Das Märchen vom Segen der Privatisierung – ein bezeichnendes Fallbeispiel

Über das nach wie vor verbreitete Märchen (oder um es nicht ganz so freundlich auszudrücken: die nach wie vor zu manipulativen Zwecken eingesetzte Lüge), dass private oder privatwirtschaftlich geführte Unternehmen immer besser, effizienter, leistungsstärker, verbraucherfreundlicher und kostengünstiger agieren würden als solche in öffentlicher Hand, hab ich mich ja vor dreieinhalb Jahren schon mal in einem Artikel ausgelassen. Nun durfte ich gerade am eigenen Leib erfahren, wie viel schlechter private Akteure sind, und dieses Beispiel will ich hier schildern, da es m. E. einiges an bezeichnenden Strukturen offenbart, warum wichtige Infrastrukturen nicht in profitorientierte private Finger gehören.

Wir hatten eigentlich immer eine Telefon- und Internetanschluss bei der Telekom, bis diese uns mehrfache Gründe zum Wechseln gab: So bekamen wir beispielsweise, ohne gefragt zu werden, ein Security-Paket, was aber nur auf PCs abgestimmt ist, sodass wir damit als Mac-User überhaupt nichts anfangen konnten. Das tauchte auf einmal auf unserer Telefonrechnung auf, weil es ein halbes Jahr lang zunächst mal gratis war. Gesagt hatte uns davon niemand etwas, denn dann hätten wir das von Anfang an abgelehnt. Das fand ich schon reichlich unangenehm, und als dann irgendwann eine Callcenter-Angestellte bei uns anrief und uns einen neuen Vertrag andrehen wollte von der Telekom, ich ihr allerdings sagte, dass ich nie etwas am Telefon kaufe, nur um dann zwei Wochen später Post zu bekommen, die lautete: „Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Vertrag“ – da war das Maß voll, sodass wir zu Arcor wechselten.

Arcor gibt es mittlerweile nicht mehr, da der Telekommunikationsmarkt ja von viele Übernahmen geprägt war, sodass mittlerweile kaum noch Anbieter bis auf ein paar ganz große bestehen. Wir sind nun also bei Vodafone, die mittlerweile mit Kabel Deutschland zusammenglucken – ausgesucht haben wir uns das nicht, aber da der letzte Anbieterwechsel von der Telekom hin zu Arcor mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden war, kam ein Wechsel für uns auch irgendwie nicht infrage.

Das ist alles so weit ja auch in Ordnung, wenn es keine Probleme gibt. Treten solche allerdings auf, dann wird es recht unangenehm.

So hatten wir vor zwei Wochen von jetzt auf gleich einen Totalausfall von Internet und Telefon. Das ist für mich deshalb besonders unangenehm, da ich meine Arbeit nahezu komplett online erledige und dann auch für meine Kunden nicht mehr erreichbar war. Dieser Ausfall dauerte mehr als 24 Stunden, danach folgten noch vier weitere in den nächsten Tagen, die immer von einer halben bis zu ein paar Stunden dauerten.

Die Kontaktaufnahme mit den Leuten von der Vodafone-Hotline erwies sich dabei dann als ziemliche Geduldsprobe: Jedes Mal hatte man jemand anderen an der Strippe, durfte die ganze Problematik noch mal erzählen, und getan hat sich nicht so wirklich was. Beim fünften Ausfall veranlasste dann die Mitarbeiterin, dass uns eine neue Fritzbox zugeschickt wurde, obwohl ich ihr versicherte, dass es meiner Auffassung nach nicht daran lag und ich zuvor auch schon von Vodafone-Technikern mitgeteilt bekam, dass das Problem auf deren Seite liegt. Aber bei so einem Unternehmen weiß eben einer nicht, was der andere macht und sagt – und die Hotline-Leute haben nur ihre vorgefertigten Wortbausteine und ausgesprochen eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten, sodass dann, um einen Vorfall irgendwie vom Tisch zu bekommen, eben auch wenig Zielführendes gemacht wird. Wenn der Kunden dann das nächsten Mal anruft, weil der Fehler immer noch nicht behoben ist, bekommt er ja mit großer Wahrscheinlichkeit einen anderen Mitarbeiter an die Strippe, der das dann ausbaden darf.

