Globale Konzerne vs. nationale Regierungen – ein ungleicher Kampf

Kürzlich sah ich die sehr interessante Reportage Geld regiert die Welt (es lohnt sich, die 43 Minuten Zeit zu investieren, um sich das anzuschauen). Hierin wird über Finanzkonzerne, insbesondere den Branchengrößten BlackRock, berichtet, die kaum einer kennt, die aber mittlerweile über eine enorme Macht verfügen, die bis in den Alltag von vielen Menschen hereinreicht. Dabei wird deutlich, dass solche Unternehmen aufgrund ihres Netzwerkes untereinander und auch in die Politik hinein (auf kabarettistische Weise trefflich von Erwin Pelzig in Neues aus der Anstalt am Beispiel von Goldman Sachs präsentiert) in einer Größenordnung agieren, die es Nationalstaaten kaum noch ermöglicht, als ernsthafte Gegenspieler zur Durchsetzung von Bevölkerungsinteressen aufzutreten.

Doch ist es von der Politik überhaupt noch beabsichtigt, diese Gegenposition zu Konzernen wie BlackRock einzunehmen? Wenn man sich die in dem Film gezeigten Auswirkungen deren Gebarens anschaut und sich klarmacht, wie weit eine Entmächtigung der staatlichen Regierungen schon stattgefunden hat, so sollte man meinen, dass dies ein selbstverständliches Anliegen wäre. Das Agieren der politischen Eliten hingegen lässt komplett andere Rückschlüsse zu, hier wird zum einen Finanzunternehmen konsequent zugearbeitet, zum anderen wird auch ein politischer Tenor gepflegt, der dafür sorgt, dass die eigenen Position zunehmend geschwächt wird. Man ist fast versucht zu sagen, dass die Politik seit dem Ermächtigungsgesetz nicht wirklich etwas hinzugelernt hat …

So wird vonseiten der Politik im Bereich Wirtschaftspolitik zurzeit vor allem der Faktor der Wettbewerbsfähigkeit hervorgehoben – besonders deutlich gerade gestern vom britischen Finanzminister Osborne, wie in einem Artikel des Handelsblattes zu lesen ist. Und auch die gerade beschlossenen EU-Regeln zur Eindämmung von Nahrungsmittelspekulationen beinhalten nationalstaatliche Einzelregelungen, wie von attac treffend aufgezeigt und kritisiert (leider zurzeit nicht mehr aufrufbar), die zu einer Konkurrenz der EU-Staaten untereinander führen dürften, wer denn nun den Nahrungsmittelspekulanten die günstigsten Bedingungen bietet. Nun sind Wettbewerb und Konkurrenz ja an sich zwei eher positiv besetzte Dinge, die als Grundpfeiler der Marktwirtschaft angesehen werden, sodass sich die meisten an diesen Begriffen überhaupt nicht stören. Wenn es allerdings darum geht, als Gegenspieler von global agierenden Konzernen zu agieren, ist dieses Konkurrenzdenken ausgesprochen kontraproduktiv. Globalisierung findet zurzeit also quasi nur statt, wenn es darum geht, Konzerninteressen dienlich zu sein (Auslagerung von Arbeitsplätzen in Länder mit geringerem Lohnniveau, Steuervermeidung durch Finanzplätze wie die Cayman Islands), aber nicht, wenn es um eine internationale Zusammenarbeit oder Solidarität geht, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten – selbst in einem gemeinsamen Währungsraum wie der Eurozone ist dies ja nicht möglich, wie man (nicht nur) an der permanenten Konkurrenzrhetorik von Angela Merkel und Co. sieht. Und wenn dann mal ein internationales Abkommen beschlossen wird, dann kommt so etwas wie TAFTA bzw. TTIP dabei raus (s. den Artikel dazu hier auf unterströmt), was in erster Linie dazu dient, Konzerninteressen gegenüber Nationalstaaten und deren Gesetzgebung zu stärken.

Als wäre die nun noch nicht genug, so hat die Politik auch noch derartigen Firmen, von denen sie mittlerweile mitunter wie am Ring durch die Manege geführt wird (man denke nur an die immer wieder verwendete Floskel, dass die Märkte beruhigt werden müssten), ordentlich zugearbeitet, um sie so noch größer und unantastbarer zu machen. Ein Paradebeispiel dafür ist die Privatisierung der Rente in Deutschland, die dazu geführt hat, dass Firmen wie BlackRock für ihre Pensionsfonds enorme zusätzliche Einnahmen generieren konnten, sodass ihr Finanzvolumen – und damit auch faktisch ihre Macht – stetig stieg. Norbert Blüm findet in einem sehr lesenswerten Interview mit den Aachener Nachrichten dafür die treffenden Worte, denen eigentlich kaum noch etwas hinzuzufügen ist.

Wenn die Macht nicht endgültig und allumfassend von den Parlamenten zu Großkonzernen der Finanzindustrie wandern soll, dann ist ein Umdenken in der Politik erforderlich – weg von nationalstaatlichem Wettbewerb hin zu einem wirklich globalen Denken, das die Menschheit als Gesamtheit erfasst, die sich solidarisch arrangieren sollte, anstatt in ewiger Konkurrenz gegenseitig zu bekämpfen. Das ist natürlich zurzeit eine Utopie, aber nur mit solchen Visionen dürfte es möglich sein, BlackRock und Co. Einhalt zu gebieten, damit diese die Welt nicht so formen, dass alle außer ihnen selbst Verlierer sein werden.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Globale Konzerne vs. nationale Regierungen – ein ungleicher Kampf“

  1. Ein interessantes Interview mit Klaus Sachs auf Spiegel Online! Sachs ist Jurist und einer der acht deutschen Richter für das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) bei der Weltbank, also bei einem der Schiedsgerichte, bei denen Unternehmen Staaten verklagen können, wenn sie ihre Profite gefährdet sehen (ist ja gerade im Rahmen der geheim gehaltenen TTIP-Verhandlungen in aller Munde). Eine durchaus interessante Sichtweise, die sich in dem Interview offenbart, vor allem am Schluss, als selbst jemand wie Sachs dann eingestehen muss:

    Das stimmt, der Staat ist immer der Beklagte, und es gibt für ihn keine Möglichkeit, die Entscheidung des Gerichts anzufechten. Ich hoffe, dass man beides bei einem Abkommen zwischen USA und EU ändert. Man sollte Umwelt- und Verbraucherschutz ausklammern und sich auf reine Wirtschaftsfragen konzentrieren. Und auch Unternehmen sollten von Staaten über eine sogenannte Widerklage belangt werden können, wenn sie bei ihren Investitionen selbst gegen Gesetze verstoßen haben. Wir brauchen mehr Waffengleichheit zwischen Staat und Konzernen.

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