Echo, die Zweite

Nachdem Dirk ja gestern bereits ein Statement zur Echo-Verleihung hier auf unterstömt gepostet hat, wollte ich nun dennoch heute noch mal nachlegen, da mich diese PR-Veranstaltung der deutschen Musikindustrie schon länger ein bisschen ärgert. Zudem finde ich die ganze Aufregung um die beiden Hip-Hop-Hohlköpfe mit ihrem antisemitischen und misogynen Müll nun auch etwas heuchlerisch, denn dass es irgendwann zu genau diesem Szenario bei einer Echo-Verleihung kommen musste, liegt ja schon in den Grundzügen dieser Veranstaltung begründet.

Schließlich gab es ja schon 2013 ordentlich Aufregung, als die stumpfen Blut-und-Boden-Rechtsrocker von Frei.Wild für den Echo nominiert waren und etliche andere Künstler daraufhin die Veranstaltung boykottieren wollten, sodass die Tiroler um den ehemaligen Neonazi Philipp „Fips“ Burger (kleine Anmerkung am Rande: Es gibt Sachen, die kann man sich nicht ausdenken – ich bin ja versucht, mal irgendwo einen Fips-Burger zu ordern, aber bitte nur mit echtem deutschem Fleisch … ;o) ) dann doch wieder ausgeladen wurden. Und als die Rumpeltruppe dann 2016 doch noch mit einem Echo bedacht wurde, gab es während der Gala auch einige Unmutsbekundungen, wie ein Spiegel-Artikel dokumentiert.

Daran erkennt man aber schon das Dilemma dieses Preises: Es wird prämiert, was sich gut verkauft hat, damit sich der Kram eben noch mal ein bisschen besser verkauft. Künstlerischer Anspruch? Inhaltliches? Innovatives? Ach was, die Kohle zählt, und das ist alles. Dass man dann eben auch solche üblen Gestalten wie Frei.Wild oder nun die beiden Hip-Hop-Kapser Kollegah und Farid Bang nominieren und auszeichnen muss, liegt in der Natur der Sache.

Letztlich passen die nämlich auch schon irgendwie zu dem, was da sonst so immer Echos abräumt, denn das ist vor allem Schlager. Bezeichnenderweise ist Helene Fischer mit bisher 17 Echos die erfolgreichste Preisträgerin überhaupt, und wenngleich sie von der Klangästhetik recht wenig mit Frei.Wild oder Kollegah gemeinsam hat, so ist doch die Intention bei allen dreien dieselbe: Man macht stereotype Musik als Produkt, um damit möglichst viele (eher unterreflektierte) Hörer zu erreichen, und bedient sich dabei der textlichen Klischees, die von dieser Hörerschaft erwartet werden.

Und das gilt im Prinzip für fast alles, was sich da auf dieser Echo-Sause rumtreibt. Oder wie es in einem sehr lesenswerten Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der in der Woche vor dem Event erschienen ist und der genau diese reine auf plattes Kommerzgedudel ausgerichtete Attitüde des Preises kritisiert, heißt:

Der Echo ist also im strengen Sinne gar keine Veranstaltung der Musikkünstler, sondern eine Veranstaltung der Musikvermarkter, die behauptet, die beste Musik sei die, die sich am besten verkaufe.

Aus Sicht der Vermarkter ist das natürlich völlig plausibel, denn bei der Musik, die sich schon einmal gut verkauft hat, ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass sie sich, wenn man sie fleißig weiter auf die große Bühne stellt, auch noch weiter gut verkaufen lässt.

Mit diesem Geheimnis lebte der Preis, der dieses Jahr zum 27. Mal verliehen wird, in unserem Pop-Entwicklungsland über zwei Jahrzehnte ganz gut.

Dann spürte man im Bundesverband offenbar endlich ein Legitimationsproblem. Oder konnte die Kritik an der Vergabepraxis nicht mehr hören. Oder es selbst nicht mehr ertragen, kommerziell höchst erfolgreiche Schlagerstars auszeichnen und auftreten zu lassen zu müssen, die unüberhörbar Musik für Menschen machen, die bestimmt und zu Recht irgendetwas mögen – nur eben auf keinen Fall Musik.

Und genau das sind die Gründe, warum mich als ausgesprochen passionierter Musikhörer dieser Preis noch nie die Bohne interessiert hat, da es eben um Musik für Leute geht, die eigentlich keine Musikhörer sind, sondern nur eben irgendwie Dudelkonsumenten und Dabei-sein-Woller. Das kann man natürlich gern so machen, aber dann sollte man sich auch nicht beschweren, wenn der Geschmack dieser Zielgruppe dann irgendwann auch entsprechend so durchschlägt, wie es jetzt bei den Dumpf-Rappern der Fall war. Wenn der Kommerz regiert, bleiben guter Geschmack, Anstand, Ethik und künstlerisch Haltung eben auf der Strecke.

Und deswegen finde ich auch diejenigen, die nun ihre Echos, die sie in vorherigen Jahren verliehen bekommen haben, zurückgeben, schon ein bisschen scheinheilig. Als wirklich ernsthafter Künstler hätte man m. E. eine solche Auszeichnung besser gar nicht erst annehmen sollen, denn es ist ja schon länger klar, dass man sich da dann nicht eben in musikalisch bester Gesellschaft befindet. Nun noch auf den PR-Zug der Echo-Massenrückgabe aufzuspringen hinterlässt bei mir zumindest einen eher schalen Nachgeschmack, das ganze noch als Eigenwerbung ausschlachten zu wollen. Wobei: Wer so einen Echo bekommen hat, ist ja in den allermeisten Fällen eh nicht an musikalischer Integrität interessiert, sondern vor allem an Verkaufszahlen.

Insofern finde ich die ganze Aufregung nun eigentlich ganz gut, denn vielleicht führt sie ja dazu, dass dieser unsägliche Echo in der Mottenkiste verschwindet. So eine Veranstaltung, zumal auch immer mit großem medialen Tamtam inszeniert, bewirkt m. E. nämlich, dass die wirklich guten, innovativen und interessanten Musiker und Bands, die es in Deutschland zweifelsohne gibt, noch weiter unter dem öffentliche Radar fliegen, als das in Zeiten von Formatradio und Blöd-TV eh schon der Fall ist. Für die richtigen Musiker kann es also nur positiv sein, wenn die Kommerzgeier der Branche sich selbst gegenseitig demontieren.

Print Friendly, PDF & Email

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Schreibe einen Kommentar