In der folgenden Woche bemerkte ich keine längeren Ausfälle mehr, lediglich das Internet hing immer mal wieder, sodass es mehrere Minuten dauerte, bis eine Website aufgebaut war. Auch beim Telefonieren trat das Problem auf, dass ich zwar hören konnte, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde, dort aber zuweilen nicht mehr ankam, was ich sagte.

Als das nicht besser, sondern eher schlimmer wurde, beschloss ich, die ein paar Tage zuvor gekommene Fritzbox auszutauschen. Das war ein bisschen nervig, ging aber noch relativ problemlos über die Bühne. Wenig überraschend ergab sich dann jedoch, dass die Fehlfunktionen von Internet und Telefon nach wie vor auftraten.

Also wieder angerufen bei der Hotline, und da teilte man mir dann mit, dass ich nun die Fritzbox mit einem LAN-Kabel an meinen Rechner anschließen müsste. Tja, wo hatte ich so ein Kabel? Immerhin hab ich das schon jahrelang nicht mehr benutzt. Mein Hinweis, dass die WLAN-Anzeige nicht nur bei meinem Rechner, sondern auch noch auf einem Laptop volle WLAN-Funktionalität anzeigt und bei beiden Rechnern die gleichen Verbindungsprobleme auftauchen, sodass es kaum eine Verbesserung bringen dürfte, nun ein Kabel zu benutzen, wurde beiseitegewischt: „Das müssten wir so machen, wir müssen so vorgehen, Vodafone stellt nur bis zur Fritzbox ein LAN-fähiges Signal zur Verfügung.“

Nun wurde ich ein wenig ungehalten ob einer solche sturen Unflexibilität, als ich dann überall in der Wohnung nach dem Kabel suchte und mir klar war, dass das Ganze mit diesem Anruf nun also auch nicht geklärt werden könnte, da ich wohl noch etwas brauchen würde mit meiner Suche. Also beendete ich recht brüsk das Telefonat mit dem Hinweis darauf, dass man sich so was ja auch nur erlauben könne, wenn man quasi Monopolist sei. Hinterher tat mir das dann schon etwas leid, denn die Frau von der Hotline ist ja auch wieder nur eine ausführende Kraft, die sich diese Abläufe so nicht ausgedacht hat.

Und das ist eben auch typisch, wie derartige nun privatwirtschaftlich geführte Unternehmen funktionieren: Man hat als Kunde keinen Sachbearbeiter mehr, den man kennt und der bei einem Problem dann auch in der Materie drin ist, sondern jedes Mal bei einem erneuten Anruf jemand anderen, dem man das Gleich, was man schon x Kollegen von ihm erzählt hat, noch mal erzählen muss. Das macht die wenigsten Menschen entspannter. Dann sind diese Hotline-Mitarbeiter auch noch nicht wirklich mit Kompetenzen ausgestattet und können nur vorgegebenen Sätze und Pattern abrufen. Wenn diese passen, ist es o. k., wenn nicht, dann wird′s eben schnell mal frustrierend und wenig zielführend. So zicken sich dann der Kunde und jemand von der Hotline an, und diejenigen aus dem Management, die für die Missstände und deren unzureichende Behebung verantwortlich sind, hocken schön ohne jede Übernahme von Verantwortung an ihren Schreibtischen und sortieren überbezahlt den Inhalt ihrer Aktenkoffer hin und her. Klischee? Wohl eher nicht …

Wenn Unternehmen vor allem gewinnorientiert arbeiten, dann ist es heute nun mal so, dass immer weniger Geld in den Erhalt einer funktionierenden Infrastruktur gesteckt wird, um eben die Profite zu erhöhen durch geringere Ausgaben. Zudem werden lieber in outgesourcten Callcentern wenig qualifizierte Mitarbeiter platziert und mit standardisierten Antworten ausgestattet, als dass gut ausgebildete Techniker sich der Probleme der Kunden (die ja nicht weniger werden aufgrund der vernachlässigten Infrastruktur) annehmen.

