Maischberger hebt journalistische Armseligkeit auf ein neues Level

Dass politische Talkshows selten dem Erkenntnisgewinn dienen und eher krawalliges Rumgeblöke via Fernsehen in deutsche Wohnstuben transportieren, ist nun nichts ganz Neues. Ist ja auch praktisch, denn so verhindert man ja, dass sich die Menschen etwas tiefer gehend mit politischen Sachverhalten beschäftigen. In der letzten Woche gab es dann in der ARD eine Sendung von Sandra Maischberger zum Thema G20, die diesbezüglich einen journalistischen Tiefpunkt in Bezug auf Desinformation und einseitige Parteinahme darstellt.

Wie immer in solchen Sendungen ist schon die Auswahl der Gäste bezeichnend, denn es wird grundsätzlich darauf geachtet, dass regierungsfreundliche Positionen von mehr Gästen vertreten werden als regierungskritische. So auch dieses Mal: Dem Linken-Politker Jan van Aken und der ehemaligen Grünen-Chefin Jutta Ditfurth saßen der CDUler Wolfgang Bosbach, der Hamburger Polizeihauptkommissar Joachim Lenders (auch Mitglied der CDU in der Hamburger Bürgerschaft, wie man später in der Sendung erfährt), Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) und Hans-Ulrich Jörges, Journalist vom Stern, gegenüber.

Die Rollenverteilung war relativ schnell klar, und auch die Emotionen kochten recht zügig hoch bei der Frage, wie es denn zu Eskalation der Gewalt kommen konnte. Lenders polemisierte in unerträglicher Art und Weise, indem er jede Art von polizeilichen Übergriffen (die ja hinreichend dokumentiert wurden, s. dazu auch die Nachbetrachtung zum G20-Gipefel hier auf unterströmt), Bosbach schwafelte wie immer substanzloses Zeug (es ist mir ein Rätsel, warum ausgerechnet dieser Schwätzer dauernd in Talkshows sitzt – na ja, vielleicht ja gerade deswegen, weil er ein Schwätzer ist), Barley versuchte Schadensbegrenzung im Sinne von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zu betreiben, Jörges erging sich auch überwiegend in recht allgemeinem Palaver und zeigte vor allem, dass er nicht so richtig mitbekommen hat, was in Hamburg eigentlich genau passiert ist, van Aken stellte als einer der Mitorganisatoren der Demonstration vom Sonnabend in erster Linie auf deren friedlichen Verlauf ab und Ditfurth versuchte sich in Erklärungen, zum soziologischen Hintergrund der Randalierer (was ich, obwohl ich ansonsten Ditfurth auch oftmals reichlich daneben finde, doch noch als substanzhaltigsten Beitrag empfand).

Normalerweise schaue ich mir solche Sendungen auch überhaupt nicht an, da ich mir davon inhaltlich nichts verspreche. Was nun allerdings meine Aufmerksamkeit auf diese Ausgabe lenkte, war die Tatsache, dass Wolfgang Bosbach nach gut einer Stunde seine eigene argumentative Schwachbrüstigkeit damit zu kaschieren versuchte, dass er wütend die Sendung verließ. Wow, das ist ja irgendwie so richtig 70er-Jahre-Style, dachte ich mir, und da der Ausschnitt, den ich von diesem Vorfall in den sozialen Medien sah, nicht wirklich aufschlussreich war, beschloss ich, mir das ganze Fiasko anzuschauen, um zu sehen, wie es denn dazu kommen konnte.

