Bonbon obenauf stellte sich dann auch noch heraus (wie beispielsweise der NDR oder die taz berichten), dass ein Oberamtsanwalt der Rostocker Staatsanwaltschaft sehr enge Beziehungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung hat und auf deren Demos mitmarschierte. Na ja, dann darf man sich über rechtslastige Urteile ja auch nicht wirklich wundern, oder?

  6. Ein aktueller Vorfall, über den ein Artikel auf BR24 berichtet, zeigt, wie rechtslastig Polizei und Justiz sind, auch wenn sich das zunächst eher wie ein Schildbürgerstreich liest:

    Am Rande einer AfD-Versammlung hatte sich ein Mann aus dem bayrischen Dorfen mit einem Plakat platziert, auf dem stand: „Auch damals dachten viele: ‚So schlimm wird es schon nicht werden.'“ Als er sich dabei dann mit einer weiteren Person unterhielt, wurde die von drei Polizisten doch tatsächlich als unangemeldete Versammlung gewertet und Anzeige erstattet.

    Und nun wird von derselben Justiz, die zugleich eingestehen muss, wegen Personalmangel Neonazis wieder laufen zu lassen, auch tatsächlich ein Verfahren eingeleitet wegen dieses Blödsinns.

    Einfach nur noch unglaublich …

  7. Immer dreister und offensichtlicher agieren Polizei und Justiz, wenn es darum geht, Protest gegen die AfD und andere Rechte zu unterbinden und kritische Menschen mundtot zu machen durch Verurteilungen. Was da in der letzten Woche in der Frankfurter Rundschau in einem Interview mit Michael Csaszkóczy zu lesen ist, lässt einen wirklich an finsterste deutsche Zeiten denken.

    Hanebüchene Anschuldigungen, eine offensichtlich parteiische Richterin (Schwiegertochter eines AfD-Landtagsabgeordneten), die zudem kurz vor dem Prozess die ursprünglich mit dem Fall betraute Richterin ersetzte, entlastende Zeugenaussagen, die nicht zur Verhandlung zugelassen werden, Einschüchterung durch martialisch auftretende Polizei während des Prozesses – das alles führte dann dazu, dass Csaszkóczy nun wegen Hausfriedensbruch verurteilt wurde, weil er eine öffentliche Veranstaltung der AfD besuchen wollte und sich dabei nichts hat zu Schulden kommen lassen.

    Polizei und Justiz als Erfüllungskumpane der AfD – Rechtsstaatlichkeit geht definitiv anders!

  8. Tja, und wenn man dann so was liest, dann sollte man sich wirklich nicht mehr wundern, dass gegenüber Rechtsextremen ständig ein Kuschelkurs gefahren und auf alle eingedroschen wird, was auch nur entfernt nach links aussieht: In Thüringen unter dem offen nationalsozialistisch agitierenden Björn Höcke sind 5 von 38 AfD-Kandidaten auf der Landesliste Polizisten, wie ein Migazin-Artikel berichtet.

    Die deutsche Polizei hat nicht nur ein kleines Problem mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen, sondern ein verdammt großes. Wobei: Das Problem haben wohl eher rechtschaffene und demokratisch gesinnte Bürger, die sich dann mit den uniformierten Schergen rumärgern müssen oder von diesen malträtiert werden.

  9. Mal wieder ein „Einzelfall“ eines rechten Polizisten, über den ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen berichtet: Nachdem zwei Polizisten besoffen grundlos auf einen Asylbewerber losgegangen sind, darf nach einer Berufung gegen ein zunächst härteres Urteil der Haupttäter wohl seinen Job behalten. Dass dabei auch gelogen wird, die Kollegen nicht einschreiten und den Beschuldigten zunächst durch „Erinnerungslücken“ decken, ist leider auch typisch und ein gängiges Muster bei Ermittlungen gegen uniformierte Gewalttäter. Und genauso typisch ist auch, dass so ein rechter Schläger sich dann wieder einer Samthandschuhbehandlung in Form von Kuscheljustiz erfreuen darf.

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