Als ich das Kabel dann irgendwann gefunden und angeschlossen habe, stellte sich – surprise, surprise – heraus, dass es damit auch nicht besser wurde. Also noch mal bei der Hotline angerufen. Dort gab es dann zunächst den Hinweis, dass ich, sollte es sich um das bereits gemeldete Problem handeln, doch den Status der Bearbeitung im Internet aufrufen sollte. Ja, klar, mein Internet geht nicht, und dann soll ich die Infos dazu aus dem Internet bekommen. Nicht jeder hat ein Telefon mit mobilem Internet, aber so was ist vermutlich für diejenigen, die sich so was ausdenken, nicht vorstellbar. Was nun mit Menschen wie meiner Mutter, die überhaupt kein Internet und keinen Computer hat, bei einer Telefonstörung wäre, möchte ich mir gar nicht erst vorstellen …

Also bin ich in der Leitung geblieben, indem ich die vorgegebene Option wählte, dass es nun um etwas anderes ging. Und wie der Zufall es wollte, hatte ich doch tatsächlich die Mitarbeiterin an der Strippe, mit der ich auch das letzte Gespräch mit dem etwas unschönen Ende geführt hatte.

Also erzählte ich ihr, dass auch das LAN-Kabel keine Verbesserung gebracht hatte, und schnell kamen wir dann darauf zu sprechen, wieso das vorherige Telefonat so unschön endete. Ich bat bei ihr um Entschuldigung für mein genervtes Verhalten, sie beteuerte, dass sie eben wenig Möglichkeiten hat, auf die Kunden einzugehen, und meinte mit sichtlich müder Stimme: „Und dann bin ich hier eben auch nicht bei der Ihr-seid-so-geil-Hotline, sondern bei der Ihr-seid-so-scheiße-denn-bei-mir funktioniert-was-nicht-Hotline, sodass ich den ganzen Tage mit verärgerten Kunden sprechen muss.“

Um das Ganze dann aber noch zu krönen, musste sie mir daraufhin mitteilen, dass nun vom System veranlasst wurde, dass ich eine neue Fritzbox zugeschickt bekommen sollte. Das fand sie zwar nun auch ausgesprochen sinnlos, da ich ja gerade an diesem Tag eben eine neue Fritzbox angeschlossen habe. Aber sie könne daran nichts machen, sondern nur einen Hinweis dazuschreiben, dass sie diesen Vorgang nicht für sinnvoll hält.

Niemand sollte einen solchen Job machen müssen, bei dem er ständig den Murks von anderen ausbanden muss, ohne selbst eine Handhabe zu besitzen, entsprechend sinnvoll dabei vorzugehen. Das würde ich gern mal diesen Nichtsnutzen im Vodafone-Management persönlich mitteilen, aber an diese Pfeifen kommt man ja eh nicht ran, die leben abgekapselt in ihrer schönen verkoksten Welt und haben mit den Auswirkungen ihres dummbatzigen Tuns nichts am Hut.

Später am Abend fielen dann Internet und Telefon wieder für ein paar Stunden komplett aus …

Soll ich jetzt den Anbieter wechseln? Fragt sich nur, wohin. Von der Telekom bin ich ja extra weg, weil die sich mies verhalten haben. O2 scheint mir auch nicht besser zu sein, und alle kleineren regionalen Anbieter wurden ja mittlerweile meines Wissens von größeren geschluckt, sodass es eben zu einer Art Monopolisierung kam (mal von dem Ärger beim Anbieterwechsel mit längeren Ausfallzeiten von Telefon und Internet mal ganz abgesehen). So von wegen „freier Wettbewerb“, was uns ja immer wieder erzählt wird. In einer Weltwirtschaft mit Großkonzernen funktioniert diese nur leider nicht, da sich recht schnell Kartelle und Monopole bilden, sodass die Auswahl des Endverbrauchers immer eingeschränkter wird und Firmen sich gebärden können, wie sie wollen, da keine wirkliche Konkurrenzsituation mehr besteht. Aber das bekommt man so eben nie erzählt, wenn einem das Märchen von der Privatisierung aufgetischt wird …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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