Und in der Gesamtbetrachtung ergab sich dann in der Tat ein Bild der journalistischen Armseligkeit, in dem Maischberger wie ein aufgeregt gackerndes Huhn bemüht war, ihre zeternden und sich ständig unterbrechenden Gäste (Ausnahmen hier: Jan van Aken und zumeist auch Katarina Barley) irgendwie in einem zivilisierten Diskursrahmen zu halten. Dabei fiel Bosbach schon zeitig als Jammerlappen auf, der Ditfurths Rhetorik nichts entgegenzusetzen hatte und dann den täppischen Lenders als Argument vorschob, dem er beizuspringen gedachte gegen „Jutta die Fürchterliche“ …

Und so wählte der solariumsgebräunte Medienprofi Bosbach den Zeitpunkt seines Abgang dann auch taktisch sehr geschickt, da sein Parteisoldat Lenders sich gerade nicht nur hochgradig lächerlich machte mit seinem „Die Polizei, die Polizei, die hat immer recht“-Sermon, sondern tatsächlich auch der Punkt zur Sprache kam, der mir auch als einer der entscheidenden bei dem ganzen G20-Gedöns erscheint: die gezielte Gewalt gegen Journalisten. Als Ditfurth darauf zu sprechen kam, wusste Lenders sich nicht anders zu helfen, als seiner Kontrahentin „dummes Gesabbel“ vorzuwerfen – und ihr vorzuhalten, dass sie einen Fächer benutzen würde. Na, das nenne ich mal stichhaltige Argumentation vom wackeren Wachtmeisterchen. Um die Misere nicht noch schlimmer werden zu lassen, entschloss sich Bosbach in dem Moment, Ditfurth persönliche Angriffe gegen Lenders vorzuwerfen – und keifend die Runde zu verlassen.

Taktisch kein schlechter Schachzug (aber eben leider auch sehr offensichtlich – was aber bedauerlicherweise keiner der Anwesenden aufs Tableau brachte): Die Diskussion geht in eine Richtung, die man (aus Bosbachs Sicht) nicht mehr verharmlosen oder schönreden kann, dann setzt man einen markanten Punkt mit skandalisierender Wirkung – und danach ist das Thema ein komplett anderes. Und nicht nur das: Maischberger zeigte einfach, dass sie Bosbachs Formatlosigkeit noch toppen kann, indem sie Ditfurth aufforderte, die Sendung nun auch zu verlassen, damit die Parität der Runde wieder hergestellt sei – die ja, wie eingangs erläutert, so ohnehin nie bestanden hat.

Maischberger meint ja bestimmt, in irgendeiner Weise so etwas wie eine Journalistin zu sein – sollte man da nicht erwarten, dass sie vielleicht ein wenig das Thema aufgreifen würde, wenn es darum geht, dass ihre Berufskollegen mit Gewalt an der Arbeit gehindert wurden? So im Sinne von ein bisschen kollegialer Solidarität? Pustekuchen, ich hatte den Eindruck, dass sie froh war, sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen zu müssen. Was für ein Armutszeugnis!

So konnte Lenders die Sendung mit seinem fies-feisten Grinsen beenden in der Gewissheit, dem deutschen Fernsehpublikum unwidersprochen Lügen auftischen zu dürfen, während Ditfurth danach in der Sendung nicht einmal mehr zu Wort kam. Da fällt es für mich auch nicht mehr ins Gewicht, dass Maischberger sich im Nachhinein bei Ditfurth noch entschuldigte. Da war das Kind ja schon in den Brunnen gefallen bzw. die Message beim Fernsehzuschauer angekommen. Das Einzige, was nun noch eine Überlegung wert ist: Ist Maischberger nun hochgradig unprofessionell oder hochgradig charakterschwach? Na ja, es gibt Gehaltvolleres, als sich über die Defizite dieser GEZ-gemäßteten Talk-Tante Gedanken zu machen.

So bleibt diese Sendung ein gutes Lehrstück, wie Indoktrination im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen funktioniert. Unbequeme Inhalte, die eine zu vermittelnde Position gefährden könnten, werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beiseitegeschoben. Journalistischer Anstand? Ach was, doch nicht bei Maischberger – so was Lästiges können dann die ZDF-Kollegen von „Die Anstalt“ ein paarmal im Jahr praktizieren. Und dann ist es damit aber auch mal gut!

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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